Rezension "Nazi-Chic und Nazi-Trash"

Das Braune im Pop
von am 15. Juni 2013 veröffentlicht in gelesen, Popkultur

Einblick in braune Symbolik und Stile: Nazi-Chic und Nazi-Trash von Marcus Stiglegger (Foto: MoG)

Faschistische Ästhetik ist heutzutage dermaßen in der Populärkultur aufgegangen, dass den meisten Menschen die historischen Bezüge gar nicht mehr klar sind. Wer denkt bei Totenköpfen oder schwarzen Lederjacken schon direkt an die SS? Wie weit das Phänomen tatsächlich reicht, darauf gibt Marcus Stiglegger im vorliegenden Buch eine Antwort.

Wo steckt sie denn, die faschistische Ästhetik? Man könnte meinen überall, denn Beispiele liefert der Filmwissenschaftler Stiglegger zuhauf – freilich nicht, ohne seine Ausführungen reichlich zu illustrieren. Dabei nimmt er die Leser_innen quer durch die letzten Jahrzehnte mit und deckt dabei vor allem die wichtigsten Formen popkultureller Repräsentation ab Film, Popmusik und Mode.

Dabei gelingt es ihm herauszustellen, dass es sich beim Sampling der braunen Symbolik keineswegs um ein Phänomen der letzten Jahre handelt, wie Kulturpessimist_innen vielleicht denken mögen. Vielmehr zeigt er die Kontinuitäten auf und stellt seine Analyse in den Kontext von Funktionalität. Stiglegger wirft auch einen Blick auf die oft missverstandene Gothic- und Industrialszene, stets mit Sinn für die feinen Unterschiede kultureller Aneignung. Wie wird die Ästhetik von wem genutzt und wozu? Werden Künstler_innen, die sich etwa mit Eisernen Kreuzen schmücken dadurch zu Nazis? Oder ist das Verwenden Ausdruck von Rebellion oder gar nur ein sinnentleertes ästhetisches Spiel mit Zeichen? Stiglegger gibt Antworten.

Der gefühlte Schwerpunkt des Buches ist dabei der Film, was in Anbetracht der Profession des Autors nicht überrascht. Kenntnisreich werden die Leser_innen an längst verdrängte historische Spielarten wie Sadiconazista herangeführt, deren Gehalt auch Hartgesottenen den Appetit verderben kann, und die als aktuelle Produktionen teils geradezu undenkbar erscheinen. Doch Stiglegger arbeitet sich nicht nur an alten Streifen ab, sondern auch an neuen. So beleuchtet er auch einschlägige Produktionen der letzten Jahre, wie den grade in linken Kreisen vielbejubelten „Inglorious Basterds“.

Mit seinen rund 100 Seiten im Kleinformat ist das Buch dabei außerordentlich knapp gehalten und dementsprechend schnell gelesen. Die Inhalte bleiben dabei aber keineswegs auf der Strecke. „Nazi-Chic und Nazi-Trash“ spricht thematisch und stilistisch eher ein gebildetes Publikum an, und dürfte für Menschen ohne akademischen Background schwierige Lektüre sein. Kaufempfehlung  für alle, die einen fundierten Blick auf das Thema werfen möchten.

Marcus Stiglegger
Nazi-Chic und Nazi-Trash
. Faschistische Ästhetik in der populären Kultur.
108 Seiten.
Bertz + Fischer 2011
9,90 Euro

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