Refpolk über sein Album "Klippe", den NSU und politischen Rap

Rap ist halt umkämpft
von am 1. Juni 2015 veröffentlicht in Kultur, Titelstory

Achtung Zeckenrap! Foto: Till Gläser

Refpolk ist ein Zeckenrapper. Zumindest bezeichnen er und andere vom Label Ticktickboom sich so. Sie sind Sänger*innen, DJ*anes, Beatproduzent*innen, Veranstalter*innen, Grafiker*innen und Rapper*innen und machen und feiern linken Hip Hop. Im April erschien Refpolks neues Album „Klippe“. Monsters hat mit ihm über sein Album und linken Hip Hop gesprochen.

Du hast diesen Freitag dein Album veröffentlicht – wie war der Entstehungsprozess?

Für „Klippe“ ist all das wichtig, was ich die letzten Jahre gemacht habe. Natürlich ist schon was vor meinem ersten Soloalbum „Über mich hinaus“ passiert. Das ist auch wichtig. Aber vor allem, was sich danach alles entwickelt hat. Zum Beispiel „the future is still unwritten“ oder Ticktickboom.

Seit wann bist du bei Ticktickboom?

Ich war von Anfang an dabei. Ticktickboom hat sich Ende 2012 gegründet, so ungefähr als „Über mich hinaus“ rauskam. „The future is still unwritten“ hat sich dann 2013 im Frühjahr mit dem gleichnamigen Song gegründet. 2014 hatten wir die Tour und jetzt, ein Jahr später, kommt dann die neue Tour.

Das ist alles in „Klippe“ mit eingeflossen, deswegen bringt es sehr sehr viele Dinge, Erfahrungen und Begegnungen zusammen. Es gibt den Song „the future is still unwritten“ und es sind ja auch viele Leute von Ticktickboom auf dem Album. Das ist für mich sehr wichtig – dieser Aspekt des miteinander Machens.

Du hast einen Song mit Kutlu von der Microfone Mafia gemacht, wie kam es dazu?

Das ist ein wichtiger Song für uns – „Niemand wird vergessen“. Bis öffentlich klar war, dass diese Morde der NSU begangen hat, hat bis November 2011 gedauert. Es hat ganz schön lang gedauert, bis ich dann dazu einen Song gemacht habe, aber es hat die Zeit halt gebraucht. Es war mir wichtig, diesen Song nicht einfach so zu machen: „Scheiß NSU, Scheiß Verfassungsschutz“, sondern auch selbstkritisch zu sein: Was ist denn mit dir? Du bist Antifa seit Jahren, begreifst dich als Antifaschist. Du warst in der Jugendantifa vor Jahren, das war genau die Zeit als der NSU gemordet hat. Wo warst du, wo waren die anderen, wo war die Bewegung?

Und jetzt ist der NSU-Prozess, was entwickelt sich daraus?

Kutlu ist auch in der Initiative „Keupstraße ist überall“. Es war wichtig, das zusammenzubringen, weil Kutlu als migrantischer Linker auch sagt „Wo war ich denn? Ich hab auch nicht so gehandelt, wie ich hätte handeln können“.

Du machst viel mit anderen Künstler_innen zusammen. Ich kenne nicht alle von Ticktickboom, aber wie entwickelt sich, mit wem du zusammen Songs machen willst?

Das passiert sehr aus der Situation heraus. Ich hab ja auch einen Song mit Darlino, den ich über die Refugee-Proteste kennengelernt habe. Wir haben uns kennengelernt, wir haben zusammen Musik gemacht. Ich habe Auftritte von ihm gesehen und er von mir. So hat sich das entwickelt und dann haben wir einen Song zusammen gemacht: „One Struggle“.

Kutlu von Microfonemafia hab ich schon vor 12 oder 15 Jahren oder so gehört. Die haben mich sehr geprägt, das war sicher eine spezielle Beziehung. Carmel Zoum ist Dancehall-Sängerin und ich kenne sie über Springstoff. Wir haben zusammen Auftritte gemacht und daraus hat sich das entwickelt. Mit Kobito wollte ich unbedingt was machen, weil wir früher als Schlagzeiln unterwegs waren und wir Lust hatten mal wieder ’n Track zusammen zu machen.

Und es gab die Idee von Sookee, die meinte „es wäre ne spannende Idee, nen Song auf dem Album zu haben, wo du gar nicht rappst sondern Leute Texte von dir rappen“. So ist ein Song entstanden, in dem einige von Ticktickboom unterwegs sind. Aber auch andere wie Boykott zum Beispiel oder Filou vom Berlin Boom Orchestra oder Daisychain, die Texte von mir übersetzen oder einfach mit ihrer Stimme rappen.

Es geht darum, vom diesem „ich bin Rapper, ich mach mein Ding, scheiß auf Alle“ wegzukommen. Das ist eine Art von Männlichkeit und Vereinzelung in einer kapitalistischen Gesellschaft. Davon will ich wegkommen, es soll ein bisschen eine Basis oder Idee von Solidarität und Empathie vermitteln. Dafür soll „Klippe“ auch stehen.

Refpolk und Berlin Boom Orchestra

Das neue Album ist kein Alleingang. Refpolk zusammen mit dem Berlin Boom Orchestra. Foto: Just Photographer Berlin

Du hast gerade über ein typisches Bild von Männlichkeit gesprochen – ihr habt ja zusammen eine Broschüre „Deutschrap den Deutschen“ gemacht. Ich finde die sehr spannend. Gab es für diese Broschüre einen konkreten Anlass?

Die Idee gab es schon vor längerer Zeit. Sie kam von Rabenkind und von Radical Hype, die ja auch bei TickTickBoom sind. Die Idee war da und schließlich wurde sie dann umgesetzt. Das Interessante war, dass Anlässe danach kamen. Die Broschüre ist immer aktueller geworden.

Als wir an der Broschüre saßen, hat Fler, der einer der Vertreter von deutschnationalistischem Rap ist, einem Rapper, der in Spanien geboren ist und dessen Großeltern aus Marrokko kommen, gesagt, dass er nur „Gast“ sei. Sie hatten einen Streit wie Rapper ihn haben – zwei Egorapper mackern halt rum. Und neben dem üblichen Sexismus, den ich nicht bagatellisierern will, kam so ein rassistisches Statement dazu. Fler hat da auf Facebook geschrieben: „Du bist hier nur Gast.“ Die Broschüre war da schon fast fertig, als solche Sachen dazu kamen. Es war schon traurig und krass, dass sich sowas dann verstärkt hat. Kurz nach Erscheinen der Broschüre, erschien ja auch das Album von MaKss Damage, dem Nazirapper.

Du hast gerade zwei Namen gesagt, Fler und MaKss Damage, sind das die Schlimmsten?

MaKss Damage ist ein Nazi. Er hat nen Track der heisst „MC Nazi“ und einen, in dem es heisst „Ich bin Rassist und das Tag für Tag“ oder so ähnlich. Er sagt offensiv, er sei Nazi, hat eine geschlossene Naziideologie und macht Nazi-Musik. Die Gefahr ist natürlich da, dass Menschen über die Musik zur Naziszene finden – er erreicht aber nicht so viele Leute.

Fler ist jemand der sagt, „ich bin kein Nazi und ich bin kein Rassist“, aber Nationalismus und mit rassistischen Statements Rassismus stärkt. Die NPD hat versucht, ein Zitat von ihm zu verwenden, was er ihnen untersagt hat. Letztendlich wehrt er sich dagegen Nazi zu sein und pusht das gleichzeitig mit seinem Handeln. Es gibt noch weitere Rapper wie Dissziplin, der schon Grauzone ist und mit dem Label 23 zusammengearbeitet hat, das Nazivertrickungen hat. Es gibt da viele Rapper, die unterschiedlich einzuordnen sind, aber Fler ist der Bekannteste. Mit ihm ging das alles los, als er „Neue Deutsche Welle“ rausgebracht hat.

Du hast mal gesagt, dass du seltsam findest, dass politischer Rap in Deutschland in den 90ern angefangen hat, der Gangster-Rap aber viel bekannter geworden ist als politischer Rap . Ändert sich das gerade?

Ich würde nicht so trennen zwischen Gangster-Rap und politischem Rap. Gangster-Rap ist an sich sehr politisch, auch wenn es das manchmal nicht sein will. Es gibt immer wieder Tracks von Leuten, die sich als Gangster- oder Straßenrapper bezeichnen, die ich viel politisch sinnvoller finde als irgendwelche linken Parolensongs. Wenn sie bspw. über Rassismus berichten oder über ihr Leben in der Unterschicht. Ich würde sagen: Rap, das sind Geschichten aus dem Alltag. In Rap findest du in sehr verdichteter Form Themen wie Migration und Rassismus, Männlichkeit und Sexismus, Homophobie und Sexualität, Klassenkampf, Kapitalismus, Leistungsgesellschaft. Das findest du in progressiver wie auch in reaktionärer Form, es ist halt umkämpft.

Es bleiben aber Geschichten aus dem Alltag. Das ist also sehr nah dran an dem was Leute erleben, das zeichnet es aus. Das ist das, was auch in linken Bewegungen in Deutschland auch fehlt: Leute haben ihre Agenda, aber gucken nicht wirklich, wie sie sich fühlen, was sie machen, was sie umgibt und entwickeln daraus etwas. Das zeichnet Rap aus und das ist gerade im Umbruch. Das ist ein wichtiger Moment wo wir einsteigen können und eine Idee von Solidarität stärken können und deshalb ist es gerade ziemlich offen, in welche Richtung es zukünftig geht.

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