Duderstadt

Ein Stelldichein der regionalen Extremen Rechten
von am 19. Januar 2016 veröffentlicht in Neonazis, Politik, Titelstory

Die Kundgebungen des „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ bekommen vermehrt Zulauf aus den neonazistischen Strukturen der Region. All jene, welche mit ihren extrem rechten Mobilisierungsversuchen in den vergangenen Jahren scheiterten, versammeln sich nun sonntäglich in Duderstadt. Doch auch in anderen Orten wird der Versuch unternommen, den – für neonazistische Verhältnisse – relativ großen regionalen Mobilisierungserfolgen des „Freundeskreises“ rund um den Makler Jens Wilke nachzueifern.

Auf den ersten Kundgebungen des Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen fanden sich zunächst nur vereinzelt Neonazis ein. Die Protagonisten betonten gleichsam, aus der „Mitte der Gesellschaft“ zu kommen (MoG berichtete). Seit dem 27. Dezember hat sich dies grundlegend geändert. Die vermeintliche Abgrenzung nach rechtsaußen ist seitdem auch praktisch aufgehoben.

Nicht nur aus dem thüringischen Eichsfeld ließen sich NPD-AktivistInnen wie Matthias Fiedler, Rene S., Cornelia P. oder Kevin H. blicken, sondern auch frühere regionale Kader wie Marco Borrmann oder Neonazis aus dem Raum Northeim/Einbeck. Hier sind zum Beispiel Gianluca B., Pascal Z., die Brüder Maurice und Thorben samt ihren Vater Dietrich B. und Janeck B. zu nennen. Neben weiteren altbekannten Figuren wie Mario Messerschmidt, Christian A., Jürgen A. oder Fabian S. war am 10. Januar auch Stephan Pfingsten, nach jahrelanger öffentlicher Abwesenheit, auf der Kundgebung präsent. Dieser war vor allem Anfang der 2000er Jahre maßgeblich für die NPD-Strukturen in Göttingen und Umgebung verantwortlich. Er versuchte mit seinen NPD-Mitstreitern mehrmals, Kundgebungen in Göttingen durchzuführen, was durchweg misslang. Zudem wurden bei Razzien in seiner Wohnung Bombenbaumaterialien und entsprechende Anleitungen gefunden.

Die Liste anwesender Neonazis ließe sich beliebig fortsetzen. Wichtiger ist: Ihre hohe Präsenz zeigt, dass nun auf den Kundgebungen in Duderstadt auf einen angeblich bürgerlichen Charakter verzichtet wird. Zwar war dies bereits im Vorfeld durch die Beteiligung von Lars Steinke und Jan Philipp J. Makulatur. Letzterer ist wie Steinke auf der Wahlliste der Jungen Alternative bei den Hochschulwahlen in diesem Monat und Anmelder von Freundeskreis-Kundgebungen. Des Weiteren ist er als korporierter Schläger in Erscheinung getreten.

Endgültig deutlich wird der Verzicht auf ein bürgerliches Image in den Reden von Jens Wilke, welcher seit Beginn der Freundeskreis-Versammlungen als wöchentlicher Hauptredner fungiert. Er verkündete, sich „von niemanden zu distanzieren“, welcher politisch „die gleiche Schnittmenge“ mit den Zielen des Freundeskreises habe.

Solch eine Abkehr jeglicher Abgrenzung nach rechts resultiert auch aus der rassistischen Deutung der massiven sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht. Unfähig, andere Denkschritte als Abstraktionen zu tätigen, meinen Neonazis und bürgerliche RassistInnen als selbsternannte „Verkünder der Wahrheit“ gleichsam, die Bestätigung für ihre politische Positionen gefunden zu haben. Als „Verkünder“ bezeichnete sich wiederum Jens Wilke am letzten Sonntag und präsentierte sich als „Stimme des Volkes“, dessen Meinung der Freundeskreis gänzlich vertreten würde. Es wird deutlich: Derzeit mangelt es ihm und den restlichen KundgebungsteilnehmerInnen, auch angesichts einer feststellbaren Rechtsverschiebung des öffentlichen Diskurses rund um die sogenannte „Flüchtlingskrise“, nicht an Selbstbewusstsein.

Die öffentliche Positionierung des Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen im extrem rechten Lager zeigt sich ferner an der Teilnahme an der jüngsten HOGESA-Demonstration. Der Aufmarsch endete in gewalttätigen Ausschreitungen.

Die realen TeilnehmerInnenzahlen in Duderstadt können im Gegensatz dazu nicht Auslöser für die selbstbewusste Grundhaltung sein. Zwar stiegen sie in Duderstadt leicht, verbleiben aber weiter unter 100 TeilnehmerInnen und lassen sich wohl durch die verstärkte Anwesenheit der oben aufgezählten Neonazis erklären. Auch in Heiligenstadt, wo die regionalen sonntäglichen Proteste gegen die „Asylflut“ ihren Anfang nahmen, stagniert die Beteiligung.

Dennoch versucht der Freundeskreis um Jens Wilke und Dominique R. Hand in Hand mit seinen neonazistischen MitstreiterInnen, die politischen Aktivitäten auszuweiten. In Northeim sind, trotz der misslungenen Mobilisierungsversuche am Ende des letzten Jahres, für das ganze Jahr 2016 sonntags Kundgebungen angemeldet worden. Anmelder der ersten Kundgebungen ist Gianluca B., politisch sozialisiert in der AG Rhumetal. Er durfte sich auch als Redner vor einer eher kleinen Gruppe Neonazis und Assoziierter des Freundeskreises ausprobieren. Ferner wird es am 23. Januar um 16 Uhr eine Kundgebung des Freundeskreises in Lindau geben. Hier prüft das niedersächsische Innenministerium derzeit, ein Geflüchtetenlager für 1500 Personen im ehemaligen Max-Planck-Institut für Sonnensystemsforschung einzurichten.

Bildergalerie


Fotos: MR

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