Mal gucken, was der Apparat noch so kann
von am 7. November 2007 veröffentlicht in Musik, Platten, Texte

Apparat liefert mit „Walls“ ein dermaßen vielseitiges Album, dass jegliche Beschreibungen fehlen müssen. Was da ziemlich metropolenmäßig aus den Boxen schallt, hat mal ziemlich provinziell seinen Anfang genommen, nämlich in einer Kleinstadt im Harz, wo Sascha Ring aka Apparat am 27. Juni 1978 auf die Welt geworfen wurde. Hier beginnt er bereits erste Lieder zu basteln. 1997 tritt er die Flucht nach vorne an und macht sich auf nach, wie soll es auch anders sein, Berlin.
Ab 1999 finden immer mehr von Apparats Elektronik-Tracks den Weg in die Plattenläden. 2001 erscheint Rings Debüt „Multifunktionsebene“ auf dem Berliner Label Shitkatapult. In den folgenden Jahren kommen Veröffentlichungen auf Ellen Alliens Label.

Im Sommer 2003 legt Apparat „Duplex“, seinen inzwischen zweiten Longplayer auf Shitkatapult, vor, welcher bereits eine größere Zuhörerschaft gewinnen konnte. Neben seinem musikalischen Output profiliert sich Apparat auch als Visual-Künstler an der Seite von Phon.O, mit dem zusammen er das audio-visuelle Projekt Tracnet realisiert.
Ring erspielt sich mit seiner elektronischen Musik im Laufe der Jahre einen immer größeren und exquisten Fan-Kreis, so dass er 2004 von John Peel zu einer seiner legendären Sessions eingeladen wird. Ausserdem arbeitet er mit der italienischen Rocksängerin Gianna Nannini von Zeit zu Zeit an einer Rock-Oper, deren Veröffentlichungstermin allerdings in den Sternen steht.
Bis es soweit ist, vertreibt er sich seine Zeit mit der Kollegin Ellen Allien. Das gemeinsame Album „Orchestra Of Bubbles“ erscheint im April 2006.
Vier Jahre nach seinem letzten Solo-Album folgt im Mai 2007 endlich ein weiteres Werk. „Walls“ schusterte Ring aus den besten Ideen von siebzig unvollendeten Tracks zusammen, was man merkt. Als Gäste holt er sich u.a. Raz Ohara und Josh Eustis von Telefon Tel Aviv ins Boot. Das neue Album hat es in sich, es lässt sich in keine Schublade stecken und steckt so voller Ideen. Apparat weitet sein elektronisches Geschäft mal hierhin aus, mal dorthin. Oft assoziiert man andere Lieder, andere Künstler. Hailin From The Edge und Over And Over protzen mit dickem Funk, die Stimme des Gastsängers Raz Ohara klingt ein wenig nach Justin Timberlake oder Prince. Holdon neigt zum HipHop. Headup ist euphorisch melodiös, eine singende Gitarre und das Schlagzeug erinnert an Coldplay. Bei Arcadia grüßen Radiohead mit Dancebeat, Sascha Ring singt diesmal selbst, mit hoher Stimme. Die Melodien steigen aus dem Keller empor, Klänge öffnen sich. Das elektronische Schlagzeug hält die Platte zusammen. Die Bässe sind tief und dumpf, in den Höhen klackt es immer nur. Es wird ein wenig gefrickelt. Immer wieder sorgen Streicher für Dramaturgie, die gesungenen Melodien sind getragen.
Fractales I u. II ist der perfekte Soundtrack fürs Leben, wenns mal scheiße läuft, traurig schön, mein persönlicher Lieblingshit der Platte.
Walls klingt schlüssig, wenn man es als Dokumentation einer Richtungssuche versteht. Es scheint als wollte Sascha Ring sehen, was der Apparat noch so kann. Er wirkt nicht desorientiert, mutig probiert er sich aus.

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