Die Mad Minority Tourtagebücher – Teil I
von am 15. Mai 2008 veröffentlicht in Gespräche, Musik, Texte

Es gibt keine bessere Möglichkeit sich mit dem Wahnsinn zu konfrontieren, als auf Tour zu gehen. Man sitzt stundenlang in einem stinkenden Bus, danach sitzt man stundenlang in einem stinkenden Club, man sieht WC’s, die eher sanitäre Albträume sind, man ernährt sich zum großen Teil von Tankstellentheken, bekommt eine Erkältung gerne auch Herpes – und hat am Ende trotzdem eine ziemlich coole Zeit!
Schön wenn man Augenzeugenberichte zur Verfügung bekommt. Im März waren Mad Minority auf Tour, zusammen mit Bomb Legere und Kaput Krauts. Da Mad Minority ein Garant für gute Storys mit reichlich Bier sind, hielt ich es für eine gute Idee, mich bei der Band anzubiedern um die Tourtagebücher (klingt unheimlich cool) zu veröffentlichen! Begleiten wir also die Bands von Hanau nach Hamburg. Das Ganze in 4 Teilen, ich nenne das mal in Anlehnung an mein großes Vorbild McDonalds stolz: Die Mad Minority-Wochen!
Im ersten Teil werden wir Zeuge einer Zugfahrt, erleben einen Hühnerzirkus und werden Zeuge, wie erneut ein Busmotor unter Mad Minority für tot erklärt wird. Der Soundtrack dazu sollte klar sein: „Scratch, Bite, Hit“, damit Punk mal wieder auf die Fresse haut. Herzlichst Euer Onkel John!

Übergeben wir Mad B das Wort!

Teil 1
Die Bands: Bomb Legere, mad minority und Kaput Krauts.
Das Personal: Lenin und Toffke (Captain Hardcore), Fahrer, Djs und Go-Go-Dancer

Freitag, 14.03.2008
Hamburg Hauptbahnhof – 20:38, Gleis 13 a. Es fährt ein der Metronom Express 80963 nach Uelzen über Hamburg-Harburg, Winsen, Lüneburg und Bad Bevensen – nee vorher kommt noch Bienenbüttel. Das vergess ich immer. Mit diesem Zug fahre ich normalerweise zur Arbeit, nur dass es dann 13 Stunden früher ist. An diesem Abend war das Endziel außerdem Göttingen, die Stadt meiner Jugend. Das legendäre Studentennest mit dem legendären Jugendzentrum Innenstadt (JuZI). Ich hatte noch € 5,68 und ein Bahnticket in der Tasche, das Konto war eh schon leer. Da trifft es sich gut, wenn man so cool ist wie ich und mit 30 immer noch eine Band hat, die auf Tour gehen kann, denn auf Tour ist alles egal und das nötigste immer umsonst. Unterwegs wurden meine Ohren von der Haltestellenansage mit Begriffen wie „Elze“ oder „Unterlüß“ beleidigt. Ich hoffte, dass die Leute die da wohnen, einfach da bleiben – in Elze und Unterlüß, oder auch in Bienenbüttel – und dass diese Orte mit diesen hässlichen Namen einfach nur Stationen auf der Bahnstrecke bleiben und gut is. An diesem Tiefpunkt der inneren geistigen Auseinandersetzung mit der Außenwelt freute ich mich um so mehr auf die kommenden Tage, denn alles würde besser und um Längen unterhaltsamer sein als das Leben der Mitfahrenden, die auf diesen Stationen ausstiegen.
Ursprünglich war geplant, schon an diesem Tag loszulegen. Und die Planung hatte ja auch schon letzten November begonnen. Aber trotzdem war im Norden nichts zu holen gewesen. Großes Pech für Norddeutschland. Tja, ich verrate hier schon mal das Ende gleich am Anfang: Es war der Knaller! Könnt jetzt aufhören mit Lesen, es kommen nur noch zwei bis drei Tiefpunkte, ein paar Pannen, schräge Typen und dann… am Ende wird für die wirklich coolen Leute der Story alles gut ausgehen, wie im Kino, nur viel geiler.
Jack, der Chauffeur vorne im Triebwagen, kannte die Route und wusste verdammt noch mal genau, wo ich hinwollte. Noch 48 Stunden, dann würde es abgehen für ´ne Mark. Was für Leute da wohl dieses mal auftauchen würden? Auf jeden Fall würden die zehn Tage voll sein mit Leuten, die meistens völlig ohne Geld arbeiten und ihre Jugend an etwas verschwenden, wovon die meisten später unverständlicherweise als sogenannte „Erwachsene“ nicht mehr viel zu erzählen haben werden. Irgendwann werden sie merken, dass keine Zeit mehr da ist und dass so viele Dinge wichtiger sind, oder dass „es (der Aufwand) sich einfach nicht lohnt“. Wie beruhigend es doch ist, dass wir, die wir jetzt jenseits der 30 Jahre zum alten Eisen gehören, herausgefunden haben, wie dieses abgefahrene Ding aus Alltag, Arbeit, kaputtem Scheiß, heftiger Musik, schrägen Vögeln, Zeit-, Schlaf- und Geldmangel so laufen kann, dass wir uns immer noch damit wehren können gegen Alltag, Arbeit und kaputten Scheiß. Vieles stimmt nicht und vieles ist „nur“ Show, einiges enttäuscht bestimmt bei näherem Hinsehen. Wie auch immer, – als Jack den Zug an Northeim vorbeilenkte, erinnerte ich mich an eine gewisse Hardcoreplatte, bei der im Booklet ein Tourtagebuch abgedruckt war. Darauf stand sinngemäß „Northeim – haben das Fenster runtergekurbelt und eine antifaschistische Parole gerufen.“ …mehr Zeilen wird Northeim auch von mir niemals kriegen!
In Göttingen angekommen wünschte ich Jack einen schönen Feierabend. Er fuhr mit dem Taxi zu Efendi (einziger noch uneingeschränkt empfehlenswerter Dönerladen in Göttingen, seitdem Dogan iin der Nikolaistraße schon wieder aufgeben musste). Er bestellte sich einen Dönerteller mit Kalbfleisch, Pommes und viel Zwiebeln, um dann noch mit ein paar Kumpels um die Häuser zu ziehen. Ich zog es vor, zu relaxen; es war eine anstrengende Woche gewesen, weit unspannender als Unterlüß und ich brauchte dringend 2 Tage Schlaf und wollte keinen mehr sehen. Irgendwie fand ich mich am nächsten Abend dann doch mit Mesut im JuZI wieder. Hab das Konzert da allerdings verpasst, denn nicht mal eine überaus nette Unterhaltung mit der bezaubernden Julia und einigen anderen hier und da konnte meine Laune retten, und so ging ich vor der Band (übrigens the Now Denial, übrigens ziemlich cool) schon ins Bett.
Über den nächsten Tag, Samstag den 15.04.2008, war auf der Homepage des Göttinger Online-Mags www.monsters.blogsport.de folgendes zu lesen:

Wer am Samstag (im Original stand hier „Sonntag“; aber es war Samstag… tjaja) Morgen einen Spaziergang durch die Stadt machte und am Juzi vorbei kam, durfte Zeuge von Rock’n’Roll werden. Dort traf sich zu vorgerückter Nachmittagsstunde eine Gruppe von rund 16 jungen Menschen. Versammelt um zwei Kleintransporter, die diesen Titel tatsächlich verdienen – also keine “Vans” wie man heute so schön sagt, zweifelte man bereits beim Anblick der Gefährte ob der fröhliche Trupp sein Ziel wohl erreichen mag. Versammelt waren hier Mad Minority, Bomb Legere und Kaput Krauts um sich auf eine umfassende Tour zu begeben. Und wenn alles glatt geht, sind alle 16 am Donnerstag schon wieder auf dem Juzi-Parkplatz. Dann allerdings um auszuladen, denn Göttinger Ohren wollen auch bespielt werden.
Mad Minority also. Mad Minority werden grundsätzlich so angekündigt: “das Göttinger Punk-Urgestein”. Das ist als ob Motor-Journalisten über Alfa Romeo schreiben. Da ist sofort von Tradition die Rede, aber kaum von Qualität. Kaum das eine Band mehr als 5 Jahre in Göttingen die Instrumente in die Höhe halten kann wird sie hier zum Urgestein. So einfach ist das. Immerhin, die wohl einzige Göttinger Band, die es geschafft hat eine Doppel-LP aufzunehmen. Ehrlich gesagt, mich interessieren diese Label kaum, bei Mad Minority kann man sich kurz fassen: coolste Säue. Das muss mal reichen. Und eine Frage muss gestellt werden: Wann ist denn nun endlich diese neue Platte da?!
Bomb Legere und Kaput Krauts sind ebenfalls Punk-Bands und kommen aus Berlin und so. Hauptstadt des Hundekot. Glaubt man dem Visions dümpeln Kaput Krauts im Fahrwasser der frühen Muff Potter, also als diese noch Musik machten und keine Resterampe-Disco-Gülle. Und bei Bomb Legere wird auf “Turbostaat für Assos” verwiesen. Na dann…
Am Donnerstag im JUZI!

Samstag, 14.03.3008
Ich öffnete die Augen und war schlagartig gut drauf. Mit den „Transportern“ ging es zuerst nach Hanau in Hessen. Das ist so eine Art Vorposten von Frankfurt am Main. Es gibt auch eine immer noch relativ große US- Militärbasis dort, die irgendwie cool aussieht. Tja, neben dieser Militärbasis ist das einzig wirklich erwähnenswerte Objekt in dieser Kleinstadt das JUZ Metzgerstraße. Das gibt es schon seit 100 Jahren und für viele Existenzen wurden dort über die Jahre entscheidende Weichen gestellt, so bestimmt auch an diesem Abend. Dass Punk, wenn man das als Jugendkultur begreift, sehr aggressiv ist, ist klar. Dass junge Männer um die 17 sehr aggressiv sein können, ist auch klar. Dass beides zusammen… naja, is klar! Am Anfang haben wir uns noch gefreut und einen Typen, der immer auf den Tisch gehauen und „Ey, loslegen hier“ geschriehen hat, zurück angestachelt. Als dann Bomb Legere anfingen, ging das ganze los mit „Pogo“, was sich aber als ziemlicher Hühnerzirkus entpuppte. Denn es wurden anscheinend persönliche Machtprobleme vor der Bühne ausgetragen. So wirklich weiß ich das aber nicht, denn ich hab das Konzert nur vom Kneipenraum aus mitbekommen; bin schließlich jetzt Rentner. Das sah so aus, dass immer wieder verdammt gestresst aussehende Jugendliche rein- und raus- und hin- und hergelaufen sind, ein bisschen wie auf dem Schulhof, wenn drei Gangs gleichzeitig untereinander Krieg haben. Keine Ahnung, worüber diskutiert wurde und keine Ahnung, wieso immer wieder vor der Tür irgendwelche Gangsterkids auch noch was dazu zu sagen hatten. Jedenfalls war die ganze Nummer nach dem Kaput Krauts – Auftritt so ca. um 0 Uhr auch vorbei, weil das auch für so junge Leute viel zu stressig war und es gab dann einen vielleicht noch ganz okayen mad minority-Auftritt.
Da der Großteil des Publikums schon längst im Bubuland weilte, als wir die ersten richtigen Feierabenddrinks servierten, war zum ersten mal Zeit für den Disco-Laptop und Disco-Toffke a.k.a Captain Hardcore. Aber das war noch gar nix im Vergleich zum nächsten Abend.

Sonntag, 15.03.2008
Der nächste Abend begann für die Besatzung des Langweilerbusses ein paar Stunden später als für die Leute im Partymobil. Der Langweilerbus war bis dahin der 120 Jahre alte Ford Transit von Lenin, einem auch schon über 30 Jahre alten Punkrocker aus Polen (nicht der Politiker aus Russland). Im Langweilerbus war Rauchverbot, niemals laute Musik, davon aber immer nur Crust oder Schlager und Pinkelpausen gab es höchstens ein mal am Tag, wobei ein strenges Zeitlimit von 10 Minuten eingehalten werden musste. Das hat seinen Grund darin, dass der Fahrer (Lenin) das so wollte. Dafür hat er uns jeden Tag gefahren, dabei immer alle angetrieben, damit nicht zuviel Zeit verschwendet wird und sich niemals über irgendwas beschwert. Vor jeder Fahrt gab es eine sehr bestimmte Durchsage, dass sämtliche illegalen Drogen nicht mitgenommen werden dürfen. Ich wette, dass auf keiner kirchlichen Jugendgruppenfahrt mehr Disziplin herrscht als im Langweilerbus! Das war für mich genau das richtige, denn ich schlafe auf langen Fahrten sehr gerne und viel.
Im Partybus wurde die ganze Zeit Kette geraucht, immerhin wurde aber ab und zu ein Fenster geöffnet, wenn die Sicht zu schlecht wurde. Es gab coole Musik, meistens ordentlich laut, und es wurden ausgiebig Pausen bei Imbissen, an Tankstellen und Parkplätzen eingelegt. Der Partybus ist fast immer gleichzeitig mit dem Langweilerfahrzeug angekommen, manchmal auch früher, denn er hatte einen Benzinmotor und Captain Hardcore am Steuer, der sowieso niemals illegale Drogen zu sich zu nehmen braucht, denn er ist schließlich der Captain.
Ungefähr kurz vor Mannheim kamen dicke Rauchschwaden aus dem Motor vom Langweilerbus. Ich hatte mich eigentlich auf ein paar Stunden erholsamen Schlaf eingestellt und musste jetzt mit den anderen Langweilern den Nachmittag auf der Autobahn verbringen. Wir konnten gerade noch so auf einen Parkplatz rollen, dann war Schluss. Über uns kreisten die Geier und der Präriewind vom Neckartal pfiff das Lied vom Tod.
Der ADAC- Mann kam nach einiger Zeit und sagte nur Sätze wie „das verwirrt mich jetzt“ oder „sieht nicht gut aus, ihr habt wohl ein Problem“. Um ca. 15:30 erklärte er den Motor für tot. Eigentlich wär das keine echte Überraschung gewesen, hätten wir vorher gewusst, dass der gute alte Ford schon über 200.000 km gelaufen war… Ich hatte eigentlich schon früher mit so etwas gerechnet. So standen wir jetzt eine halbe Stunde, bevor wir in Hanau sein sollten, denn da war für diesen Sonntag ein Nachmittagskonzert geplant, auf der Autobahn und nichts ging mehr. Jetzt ging das nervöse Telefonieren und SMS-Schreiben los. Als so gut wie alle Kontakte mit Ersatzfahrzeugen abgegrast waren, sah es so aus, als ob die Tour am zweiten Tag schon beendet war. Die letzte Hoffnung lag beim heiligen ADAC. Der schleppte erst mal die Karre nach Mannheim, wir mussten mit einem Taxi hinterherfahren. Keine Ahnung, ob wir die 45 Euro dafür irgendwie wiedergekriegt haben. Jedenfalls diskutierte Lenin schon sehr angeregt mit dem zuständigen Mitarbeiter, der auch aus Polen kam…

Das war Teil 1 unserer atemberaubenden Musikfreizeit. Nächste Woche erfahrt ihr, wie die Verhandlungen beim ADAC Runde um Runde brenzliger wurden, warum Mannheim scheiße ist, wie der Captain seine erste wirklich große Heldentat vollbracht hat und viele unglaubliche Schoten am laufenden Band!

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Ein Kommentar auf "Die Mad Minority Tourtagebücher – Teil I"

  1. piszed-ole sagt:

    wie nur teil 1? alder sie zu sonst gibt es teil drei erst bei der wiederauflage der heißen scheiße im näxten jahr!“
    der captain und ich sind gespannt! oi kollegen!

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