Sci-Fi Blockbuster Elysium

Das Unglück muss zurückgeschlagen werden
von am 19. August 2013 veröffentlicht in Kultur, Leinwand, Titelstory

Im Kino schweben die Seligen der Unterwelt in einer Raumstation über der Erde (Foto: MoG)

Die griechische Mythologie kennt Elysion als die Insel der Glückseligen, einen entfernten und unerreichbaren Ort voller Schönheit und Zufriedenheit, dem Garten Eden nicht unähnlich. Der aktuelle Hollywood-Blockbuster von Neill Blomkamp projiziert die Idee in eine ferne, aber nicht allzu ferne Zukunft.

Elysium ist hier eine Raumstation in einer Umlaufbahn um die Erde, in der sich die Reichen und Schönen in Kolonialstilvillen mit grünen Vorgärten tummeln und die Annehmlichkeiten der fortgeschrittenen Technologien genießen. Als eine Art orbitale Gated Community schwebt Elysium über den Slums und Sweatshops einer verwüsteten und verdreckten Erde. Der Großteil der Menschen schlägt sich unter totaler Überwachung in ärmlichen Verhältnissen durch oder schuftet für den Wohlstand der elysischen Bürger_innen. Der Film ist wie die meisten Science Fiction-Filme, die Hollywood in den letzten 20 Jahren auf das Publikum losgelassen hat, eine Dystopie. „Elysium“ ist die Hyperbel einer Klassengesellschaft und – nicht weiter überraschend – eine Heldengeschichte vor dem Herrn.

Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss…

Der Held der Geschichte, Max DeCosta, gespielt von Matt Damon (wir erinnern uns nur zu gern an seine Verkörperung im Actionpuppen-Spektakel „Team America“), hat das atemberaubende Glück, in einer monströsen Fabrik für einen Hungerlohn einer regulären Arbeit nachgehen zu dürfen. Als Folge eines kalkulierten Arbeitsunfalls setzt er sich einer tödlichen Dosis Strahlung aus, die ihn binnen fünf Tagen das Leben kosten soll. Heilung gibt es dafür nur auf der Raumstation. Dummerweise werden Menschen ohne Pass, die illegal nach Elysium reisen, auf Geheiß der fiesen Minsterin Delacourt (Jodie Foster) abgeschossen.

DeCosta lässt sich auf einen heiklen Plan ein, der seine bionische Aufwertung ebenso vorsieht wie das Anzapfen sensibler Informationen aus dem Gehirn eines reichen Fabrikanten. Der hat zufälligerweise den Schlüssel zur Abschaffung des Klassengegensatzes im Hinterkopf, was DeCosta für den Rest des Streifens zur Zielscheibe Nummer Eins macht. Gejagt von wahnsinnigen Paramilitärs und Androiden beginnt ein Wettrennen nach Elysium, um die digital fixierten Grundlagen des Gemeinwesens im eigenen Sinne umzuschreiben. Ein eher billiger Plot im atemberaubendem Setting einer Welt irgendwo zwischen JJ Abrams‘ Star Trek und Mad Max.

Schere zwischen Arm und Reich

Blomkamps „Elysium“ geriert sich als kritischer Kommentar zu vergleichbarem Zeitgeschehen – ein Eindruck, den er mit Äußerungen über die US-Grenze zu Mexiko in einem Interview untermauert hat. Die Verlagerung der Szenerie in die Zukunft scheint dabei das Bedürfnis des Kinopublikums zu bedienen, die eigene Verstrickung in aktuelles Unrecht auszublenden: Die brutale Realität der ertrinkenden Flüchtlinge vor den Toren der Festung Europa oder die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken in Bangladesch. Die finstere Welt von morgen ist lange da, aber im Kino dann doch weit weg.

Als Urheber des Unheils halten wie so oft die Anzugträger her – insbesondere verkörpert von der als eiskalte Karriere-Bitch portraitierten Ministerin mit Kurzhaarschnitt, die den Kindern zuliebe den Schießbefehl erteilt. So sind die Bösen mal wieder die anderen. Ein Trick, der deshalb funktioniert, weil man mit den Protagonist_innen die Insel der Glückseligen die meiste Zeit nur von unten sieht, auch wenn man als westlicher Kinosesselfurzer im echten Leben mittendrin sitzt.

„I have no idea what I’m doing“

Die Annulierung der Zweiklassengesellschaft glückt DeCosta letztlich irgendwie nebenbei und erscheint von Anfang an vorhersehbar. So radikal und politisch der Gedanke jedoch ist, er wird im Film nicht expliziert. Auf der Suche nach Heilung für sich und ein an Leukämie erkranktes Kind opfert sich der Held auf und drückt sterbend den Alles-Für-Alle-Knopf, ohne dass ein Wort über die Rolle des Privateigentums an Produktionsmitteln fallen müsste.

Insofern ist „Elysium“ utopisch im eigentlichen Wortsinn: Die Ungerechtigkeit der im Film gezeigten Welt spricht von sich aus für ihre Abschaffung, und dem Publikum leuchtet es ein. Niemand kommt im Kinosaal auf die Idee, die Quasi-Revoluzzer für gefährliche Extremisten oder verblendete Spinner zu halten, weil sie keine Reden von einer besseren Welt schwingen. Einführen tun sie sie trotzdem, letztlich aus privaten Motiven.

Fortschritt oder Rückschritt?

Aus linker Perspektive bleibt „Elysium“ insofern ein Rohrkrepierer, der dank State of the Art-Special Effects und guten schauspielerischen Leistungen dennoch ordentlich knallt. Ein wenig mehr Fantasie in Bezug auf gesellschaftlichen Fortschritt hätte man bei den Figuren jedoch erwarten können. Dass „Elysium“ durch den Bechdel-Test fällt, sexistische Geschlechterstereotype bedient und in der Portraitierung des Bösewichts ganz nebenbei die üblichen Vergewaltigungsmythen bedient, ist man ja von Hollywood leider gewohnt. Hier wäre mehr drin gewesen, wenn man schon die Gegenwart kritiseren will.

„Elysium“ vermag so weniger zu begeistern als Blomkamps hochgelobtes Sci-Fi Sozialdrama „District 9“. Unterm Strich bleibt ein unterhaltsames Heldenepos mit sozialkritischem Subtext und toller visueller Umsetzung, dessen Actionlastigkeit und Pathos bei den Zuschauer_innen immer wieder das Gefühl aufkommen lassen, den Film schon zehn mal gesehen zu haben – was ja nichts schlechtes sein muss.

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