Tipps für ein Kulturwochenende

Im Premierenrausch
von am 25. April 2014 veröffentlicht in Kultur, Redaktionsblog, Titelstory

17.04.2014 / Deutsches Theater Göttingen / Fotoprobe / Lou Andreas-Salomé© / Foto: Thomas Müller / freier Fotograf

Das Wochenende steht vor der Tür und man weiß nicht ob es Wonne oder Qual bedeuten soll – unser Terminkalender platzt in den nächsten Tagen fast aus den Nähten vor Partys, Konzerten und Theateraufführungen. Damit bei der großen Auswahl nichts untergeht, nehmen wir dies zum Anlass, endlich mal wieder mehr über Kultur zu berichten. Hier nun unsere kleine Sammlung an Monster-Tipps für die nächsten Tage.

Ein Taugenichts im Museum
Den Auftakt zum Kulturwochenende gab es schon am Donnerstagabend mit einem Live-Hörspiel im Stadtmuseum. Joseph von Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“ ist vielen wahrscheinlich noch eine nebulöse Erinnerung aus dem Deutschunterricht. Vielleicht hat sich deshalb das Team um Oleg Zhukov, Götz Lautenbach und Andreas Maier eine besondere Art ausgedacht, diesen Text zum Leben zu erwecken. Aus der Textvorlage haben sie ein Hörspielstück geschrieben, welches von Donnerstag- bis Sonntagabend um 20 Uhr vor Publikum gesprochen wird. Wenn dann schon mal Publikum bei einer Hörspielproduktion anwesend ist, kann man auch was für dieses Format ungewöhnliches machen – mit einer Kulisse arbeiten. So zog es die Beteiligten in den historischen Tapetensaal des Stadtmuseum am Ritterplan 7/9. Dies wird dann wohl auch eine der letzten Gelegenheiten sein, diesen Ort zu besuchen. Denn das Stadtmuseum schließt schon bald für eine mehrjährige Kernsanierung die Pforten.
Donnerstag bis Sonntag um 20 Uhr im Stadtmuseum

Premiere für eine (vergessene) Legende
Das Wochenende wird ein wahrer Premierenmarathon. An die Premiere des Taugenichts schließt das Deutsche Theater gleich mit zwei Erstaufführungen an. Am Freitagabend wird im DT Studio „Lou Andreas-Salomé“ uraufgeführt. Die Autorin Tine Rahel Völcker und Dramaturg Lutz Kessler nehmen sich hier einer der beeindruckendsten Persönlichkeiten unserer Stadt an, Lou Andreas-Salomé. Sie war Philosophin, Schriftstellerin, Feministin und Psychoanalytikerin der ersten Stunde. Als erste Frau eröffnete sie 1912 in der Herzberger Landstraße eine Praxis für Psychoanalyse.
Eine Autobiographie auf der Bühne also? Nein Lou Andreas-Salomé ist weit mehr als sich in Schlagworte packen ließe. Allein wenn man sich die Liste derjenigen anschaut, deren Arbeit sie nachhaltig beeinflusst hat: Paul Rée, Friedrich Nietzsche, Gerhart Hauptmann, Friedrich Bölsche, Gustav Landauer, Malwida von Meysenburg, Frank Wedekind, Rainer Maria Rilke – um nur eine kleine Auswahl zu nennen – fällt auf, dass viele Literaten unter ihnen sind. Insofern ist das Theater vielleicht gerade der rechte Ort, um sich ihr Leben vor Augen zu führen. Wir sind gespannt welche Passagen ihres vielfältigen Lebens Völcker und Kessler für ihr Stück ausgesucht haben.
Premiere ist am Freitag um 20 Uhr im DT Studio. Leider aber schon ausverkauft.

Theater in der Krise
Damit dem Publikum nicht langweilig wird, kommt am Samstagabend schon die nächste Premiere auf die Bühne. Ödön von Horváth und Lukas Kristls 1932 erscheinendes Stück „Glaube Liebe Hoffnung“ handelt von der vorbestraften Elisabeth, die um ihren Leichnam schon vor dem Tod verkauft, um mit dem wenigen Geld ihre Strafen zu bezahlen. Als das raus kommt wird sie erneut angezeigt. So kommt sie tiefer in den Sog der Wirtschaftsrezession und Massenarbeitslosigkeit der 30er Jahre. Sind ihr Glaube, ihre Liebe und ihre Hoffnung stark genug? Diese Frage konnte in den 30er nicht mehr beantwortet werden, denn die Nazis verbaten die Uraufführung des Stückes kurz nach der Machtübernahme. Erst 1954 wurde das Stück am Deutschen Theater Göttingen uraufgeführt.
Nun nimmt sich Nico Dietrich erneut dem Stück an, in Zeiten in denen die ökonomische Krise erneut die Frage, wie stark Glaube Liebe und Hoffnung sind, aufwirft. Seine Inszenierung auf der Großen Bühne des DT ist zugleich auch eine Kostprobe was Göttingen in nächster Zeit im Theater zu erwarten hat. Denn Dietrich übernimmt ab der kommenden Spielzeit die Intendanz des Jungen Theaters.
Premiere des Stücks ist am Samstag um 19:45 im Deutschen Theater.

Konzert „The Incredible Herrengedeck“
Glaube, Liebe und Hoffnung – wo das eigentlich zu finden ist, fragen sich auch drei Herren aus Berlin-Neukölln. Was mit Molle, Korn und politischen Grundsatzdiskussion in Neukölln begann, ist heute eine Band, die Stadien füllt. So zumindest das Motto der letzten Tour von „The Incredible Herrengedeck“. Mal mit dem Sound vergangener Tage im Prenzlauer Berg, mal mit Arbeiter_innenliedern oder auch als Auftragsarbeit für die FDP haben sich die drei Punker-Chansoniers an den unterschiedlichsten Musikstilen schon versucht. Doch entscheidend ist bei „The Incredible Herrengedeck“ nicht nur, was sie aus Gitarre, Kontrabass und Casiokeyboard rausholen – es sind vor allem die Texte und Performances, welche die Band zu einem ganz besonderen Erlebnis machen. Gesellschaftskritische, satirische Texte zum Mitschunkeln – wenn’s denn eigentlich nicht so traurig wäre was sie besingen. Doch mit dem richtigen Soundtrack wird auch der Untergang der Welt zur Kreuzfahrt und „die Audioaufnahme als Medium der Selbstreflexion des Individuums in der spätkapitalistischen Gesellschaft“ (so der Titel des neuen Albums) zu einem unterhaltsamen Abendprogramm.
Am Samstag ab 21 Uhr im Theaterkeller.

Poetry Slam
So richtig rund macht das Kulturwochenende dann der Sonntagabend. Schlange stehen heißt es abends wieder mal vor dem Jungen Theater, bis die Türen zum Poetry Slam sich öffnen. Dieses mal stehen Olga Lakritz (Zü­rich), Nils Früchtenicht (Kassel), Thorben Schulte (Göttingen), Eike Bret (Hannover) auf der Bühne. Unterstützt werden sie dabei von „The Incredibe Herrengedeck“, die ja ebenfalls nicht nur Freunde der Musik sondern auch des Wortes sind.
Wie immer heißt es: Vorverkauftickets sichern oder früh da sein!
Sonntag um 20 Uhr im Jungen Theater.

Der Bolzplatz war immer schon eine Bühne
Wer glaubt ab Montag beginne das übliche profane Malochen wieder, liegt daneben. Auch in der kommenden Woche warten interessante Aufführungen auf euren Besuch. Die neue Produktion des „Boat People Project“ ist am Montag und Dienstag in einer Doppelvorstellung zu sehen. „Steh deinen Mann“ ist ein Monolog über das bis zum Outing Thomas Hitzelspergers kaum besprochene Thema Homosexualität im Fußball. Da das Boat People Project ungewöhnliche Wege liebt, findet die Aufführung nicht in einem Theater statt, sondern in einer Umkleidekabine des Jahnstadions.
Aufführungen am Montag und Dienstag jeweils 15:30 Uhr und 19:30 Uhr im Jahn Stadion.

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