Kino: "Hannas Reise"

Behinderte Juden zählen doppelt
von am 22. März 2014 veröffentlicht in Kultur, Leinwand, Rezensionen, Titelstory

Junge Deutsche suchen in Israel den Karrierekick

Eine kleine Liebelei zwischen Deutschland und Israel: „Hannas Reise“, der neue Film von Julia von Heinz, spielt mit Klischees und Vorurteilen und weiß, dass die Beziehung zwischen Deutschen und Israelis kompliziert bleibt.

Am Anfang von Hannas Reise steht der Job. Ein toller Job, mit viel Geld und vielen Hotels, schicken Businessklamotten und schnellen Autos. Hanna (Karoline Schuch) ist ehrgeizig, will die Karriere und ein Leben auf der Dachterrasse. Dazu absolviert sie ihr BWL-Studium vorbildlich, lernt unerbittlich und erzielt die entsprechenden Bestnoten. Im Bewerbungsgespräch bei einer Berliner Unternehmensberatung dann plötzlich ein Problem: „Gute Noten, die hat ja heutzutage jeder“, sagt der Personaler. Was Hanna denn sonst noch so mache? Hanna improvisiert. Und ein paar Tage später sitzt sie missmutig im Flieger nach Tel Aviv.

„Was mit Juden kommt halt immer gut“

Ihrem entsetzten Freund sagt sie kühl, dass man eben was mit Juden machen müsse – als Deutsche. Das „kommt halt immer gut. Und behinderte Juden zählen doppelt“. Nach einem kurzen Streit mit ihrer Mutter (Suzanne von Borsody), deren Organisation junge Menschen in soziale Projekte vermittelt, fliegt Hanna also nach Israel. Ursprünglich sollte die Mama das Zeugnis einfach fälschen, aber die alte Weltverbesserin musste der Tochter das Leben mal wieder schwer machen. Überall die Welt retten, aber der eigenen Tochter bloß keine Gefälligkeit erweisen – typisch 68er eben.

Im sonnigen Israel angekommen, muss sich Hanna erst einmal gehörig umstellen: Ihr Praktikum absolviert sie in einem Zentrum für Menschen mit Behinderung und die nehmen es mit Hannas Terminplan nicht allzu genau. Um fünf Uhr soll sie bei „ihrer Holocaustüberlebenden“ im Seniorenheim sein. Das ist wichtig, schließlich muss sie doch was vorweisen können für das baldige Assessmentcenter in Berlin. Stattdessen fragen die Bewohner des Zentrums sie ständig nach der Uhrzeit, bauen mit kindlichem Eifer Sandburgen und kiffen sich bewusstlos. Für die durchgeplante Hanna ein wahrer Alptraum.

Holocaust? Nee. Ich bin 1986 geboren.

Hanna würde das lästige Praktikum wohl einfach kühl und pflichtgemäß über die Bühne bringen, wäre da nicht Itay (Doron Amit), der offenbar eine Schwäche für deutsche Frauen entwickeln kann, die einen Israelbesuch als Karrierekick betrachten. Der gutaussehende Sozialarbeiter wirbt ausgiebig um Hanna und spart dabei nicht mit Zynismus. „Findest du nicht, wir sollten mal diese deutsch-jüdische Sache lassen und zusammenarbeiten wie ganz normale Kollegen?“, fragt ihn Hanna, während eines Strandausflugs. „Genau das gleiche haben meine Großeltern 1936 auch vorgeschlagen“, antwortet Itay und bittet sie gleich darauf, mit ihm auszugehen.

Hannas und Itays Verhältnis ist das Thema des Films und sorgt für einige Lacher aber auch für Momente des Nachdenkens. Die Liebesgeschichte ist die Folie, hinter der erstaunlich viele Mosaike des deutsch-israelischen Verhältnisses aufleuchten können. Die warme, sonnengeflutete Umgebung, in der sich die Protagonisten bewegen, wird jedoch immer wieder von kalten, hässlichen Momenten unterbrochen. Schuld und Sühne, Vergessen und Erinnern, die Motive deutsch-israelischen Austausches bleiben aktuell.

Wiedergutmachungsdeutsche

Zum Beispiel die Mitbewohnerin Hannas. Die prototypische Antifaschistin poltert kräftig gegen „IsraHell“ und hört es gar nicht gern, dass diese Haltung der ihrer Großeltern gruselig nahe kommt. Als sie dann wegen eines Angriffs auf israelische Soldaten abgeschoben werden soll, verliert sich ihre harte Position in kleinlauten Danksagungen an Itay, der sie mithilfe seiner Armeekontakte vor dem Heimflug bewahren kann. Carsten dagegen, der dritte Bewohner in Hannas chaotischer WG, wäre am liebsten selber jüdisch und grinst nur etwas verschämt, als ihm vorgeworfen wird, das sei eben gerade angesagt bei den Berliner Brillenhipstern.

Allen drei jungen Deutschen macht der Film am Ende denselben Vorwurf: Israel ist die Projektion ihrer eigenen Selbstverliebtheit. Solche Momente haben allerdings nur bedingt Raum in der ansonsten hübsch anzusehenden Liebesgeschichte. Hannas Reise rüttelt nicht kräftig an einem deutschen Mainstream, der die deutsch-jüdische Vergangenheit gern als aufgearbeitet betrachtet. Stattdessen zeigt er, dass Tel Aviv und Berlin, dass Itay und Hanna, dass Israel und Deutschland ein kompliziertes Verhältnis führen: (Vor-)Urteil und Zuneigung wechseln sich ab. „Hannas Reise“ zeichnet ein modernes Bild von Israelis und Deutschen, in dem man sich selbst ganz gut wiederfinden kann: Wir starten nicht bei null. Es bleibt kompliziert.

Artikel teilen


Themen

,

Schreibe einen Kommentar

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu schreiben. Anmelden | Registrieren

Bitte lese dazu unsere Regeln und Hinweise zum Kommentieren.