Filmvorführung von "Blut muss fließen"

Nazi-Polonaise zu Schlagermusik
von am 24. Januar 2015 veröffentlicht in Kultur, Leinwand, Neonazis, Titelstory
Plakat zum Film
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Am Dienstag zeigten der FSR SoWi, die Fachgruppe Politik und die Fachgruppe SoWi den Dokumentarfilm „Blut muss fließen“ im Stilbrvch an der Uni Göttingen. Über 100 Menschen nahmen an der Filmvorführung mit anschließender Diskussion mit dem Regisseur Peter Ohlendorf teil. Dabei erfuhren die ZuschauerInnen einiges über die Rolle von Rechtsrock in der Neonazi-Szene, deren Mobilisierungsstrategien und die äusserst riskanten Dreharbeiten.

Gastbeitrag von Frau_K

„Blut muss fliessen“ (Filmfaktum, 2012) gibt Einblick in die Rechtsrockszene der Neonazis. Heimlich gefilmte Aufnahmen machen den großen Bestandteil des Films aus. Bei 40 Undercover-Drehs über einen Zeitraum von sechs Jahren zeichnete der Jourmalist Thomas Kuban auf, was vermeintlich immer noch eine Bedrohung von unbedeutender Größe vom rechten Rand sei.

So sieht man in „Blut muss fließen“ Rechtsrockfans,  die Kleidung mit der Beschriftung „Division 28“ tragen – Division 28 ist eine Nachfolgegruppe der seit 2000 verbotenen rechtsextremen Netzwerkes Blood & Honour. Außerdem singen Bands mehrfach das verbotene Lied „Blut muss fliessen“, welches Zeilen wie z.B. „Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig, Lasst die Messer flutschen in den Judenleib“ enthält. Wenig überraschend sind auch zahlreiche (verbotene) Hitlergrüße, die Kuban filmte.

Das Publikum folgte dem Film sehr gespannt. Unterbrochen wurde diese Atmosphäre durch eine Sequenz, in der sich Neonazis, nach dem Abbruch des Spielens volksverhetzender Musik, bei einer Polonaise zu Schlagermusik zur Lachnummer machten.

Diskussion über Rechtsrock als Mobilisierungsstrategie

Der Name Thomas Kuban ist ein Pseudonym, das dem Schutze des Journalisten dient. Nach einer Produktionszeit von fünf Jahren tourt Regisseur Peter Ohlendorf nun bereits seit drei Jahren mit dem Film durch die Republik. Ohlendorf machte in der anschließenden Diskussionen deutlich, dass dem Thema Neonazis zu wenig Beachtung zukommt. Durch Rechtsrock, aber auch über andere Musikstile, versuchen Neonazis immer noch Zugang zu Jugendlichen zu finden, um sie so für ihre menschenfeindliche Ideologie zu begeistern.

Zentral ist für Regisseur Peter Ohlendorf die Strategie des „führerlosen Widerstands“ : Durch dezentrale Strukturen können mehr kleine Aktionen und Anschläge geplant und durchgeführt werden, ohne dass es einer großen Koordination bedarf. Ohlendorf verbindet hiermit jedoch auch den Aufbau lokaler Strukturen und Versuche von Neonazis anschlussfähig an die Gesellschaft zu werden. Das Konzept stammt aus den Kreisen von Blood & Honour.

Die wahre Identität von Journalist Thomas Kuban wird hingegen streng geschützt, dies hat „höchste Priorität“ für das Filmteam. Seit den ersten Veröffentlichungen von Konzertaufzeichnungen gibt es etliche Morddrohungen und Pläne für Anschläge auf ihn, da er es geschafft hatte, einen tiefen Einblick in die Rechtsrockszene zu erlangen und Neonazis durch die Veröffentlichung des Materials demaskierte. Diese gründeten sogar Research-Groups – zur Ermittlung von Kubans Identität und seiner Ermordung.

Kaum öffentliche Unterstützung für das Projekt.

Zugleich zeigt die Geschichte um den Film, dass es es im „Kampf gegen Rechts“ immer noch an öffentlicher Unterstützung fehlt: Jahrelang versuchten Ohlendorf und Kuban ihren Film über Finanzierung durch z.B. ARD/ ZDF oder Stiftungen in die Öffentlichkeit zu bringen – jedoch stieß das Thema sowohl medial als auch journalistisch nicht auf besonders großes Interesse.

Auch Polizei und Verfassungsschutz nehmen Aktivitäten aus der rechtsextremen Szene nicht wahr: Im Film sieht man unter anderem den ehemaligen Bayerischen Innenminister Günther Beckstein, der bezogen auf das Spielen des Liedes „Blut muss fließen“ äusserte: „man habe keine strafrechtlich relevanten Vorkommnisse bemerkt“. Bei einem anderen Konzert sieht man Polizisten bei einer Neonazisveranstaltung, die allerdings vor Beginn der Konzerte den Raum verlassen. Auch Kuban(im Film mit falscher Stimme) merkt an, dass dies kein Einzelfall während seiner Dreharbeiten war. Mittlerweile wird der Film aber auch Polizeischülern gezeigt.

Interessant und bemerkenswert an dem Film ist, dass er augenscheinlich nicht an Aktualität verloren hat. „Blut muss fliessen“ und die Ausführungen von Peter Ohlendorf zeigen: Neonazis treten nicht als vereinzeltes Phänomen in Erscheinung- dies ist eine Strategie, die in ihrer Durchführung durchaus Erfolge zu verzeichnen hat.

Lokaler Naziaufmarsch abgesagt

Auch um Göttingen herum bleibt es nicht still. In Güntersen sollte am 28. Februar dem SA-Mann und Verfasser der NSDAP-Parteihymne Horst Wessel gedacht werden, der gewaltsam ums Lebens kam und nun von Nazis zum Märtyrer stilisiert wird. Den Aufmarsch meldete Mario Messerschmidt, wohnhaft in Adelebsen und Mitglied im Bundesvorstand von „Die Rechte“, an. Er ist 2008 bekannt geworden durch eine Schiesserei mit einer Pumpgun und einen geplanten Molotowcocktail-Anschlag.

Am 23. Februar zog Messerschmidt seine Anmeldung zurück mit der Begründung, dass aufgrund der großen Mobilisierung gegen den Aufmarsch ein Gedenken unmöglich sei. Etliche Bündnisse und Gruppen aus Göttingen und Güntersen planen am 28. Februar ein buntes Frühlingsfest, um  zu zeigen, dass für Neonazis und rechtes Gedankengut kein Platz ist in der Gesellschaft. Dies ist gelungen und der 28. Februar kann nun zu einem Tag werden, an dem unbelastet durch einen Naziaufmarsch ein buntes Güntersen gefeiert werden kann.

 

Anmerkung: Der letzte Absatz wurde nachträglich geändert und eingebaut, nachdem die Absage des „Gedenkmarsches“ in Güntersen bekannt wurde.

 

 

 

 

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