Jupiter Jones | Beatsteaks

Weichgespülte Popscheiße
von am 13. März 2011 veröffentlicht in Platten

Mit Jupiter Jones hat unser Autor sowas wie seine letzte deutsche Lieblingsband verloren. Den Schritt auf ein Majorlabel lässt die Band ihre eingefleischten Fans mit horrenden Qualitätseinbußen bezahlen. Und es ist nicht das erste mal, dass ihm das passiert.

Meine erste Begegnung mit Jupiter Jones war im Jahr 2004. Die Band hatte mir ein Demo geschickt, in das ich mich recht schnell verliebt hatte. Tolle Texte, klasse Musik. Passte irgendwie in den Zeitgeist, deutschsprachig, Punkrock, straight, aber nicht dumm. Daraufhin organisierte ich ein Konzert im alten Göttinger Café Kreuzberg, zu dem etwa 20 Gäste kamen. Und es war großartig, die Musik, die Jungs, ihre intelligenten Lyrics, die Stimmung. Es folgten die ersten Alben, die immer ein bisschen popiger wurden, jedoch nie unauthentisch auf mich wirkten. Sogar eine Live-DVD mit Orchester haben Jupiter Jones mal in einem Kloster aufgenommen. Das war Pop, und das war klasse!


Jupiter Jones 2008 unplugged im Nörgelbuff

Im Februar 2011 höre ich plötzlich Jupiter Jones auf NDR2. Dieser Umstand allein war schon irritierend genug, nur kam auch das aus den Boxen, was eben auch sonst bei NDR2 aus den Boxen kommt: weichgespülte Popscheiße. Anfang März dann auf Pro7 die Werbung für den Jupiter Jones Klingelton. Mit meinem Bedürfnis nach Distinktion geht das überhaupt nicht mehr zusammen, ich finde das einfach nur peinlich. Das ist der Moment, in dem ich endgültig mit der Band breche. Jupiter Jones wollen es wissen, auf Teufel komm raus ein Publikum erreichen, dessen Ansprüche im Keller sind.

Es geht mir gar nicht darum, hier Popmusik schlecht zu reden. Es gibt großartige Popmusik. Und es gibt Musik, die auf Biegen und Brechen auf Pop getrimmt wird, auf Mainstream-Pop. Da werden alle Ecken und Kanten wegproduziert, dass es in den Ohren weh tut. Genau das ist hier passiert. Gerade bei Jupiter Jones finde ich es verdammt schade, weil diese Band eben auch großartige Popmusik machen konnte und könnte. Nur hat sie das aufgegeben, zugunsten der Klingeltöne.


Weichgespült: die neue Single von Jupiter Jones

Das bringt mich zu den Beatsteaks, mit denen es eigentlich ähnlich war. Als ich die Band vor rund 10 Jahren für mich entdeckte, kamen zu ihren Konzerten ein paar hundert Leute. Das waren gerade noch so viele, dass es nicht unangenehm war. Damals lief ihre Scheibe „Launched“ in meinem CD-Player rauf und runter, manchmal auch ihr Debut „48/49“. Das trat Arsch, wie wir damals sagten.


Trat Arsch: 48/49

Mit ihrem Album „Living Targets“ war ich mir dann schon recht sicher, dass die Beatsteaks mal sowas wie die Nachfolger der Ärzte werden. Das nächste Album dann hieß „Smack Smash“, interessierte mich kaum noch und erschien auf einem Majorlabel. „Wir kosten ja jetzt nicht plötzlich 25 Euro an der Abendkasse“, sagte Sänger Arnim mir 2004 im Interview, zu einer Zeit, wo ein Konzert mit den Beatsteaks noch für 10 Euro zu haben war. Heute sind sie auf Platz 1 der deutschen Albumcharts und füllen gigantische Konzerthallen. Die Eintrittspreise liegen bei 35 Euro. Aber das schlimmste ist: ihr neues Album ist weichgespülte Popscheiße und hat mit den Beatsteaks, die mir mal so gut gefallen haben, rein gar nichts mehr zu tun. Auch wenn die Beatsteaks noch längst nicht das Maß an Peinlichkeit erreicht haben, wie Jupiter Jones.


Weichgespült: Milk & Honey

Irgendwie anders haben übrigens Turbostaat den Schritt zum professionellen Musikerleben hinbekommen. Ihre Platten erscheinen mittlerweile auf einem Majorlabel, aber es gibt keine Klingeltöne und ähnlich Peinliches. Auch die Musik tritt immernoch Arsch und hat Ecken und Kanten, wenn auch ein paar weniger als früher. Solange das so bleibt, wird die Band wohl auch nie die ganz großen Hallen füllen, auch wenn die Zeiten, in denen sie im JuzI aufgetreten sind, wohl endgültig passé sind.

Selbst heute wird man von den Szenecheckern noch nicht mit Ungnade und abwertenden Blicken betrachtet, wenn man seine Sympathien für diese Band bekundet. Das ist sonst ja öfters so, Augenzwinkern hin oder her. Blöd für mich, dass ich Turbostaat zwar ganz okay finde, aber nie so richtig Fan war.

Ich brauche langsam aber sicher mal eine neue Lieblingsband. In letzter Zeit habe ich viel Tschaikowski gehört. Mal sehen, was draus wird.

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7 Kommentare auf "Weichgespülte Popscheiße"

  1. Folivora sagt:

    Oh, da ist jemand verbittert. Ist aber nachvollziehbar. Der unschlagbare Tipp für Indie Nerds: nur Bands gut finden, die schon 5 Jahre tot sind und 2 Alben und eine EP auf Klein(st) Labels hatten. Schützt natürlich nicht vor dem *COMEBACK*.
    Zu Turbostaat: ich fand „Das Island Manöver“ komplett unhörbar…

  2. John K. Doe sagt:

    als ich „still“ neulich zum ersten mal hörte, dachte ich erst das war ich+ich oder sowas. dachte so, hm, guter pop-song. wurde erst nach bzw. während des songs darüber aufgeklärt, dass das Jupiter Jones waren. ich fand die band früher unerträglich. ganz langweilige unnötige punkrock-kacke.
    letztlich geht es nur darum eine entscheidung konsequent nachzuverfolgen. ich denke genau deshalb sind turbosstaat nicht an sich selbst gescheitert. wenn es jupiter jones jetzt schaffen, sich nicht ähnlich peinlich permanent auf ihre underground-wurzeln zu beziehen und sich deshalb für etwas besseres halten (daran sind muff potter gescheitert), siehts für die band gut aus.
    und ich kann es drehen und wenden wie ich will – der song ist einfach eine echt gute popnummer. nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    ich finde es auch unfug bands bestimmt entwicklungen anzukreiden. wenn sich eine band dazu entschließt, davon zu leben (was in 99% der fälle zum scheitern verurteilt ist), muss grundfeste verändern. und ehrlich gesagt, mittlerweile habe ich dafür gewisses verständnis. bands die es dann schaffen, im business nicht ihr gesicht zu verlieren, schaffen gleichzeitig den großen spagat.

  3. Rakete sagt:

    Für mich erübrigt sich jede Diskussion mit jemandem, der behauptet, Ich & Ich würden gute Popsongs machen 🙂

  4. Schmendi sagt:

    @Folivora

    Darum steigt Rakete jetzt ja auch auf Tschaikowsky um….

  5. doppelell sagt:

    Was ich von Tschaikowski kenne, ist weichgespülte Klassik-Scheisse 🙂
    Dann greift man doch lieber gleich zu Rachmaninov (nicht den Wodka aus dem Regal, der heißt Rachmaninoff) und seinem Klavierkonzert Nummer 2, oder andererseits zu Stravinsky oder Shostakovitch.

  6. s* sagt:

    menschen werden älter, musikgeschmäcker ändert sich und irgendwo muss man sein geld herkriegen – egal ob vor, unter, auf oder neben der bühne. und die beatsteaks rocken nach wie vor nach über 15 jahren die bühne, auf der sie stehen. sie sind immer noch eine verdammt gute liveband. und dann sind sie auch nicht weichgespült. außerdem stimme ich folivora zu – es ist sinnlos bestimmten bands bestimmte entwicklungen anzukreiden. ich mein das kann ja jeder machen. aber kontruktive kritik pben ist die eine, andere menschen eine meinung aufdrücken die andere sache. 😉

  7. Rakete sagt:

    Es ging hier doch nie darum, jemandem etwas anzukreiden. Wenn Bands sich musikalisch „entwickeln“, um Kohle damit zu verdienen: nur zu. Nur muss ich sie dann nicht mehr mögen. Das ist natürlich alles subjektiv, nur ist mir das eben schon mit einer ganzen Reihe Bands passiert. Die Aufforderung, Kritik hier künftig konstruktiv formulieren zu sollen, nehme ich nicht an, wieso auch? Soll ich den Beatsteaks vorschläge für ihr neues Album unterbreiten? Das is doch Käse.

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