Beatsteaks in der Lokhalle

Perfektionierter Stadionrock
von am 6. Dezember 2011 veröffentlicht in Musik

Die Schlange vor der Lokhalle ist fast 100 Meter lang. Bereits eine Stunde, bevor die Türen geöffnet werden, warten hunderte Beatsteaks-Fans im Nieselregen. Die Beatsteaks spielen hier erstmals als Hauptact in der mit 5500 Tickets ausverkauften Halle. Bislang hatte ihr Weg sie hier lediglich als Vorband der Ärzte und der Toten Hosen hingeführt. Das war 2002. Neun Jahre später kommen die Massen nur für die Berliner Rockband, die früher mal Punkband war.

Als ich das letzte Mal mit Beatsteaks-Sänger Arnim sprach, hatte die Band gerade ihren ersten Major-Vertrag unterschrieben. Damals ging alles Los: fette PR, Charterfolge, größere Konzerthallen, teurere Eintrittspreise. Das war das Anfang vom Ende der Zeit, in der die Beatsteaks in der deutschen Musiklandschaft ein Nischendasein fristeten. Den Erfolg, den sie hätten, würden sie mit ihren Fans teilen, sagte Sänger Arnim damals: „Wir kosten ja jetzt nicht plötzlich 25 Euro an der Abendkasse.“ Heute, sieben Jahre später, sind es 30 Euro. Für die Beatsteaks wäre das 2004 teuer gewesen, für ein Lokhallen-Konzert ist es verhältnismäßig günstig.

Gab es ihn, den Punkt, an dem die Beatsteaks ihren Erfolg nicht mehr mit ihren Fans teilen wollten, wo ihnen die Eintrittspreise egal wurden? Gitarrist Peter weist das im Interview vor der Show weit von sich. „Wir sind immernoch vergleichsweise die Billigsten und das wird auch immer so sein“, verspricht er. Aber die Musik ist heute eben auch Beruf – und davon müsse man leben können. „Konzerte und T-Shirtverkäufe sind unsere Haupteinnahmequelle“, sagt Peter, „Platten verkauft man heute nicht mehr so viel.“ Dabei hält die Band die Zügel fest im Griff, lässt sich keine Vorgaben von oben machen. „Wir unterhalten uns immernoch im Proberaum, was die Karten kosten sollen“, berlinert der Gitarrist. Ihm ist es wichtig, dass die Preise „in einer vernünftigen Relation zu dem stehen, was man kriegt.“


Auf dem Teppich geblieben: Peter Baumann

Wir sitzen in einem kargen Raum in den Katakomben der Lokhalle. Die Einrichtung: ein Tisch, zwei Stühle. Peter spielt die ganze Zeit mit einer Zigarette in seiner rechten Hand, zündet sie aber erst nach dem Interview an. Wenn jemand „auf dem Boden geblieben“ ist, dann wohl der Gitarrist, der schon vor Hunderttausenden auf der Bühne stand und dem man wirklich jedes Wort glaubt, wenn er von der Beatsteaks-Familie erzählt. Noch immer hat die Band das selbe Management wie ganz am Anfang, man ist zusammen gewachsen. „Wir haben nie ein Konzept gehabt“, sagt Peter. „Wir arbeiten uns immer Jahr für Jahr, Monat für Monat, Schritt für Schritt voran.“

Was dabei musikalisch mit der Zeit heraus gekommen ist, finde ich furchtbar. Anschlußfähiges Radiogeplärre von der Stange. „Ich kann mir eure neuen Sachen nicht mehr anhören“, sage ich, gespannt auf Peters Reaktion. „Man kann nicht alle glücklich machen“, antwortet der ohne jeden grimmigen Unterton. „Deswegen müssen wir es uns selber recht machen.“ Keine Lust hätten die Beatsteaks auf Wiederholungen, das war’s dann aber mit Konzept. „Wir lassen uns da wirklich treiben und versuchen an Sachen zu arbeiten, die für uns Neuland sind.“ Zu technisch darf es dabei aber auch nicht werden, sagt Peter mit Anspielung auf den Song Automatic, denn schließlich stehe er auf Gitarren. Eine Rock-Band solle eben eine Rock-Band sein: „Das sind wir glücklicher Weise auf den Konzerten auch immer noch.“ Dass die Beatsteaks 2011 radiotauglicher sind als am Anfang, weiß auch ihr Gitarrist. „Aber da steckt kein Kalkül dahinter. Dafür, dass es unser Beruf ist, gehen wir eigentlich viel zu naiv an die Sache ran“, meint Peter: „Das sollten wir uns unbedingt bewahren.“ Alle übermäßig radiotauglichen Songs seien „Ausflüge“, versichert der Beatsteaks-Gitarrist. „Rockmusik ist was Aufregendes, Echtes, ein Kontrapunkt zu dem, was sonst im Radio ist.“

Für das Konzert verspricht Peter das beste von allen Beatsteaks-Alben: „Wir spielen immer von jedem Album ein paar Songs.“ Am Ende war dann vieles erwartungsgemäß weichgespülte Popscheiße. „Alte Songs“ gab es erst vom dritten Album Living Targets (2002), vergessen schienen 48/49 (1997) und Launched (1999). Sie hätten hier aber auch nicht recht hineingepasst in die proppevolle Lokhalle, in der an diesem Abend viel zu oft die Feuerzeuge in die Höhe gestreckt wurden. Trotzdem hat das Konzert seine Momente, zum Beispiel wenn die Beatsteaks gekonnt In Bloom von Nirvana covern oder sie mit Let Me In zeigen, dass sie auch mal derbe rocken konnten.

Die Beatsteaks machen ihre Sache routiniert wie schon früher. Frontmann Arnim gibt den Zirkuskaper, den sympathischen Rockstar. Die Mühe, die obligatorischen Lobeshymnen auf „das beste Publikum der ganzen Tour“ ironisch zu brechen, macht er sich gar nicht mehr. Den Fans gefällt’s, sie finden es gut, das angeblich beste Publikum zu sein. Die Beatsteaks 2011, das ist perfektionierter Stadionrock, der funktioniert. Ja, die Band hat noch Feuer, kann eine energiegeladene Liveshow aufs Parkett legen, die auch bei Fans der frühen Stunde hier und da noch zündet. Das konnten die Beatsteaks schon immer. Was sie neu dazu gelernt haben, sind peinliche Showeinlagen. Und am Ende haben sie nichtmal Summer gespielt.

Bildergalerie

Die Beatsteaks vor ein paar hundert Leuten mit dem Repertoire aus 2004, so wird es sie nicht mehr geben. „Wir wollen das machen, was wir noch nicht gemacht haben“, sagt Peter. Das muss allerdings nicht heißen, dass die Berliner auf Dauer die großen Hallen füllen, weiß auch er. „Geschafft ist hier gar nix“, sagt der Gitarrist. „Wir können nicht davon ausgehen, dass wir immer solche Hallen spielen wie hier. Und darum geht es auch gar nicht.“ Für die Beatsteaks ist der Weg das Ziel: „Das ist ein Weg, der irgendwo hin geht. Und wie das Leben geht der mal bergauf – und mal bergrunter.“

Wann die Beatsteaks ganz unten und damit vielleicht angekommen sein könnten, wagt ihr Gitarrist nicht zu prognostizieren. „Wir wollen nicht irgend ein Programm abspulen“, sagt er: „Da muss immer etwas mitschwingen, was aufregend ist. Sonst ist das ein abgekartetes Spiel.“ Natürlich sind die Shows teilweise bis ins Detail geplant, teilweise nervt das Peter auch. Umso wichtiger ist ihm die Spontanität auf der Bühne. „Das kann man sich nur eine gewisse Zeit erhalten, dann kippt das in eine uncoole Routine.“ Eine ganze Menge davon haben die Beatsteaks jedenfalls heute schon angesammelt.

Artikel teilen


Themen



Schreibe einen Kommentar

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar zu schreiben. Anmelden | Registrieren

Bitte lese dazu unsere Regeln und Hinweise zum Kommentieren.