Ein Nachruf
Manchmal kommen sie wieder: zum Tod von Refused
von John K. Doe am 13. Januar 2012 veröffentlicht in Gespräche, Musik, PopkulturRefused haben sich aufgelöst, es gibt sie nicht mehr. Anders verhält es sich mit der mühsam aufgebauten Marke Refused. Und deswegen ist das Ereignis des noch jungen Jahres auch so uncool! Aber der Reihe nach. Es ist Januar, das Wetter scheiße, die Uhr des Maya-Kalender tickt dem Ende entgegen, Christoph Wulff ist Bundespräsident und an der Göttinger Uni versuchen sich die Staatsbeamten in der Durchsetzung des Faustrechts. Das alles schreit nach Revolution – gut das mitten in dieses Weltgeschehen die Nachricht platzt, das es Refused wieder gibt.
Wer war das eigentlich? Eine der Kapellen aus dem kalten Umeå, Geburtsort zahlloser großartiger Bands. Mit „Songs to fan the flames of discontent“ hatte die Band bereits ein dickes New School Brett aufgefahren. Dann kam ihr großer Moment, der hieß „The shape of punk to come: a chimerical bombination in 12 bursts“ und war in vieler Hinsicht wegweisend. Vor allem sollte „The shape of punk to come“ mehr verkaufen – eine Art Image. Nur cool war das schon damals nicht. Bei den Schweden sah es so aus, als wäre die Band in eine Umkleidekabine gegangen, in der die restlichen Klamotten sowie das Konzept von Nation of Ulysses rumlagen. Der Vergleich den das Beatpunk-Fanzine jüngst gezogen hat hinkt an keiner Stelle. Fast 1:1 haben sich Refused bei Nation of Ulysses bedient. Und es stand ihnen nicht mal schlecht. Adrett gekleidet untermalten Refused sozialistisch angehauchte Floskeln mit brutalen Ausbrüchen die irgendwo zwischen kontrolliert und fassungslos umhertangierten. Was für eine großartige Platte. Die ständige Auseinandersetzung mit Inhalt und Form trug wesentlich zur Marke Refused bei – und war dann auch bald das Problem. Authentischer wirkten bei diesem Versuch sogar erfahrene Mainstreamer wie die Waliser Manic Street Preachers. Zu aufgesetzt wirkte das Konzept, dennoch transportierten Refused genug Potenzial für die Industrie. Nur passte das nicht zur Marke…damals…
Das Problem der Legendenbildung. Eins haben Refused verstanden. Sie haben sich eine kleine Legende erschaffen. Glaubt man dieser, löst sich die Band im Laufe einer relativ misslungenen US-Tour auf. Zermalmt zwischen Egos, Erfolg und Erwartungen. Die geschickt choreographierte Livepräsenz der Band kriegen die Fans kaum mehr zu Gesicht. Mit der Auflösung waren sie dann lebendiger denn je. Es hielt sich das hartnäckige Gerücht, man hätte sich hingeschmissen, weil der Hype vor dem politischen Anspruch der Band stand. Man wollte nicht auf das Cover vom Alternative Press und verwehrte sich der Paycheck-Logik der damals noch relativ lebendigen Musikindustrie. Zumindest Lyxzèn hatte diesen Anspruch spätestens mit The (international) Noise Conspiracy ohne große Umwege aufgelöst. Wieder wurde einem Projekt nachgeeifert, in dem Ian Svenonius, ehemals Nation of Ulysses und dann also The Make-Up, die Finger hatte. Nur war die Marschrichtung von The (international) Noise Conspiracy klarer in Richtung Erfolg gesetzt. Die Klasse zwischen beiden Bands, The Make-Up und The (international) Noise Conspiracy war überdeutlich, wenn man beide zusammen sah. Svenonius war Hollywood und Lyxzèn Tatort. Die letzten Jahre verbrachte Svenonius mit neuen Bandprojekten, einem Buch und der genialen Talkshow Soft Focus. Auch Lyxzèn versuchte es weiter mit Musik. Das Thema Refused schien abgegriffen. Noch 2010 gab er dem NME zu Protokoll: „No, we are not reforming, (…) Me and David [Sandström] are going on tour next week with our new Hardcore band Ac4 – sleeping on kids floors and playing doordeals, that seems to be more in line with what we deserve.“1
Das Problem der Wiederkehr. Es besteht darin, dass die Diven allesamt ihrer kleinen Hardcorewelt entwachsen. Nehmen wir ein Beispiel. Die Swing Kids-Reunion führte zumindest auf größeren Bühnen zu einigen interessanten Szenen. Denn Sänger Justin Pearson ist so eine Diva. Seine Bands haben (nicht ganz zu unrecht) ein Ego erschaffen, in dem sich Pearson auf der Bühne wie ein Sonnengott im eigenen Licht räkelt. Dazu läuft der Sound seiner Band, die vor etwa 10 Jahren im Dreck spielte. Auf der großen Bühne eines Festivals passte wirklich nichts mehr zusammen. Allerdings ruinierten die Swing Kids ihre Wiederkehr nicht durch einen pamphletartigen Rechtfertigungsversuch und verheizten das Potenzial nicht vollends in der Sterilität eines größeren Rockzirkus – dafür fehlte aber auch das Potenzial. Zumindest gibt es ein eindrucksvolles Beweisvideo das zeigt, wie gut es im kleinen Rahmen funktioniert hat. Refused haben es bis jetzt viel ungeschickter angestellt. Wer heute die ohne Zweifel großartige Livepräsenz erleben will ist gezwungen für einen Haufen Kohle einen Haufen ganz beschissener Bands gleich mitzunehmen, und die Band im Reigen der üblichen Festivalidioten zu erleben. Eine erste Show als Support von Soundgarden ist bestätigt. „Rather be forgotten than remembered for giving in” heißt es in dem ziemlich guten Song „Summer Holidays vs. Punkroutine“ und das wäre auch irgendwie cool gewesen.
PS: Und ja, für die Kohle hätte ich es auch gemacht…
- http://www.nme.com/news/various-artists/50465 [zurück]