Geplante Kundgebung in Lindau
Chance für die Extreme Rechte der Region?
von Rune Wiedener am 22. Januar 2016 veröffentlicht in Migration, NeonazisDas frühere Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Lindau
Der „Freundeskreis Göttingen/Niedersachsen“ plant an einem neuen Ort Proteste: Am kommenden Samstag, den 23. Januar, um 16 Uhr ist eine Kundgebung in Lindau angemeldet worden. Die Wahl dieses Kundgebungsortes könnte richtungsweisend für die Entwicklung extrem rechter Proteste in der Region Südniedersachsen werden.
Wohl entscheidend für die Frage, ob der „Freundeskreis Thüringen Niedersachsen“ um Jens Wilke Zulauf nicht nur von altbekannten Neonazis, sondern auch von größeren Teilen der Bevölkerung erfahren wird, ist die Ankündigung einer Kundgebung in Lindau (MoG berichtete). Das niedersächsische Innenministerium prüft derzeit, ob in diesem Ortsteil der Gemeinde Katlenburg-Lindau noch in diesem Jahr ein sogenanntes „Flüchtlingsheim“ entstehen kann. Bis zu 1.500 Geflüchtete würden dort in dem ehemaligen Max-Planck-Institut (Titelbild) untergebracht werden; Lindau selbst hat knapp 1.700 EinwohnerInnen.
Die dortige Prüfung ist paradigmatisch für die politische Debatte der „Flüchtlingskrise“ und seine reellen Auswirkungen im Alltag der von ihr betroffenen Menschen. Auf der einen Seite stehen dabei die Vielzahl an Geflüchteten. Diese brachten spätestens im vergangenen Sommer das Grenzregime der Europäischen Union (EU) zum Einsturz, welches für die aus der öffentlichen Wahrnehmung derzeit fast gänzlich verdrängten zehntausenden Toten verantwortlich war.
Auf der anderen Seite stehen in diesem spezifischen Fall auch die EinwohnerInnen vor Ort. Sollten sich die Behörden des niedersächsischen Innenministeriums für eine Unterbringung dieser Art entscheiden, würde dies nahezu eine Verdopplung der EinwohnerInnenzahlen von Lindau bedeuten. Damit wäre das bestehende soziale Alltagsleben ohne jegliches Mitspracherecht von heute auf morgen völlig umgeworfen. Dies stellt nicht die besten Bedingungen dafür dar, die in Teilen der Bevölkerung verbreiteten rassistischen Bilder und Stereotypen ab- statt aufzubauen. Die soziale Segregation durch die Unterbringung der Geflüchteten in ein Lager würde wohl ihr übriges tun.
Für all jene, welche sich mit Geflüchteten solidarisieren und menschenfeindliche Einstellungen ablehnen, dürfte sich eine Frage bei den zukünftigen Kundgebungen des „Freundeskreise Thüringen/Niedersachsen“ in Lindau stellen: Ob man den zynischsten und rohesten Akteuren in der derzeitigen Geflüchtetendebatte die Deutungshoheit über die dortigen Geschehnisse überlässt. Denn das Selbstbewusstsein der Extremen Rechten in Südniedersachsen begründet sich zwar nicht in der quantitativ hohen Anzahl ihrer SympathisantInnen. Es speist sich stattdessen auch aus einem Anwachsen ihres Aktionismus: Dazu zählen nazistische wie völkische Schmierereien und Transparente, die seit einigen Wochen in Northeim in der Nähe einer Geflüchtetenunterkunft und entlang der A7 und der A38 auftauchten, das Verteilen von „Blood & Honour“-Flyern und des Ku-Klux-Klans, sowie eines Farbbombenanschlags auf das Büro der Grünen in Northeim. Es gilt, aktiv dagegen zu werden, dass die Extreme Rechte Südniedersachsens ihr Aktionsrepertoire auf ein Niveau wie in anderen Teilen Deutschlands erhöht.