Die Mad Minority Tourtagebücher – Teil II
von am 23. Mai 2008 veröffentlicht in Gespräche, Musik, Texte

Was bisher geschah: Mad B, Bassist der Göttinger Karnevalskapelle Mad Minority hat eine ereignisreiche Zugfahrt hinter sich. Die Bands versammeln sich, und werden dabei von einem MoG-Autor beobachtet. Busse werden beladen und bestiegen, einer der Busse wird ein kurzes Tourleben haben. Die Bands erleben einen Hühnerzirkus und die Bestattung des einen Vans muss mit dem ADAC ausgehandelt werden. Verfolgen wir weiter, was der munteren Reisegruppe in Teil II alles geschieht…Euer Onkel John.

Übergeben wir Mad B das Wort:

Teil II:

Lenin und der Christian (Schlagzeuger bei Kaput Krauts) waren ja schon mit dem ADAC –Mann zur Zentrale in einem Industriegebiet in Mannheim vorgefahren. Als der Rest der Langweilerbesatzung ankam und wir durch die Eingangstür schritten, hörten wir Lenin mit einem sehr bestimmten Tonfall mit einem anderen ADAC_Typ diskutieren. Obwohl dieser nette Herr anscheinend das nach Lenins Einschätzung typisch polnische „Verhandeln – und – doch – noch – eine – Möglichkeit – Finden“ kennen musste, handelte er eher typisch deutsch streng nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen: nix Ersatzwagen für einen Ford-Transit 9Sitzer mit 200.000 km Laufleistung und etlichen bereits gemeldeten Pannen in jüngerer Vergangenheit. Naja, auch nicht wirklich überraschend das ganze, aber auch nicht gerade angenehm. Ratlos hingen wir in der einzigen Kneipe in diesem Industriegebiet in Mannheim rum, tranken unseren Biker-Kaffee, aßen Biker-Pommes und machten und über die ganzen „Biker“ da lustig, nur nicht zu laut. Wer eine „Bikerkneipe“ neben einem Hondaladen aufmacht, kann auch …ihr wisst schon. Und schon war Mannheim die beschissenste Stadt der Welt.
Zum Glück hatte das Schicksal bestimmt, dass Capatain Hardcore den Tag retten sollte. Er schnappte sich in Rastatt den Van von der anderen Band – Deny Everything – (und das war mal ein echter „Van“!) und holte die Langweiler-Besetzung ab, so dass wir gerade in Rastatt ankamen, als mad minority ohne mich mit zig Stunden Verspätung das Konzert schon mal weitergemacht hatten. Ich hatte eine eher „nette“ und -typisch Sonntag im Jugendzentrum- eher „introvertierte“ Dorfjugend erwartet, dachte es sind eh schon alle nach Haus gegangen, Tatort gucken und Pizza bestellen (deswegen mag ich Sonntage nicht – ich bin kein Tatortfan und Bringdienst kann ich mir meistens nicht leisten).
Aber neien – echt, neien! In Rastatt war für einen Sonntag richtig was los. Die Leute haben sich wirklich für die Bands interessiert, hauptsächlich für Kaput Krauts glaub ich, aber den Rest lüg ich mir jetzt mal schön! Ich fands jedenfalls auch voll cool, mit gutem Sound und Action überall. Captain Hardcore hat danach noch auf ganzer Linie gepunktet. Nach einer Einheizshow nach der ersten Show, bei der sich einige Herren in seeeehr gewagter Kostümierung auf der Bühne zu den größten Ravehits der letzten Jahre präsentierten, wurde aus dem Sonntag ein Holiday-Funclub! Ich allerdings mitten in Tanz sehr schnell weggucken, denn einer der Dorfjugendlichen war auf einmal auf der Bühne und ließ sämtliche Hosen fallen. Das ist zwar noch irgendwie entfernt verständlich, denn Erotik war bei der ganzen Angelegenheit schon von Anfang an im Spiel, aber so war das definitiv nicht gemeint und erotisch sah das ganze auch überhaupt nicht mehr aus. Am nächsten Tag meinte noch jemand, dass der Junge sich wohl öfters und sehr gerne komplett nackt auf die Bühne stellt. Ich denke, er sollte mal drüber nachdenken. Da mich die erste Nacht ziemlich fertig gemacht hatte und ich ja wegen der Panne nicht zum pennen gekommen war, legte ich mich relativ früh in einen der Schlafräume. Ich wurde in dieser Nacht zwei mal geweckt. Das erste mal wachte ich auf, als ein Erdbeben das Haus erfasste – aber nein, das war gar kein Erdbeben, das war der Beat! Und der Beat ging weiter und setzte sich fort, obwohl die anscheinend irgendwann genervten Veranstalter längst den Strom abgedreht hatten. Übrigens ist das alles nicht gelogen, auch nicht nur schöngelogen. Ungefähr 20 Minuten stampften, hämmerten und hüpften die Dorfjugendlichen und die coolen Punkrocker von der Tour in und auf allem möglichen herum, der Tanz ging einfach weiter. So ungefähr beschrieb mir Georgi die Party, als er in den Schlafraum kam. Ich freute mich und schlief mit einem leichten Lächeln weiter. Dieses Lächeln hatte ich beim nächsten mal Aufwachen längst verloren und jetzt war ich echt sauer. Wir pennten mit ca 15 Leuten in einem Raum, ausgelegt mit Gymnastikmatten. Ich lag am Rand vor der Fensterfront. Ich wurde geweckt durch ein Würggeräusch, dann kam ein kurzes, aber irgendwie heftiges Plätschern. Dann stank es nach Kotze. Ich schreckte hoch und erkannte im Dunkel einen Jugendlichen Partygast. Er erkannte mich wohl auch, jedenfalls hab ich ihm eine Standpauke gehalten, dass es ja wohl eine Frechheit sei, hier ausgerechnet in der Mitte loszukotzen und ob ihm denn seine Mama nicht beigebracht hätte, dass so was nicht geht. Ich stellte fest, dass er mich oder meinen Schlafsack nicht getroffen hatte und die Person, die etwas abbekommen hatte, schlief noch tief und fest. Also sagte ich ihm, dass er gefälligst was zum Putzen holen sollte, schlief dann aber gleich wieder ein. Als ich dann morgens aufwachte, war er verschwunden, seine Hinterlassenschaft nicht wirklich, nur notdürftig das gröbste weggewischt. An dieser Stelle muss ich mal kurz darauf eingehen, dass es wirklich unglaublich ist, unter welchen Umständen Bandleute so von ihren Veranstaltern untergebracht werden und wie egal es den meisten zu sein scheint, dass Bands hunderte von Kilometern zurücklegen, nur um in ihrem Kackdorf aufzutreten. Das geht jetzt gar nicht in Richtung Rastatt, denn da war alles super und dass einer mal brechen muss, kann passieren. Nur sollte auch dieser begriffen haben, dass danach ordentlich geputzt werden muss, und ganz besonders gründlich, wenn es den Matratzennachbarn getroffen hat. Naja, Kinderkacke passiert immer und überall; und die vermeintlich größten (Punk-)Helden sind meistens auch die größten Babys. Das wissen wir schon lange, es sollten auch noch mehr erfahren…

Montag, 17.03.2008
Der anschließende Vormittag wurde dann teilweise mit Joggen, überwiegen mit Pizza bestellen und auch mit Nichtrauchen verbracht. Rob und Georgi haben auf der Tour aufgehört – zwei Schlagzeuger, ein guter Gedanke. Mit denen war ich auch joggen, denn mit Rauchen aufhören unterstütze ich gerne. Rauchen ist eine ziemliche Verarschung: Es macht kaputt, ist teuer und ballert überhaupt nicht. Ich glaub, Georgi hat dann doch wieder zum Tabak gegriffen. Ich weiß aber, dass er jetzt wohl wirklich nach fast 20 Jahren ganz aufgehört hat. Und Rob hat wohl auch durchgehalten, jedenfalls hat er sich gerade die Tour ausgesucht, um aufzuhören. Ich fand das einigermaßen beeindruckend, denn gerade auf Tour ist ja eigentlich alles egal. Tja, was soll´s. Irgendwann zwischen dem Sonntag und dem Montag hatten wir doch noch Mike aus Hanau erreicht, der uns einen Sprinter-first-class-VAN mit DVD-Player und Standheizung zu einem wirklich fairen Preis pro Tag vermietete. Also verbrachten ich, Captain Hardcore, der Stefan und …(wer war denn bloß noch mit?) den Nachmittag auf der Autobahn, indem wir von Rastatt nach Hanau und dann wieder nach Rastatt den VAN abholen fuhren.
Es ist sicherlich fragwürdig, ob es schlau ist, als Vanvermieter seine Firma „LSD-Tours“ zu nennen und das als Aufkleber auf die Außenseite zu pinnen. L.S.D. war in dem Fall die Abkürzung für „Link Shows Directly“ aber das dürfte Grenzbeamten und Cops an Autobahnen relativ wenig interessieren. Naja, es sollte kein Hinderniss sein und an dieser Stelle soll noch mal ein fettes Dankeschön auch als Entschuldigung für das Hin und Her vor der Tour und die Vermietung sowieso stehen: DAAANKESCHÖÖN!
Freiburg war dann eher gemütlich. Heiko, der uns seit Jahren sehr cool unterstützt, kam kurz in der KTS vorbei, hatte aber leider keine Zeit, länger dazubleiben. Es gab Internet für alle,
Duschen, und wir haben uns mit ein paar ziemlich cleveren Kids unterhalten, die sich unter „falscher Identität“ in Nazinetzwerke eingeschleust hatten und so mit falschen Terminen und Veranstaltungen für ordentlich Stress innerhalb der Naziszene gesorgt haben. Die Auftritte fand ich mal endlich mal richtig gut, allerdings war nicht so viel los. Ein bisschen süß waren drei Fans, um die 16 Jahre alt, die sich unbedingt „6 Drumsticks“ weiter vorne auf die Setlist gewünscht haben, weil sie den Bus nach Hause kriegen mussten. Selbstverständlich haben wir das gemacht, schließlich sind wir selber auch auf Dörfern groß geworden, auf denen damals nach 18:00 schon keine Busse mehr gefahren sind. Jedes Wochenende mussten wir damals an den Suchscheinwerfern der DDR-Grenze, die ja direkt an unsem Dorf verlief, 25 km zu Fuß durchs Gebüsch kriechen, um ein mal eine Disco von innen zu sehen!

Dienstag, 18.03.2008
Obwohl L.S.D. auf dem Bus stand, wurden wir an der Grenze zur Schweiz nicht angehalten. Vielleicht hatten die Grenzbeamten auch gemerkt, dass das ab jetzt der Langweilerbus war und das Kilo Koks, was wir stets als finanziellen Rückhalt mit uns zu führen pflegten, von der Jogginggruppe über konspirative Wege über die Alpen geschmuggelt wurde. Vielleicht hatten sie auch das Schild hinten am Wagen gelesen, worauf Lenin als „King of the Van“ oder so betitelt war – ach nee, das hatte er ja vorher abgenommen. In Zürich waren wir so früh, dass noch viel Zeit war, um sich die Stadt anzugucken. Die meisten fanden es langweilig, glaub ich. Mir hat es ziemlich gut gefallen, ich steh auf alte Häuser, enge Gassen und Städte an großen Seen sowieso. Mir ist auch egal, ob in Zürich „was los“ ist, denn selbstverständlich ist es das nicht, wenn man sich nicht schon auskennt. Hätten wir etwas früher etwas mehr mit den Leuten aus dem Haus geredet, hätte uns ein sehr netter junger Mann eine Stadtführung gegeben. Aber das hab ich erst in der Nacht erfahren. So waren wir immerhin ca 2 – 3 Stunden unterwegs und haben den Anleger vom Chäsfondue-Boot gefunden. Das Haus, in dem das Konzert stattfand, war nach der Straße und der Hausnummer benannt -„Reil 78“ -und es ist seit ca. 3 Jahren besetzt. Es steht direkt an einem S-Bahnparkplatz, also da wo die Straßenbahnen abgestellt werden, wenn sie nicht fahren, in der City von Zürich. Unten sind alle Wände schwarz, es gibt eine einigermaßen schicke Theke, eine Bühne und eine Sofaecke. Jaja, wer hätte das gedacht. Oben wohnen ein paar Leute und diesen Abend waren wir unten an der Reihe. Im ersten Stock gab es noch eine Küche mit einem großen Raum davor, in dem wir die ganze Zeit rumhängen und kochen konnten. Diese Einrichtung hat uns sehr gut gefallen und sollte es überall geben, aber auch hier haben später noch Leute für uns und alle anderen Essen gemacht und auch das sollte es überall geben. Außerdem sollte auch jedes Haus eine Dachterasse mit Golfschlägern und Bällen haben!
Leider unterliegt Bernardt immer noch dem Irrtum, dass Auftritte nur dann gut werden können, wenn er „genug“ Schnaps getrunken hat und das hatte er anscheinend an diesem Abend nicht. Keine Ahnung, was er dann immer hört, ich und einige andere fanden, dass er sich eigentlich ganz gut angehört hat, damals in Zürich. Trotzdem hat das ganze so oder so nicht wirklich gezündet. Das lag auch daran, dass Georgi am Schlagzeug fast die Ohren weggefetzt worden sind, weil sich der Gitarrenverstäker einfach total scheiße angehört und ständig fieseste Rückkopplungen in seine Richtung geschleudert hat. Auch als ich beim Abisong ein paar einleitende Weisheiten mit dem Publikum zu teilen bereit war, ist niemand wirklich drauf eingegangen. Schlitzer – auf den Namen komm ich später nochmal zurück – hat mich dann leider erst viel später darauf gebracht, dass „Abitur“ in der Schweiz ja „Matura“ heißt. Deswegen hat das Publikum also die ganze Zeit geguckt wie ein Auto. Insgesamt war der Abend in Sachen Performance für mad minority eher ein Tiefpunkt; für Bomb Legere auf der einen Seite auch, weil Gorm komplett aussetzen musste (Stimmbänder überfordert), andererseits nicht, weil sich das ganze rein Instrumental doch ziemlich gut angehört hat und für die eher „beschauliche“ Atmosphäre in dem nicht gerade vollem Haus echt ok war. Kaput Krauts haben auch an diesem Abend aus allen Kanälen Feuer gegeben – fast… also nur fast vielleicht eventuell schon ein bisschen langweilig, weil bis dahin jeder Auftritt absolut Kraftvoll und nach vorne, aber eben auch irgendwie total glatt vonstatten gegangen war. Doch dann kam Stefan ans Mikrofon und sie schafften es, „Bullenschweine“ live noch sieben mal schlechter zu spielen, als Slime das jemals selbst hingekriegt haben dürften. Das war geil!
Und das war auch der stressigste Teil der Tour, denn mit dem neuen Van war das Leben auf der Autobahn quasi genauso wie im Hotel. Das war auch der 2te Teil. Nächste Woche erfahrt ihr, wieso Schlitzer eigentlich Schließer, aber sowieso ganz anders heißt und die Konzerte werden nach Regensburg noch mal richtig FETT!

Euer mad B.

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9 Kommentare auf "Die Mad Minority Tourtagebücher – Teil II"

  1. captain hardcore sein vertreter sagt:

    1: das haus heißt kalkbreite mr. b. und nicht reilstr.! aber egal! und aus raststatt gibts noch das video das lad ich ma die tage hoch! und den coolen mischer aus zürich sollte man ja auch noch ehren für seine soundinstallation!

  2. mad B. sagt:

    haha, ja der typ, der in zürich die anlage gemacht hat, war irgendwas um die 60 Jahre alt und hat ca. 2 Stunden vor der Show und währenddessen ununterbrochen und hochkonzentriert am mischpult geschraubt. von uns hat das niemand verstanden, denn es gab nur 3 mikrofone (2 x gesang, 1x bassdrum), aber wir haben ja auch keine 45 jahre praxiserfahrung mit soundsystemen. haputsache n techniker… scheint jedenfalls wahnsinnig anspruchsvoll gewesen zu sein, denn ständig gab es irgendwelche rückkopplungen und störgeräusche. in der schweiz gelten die gesetze der physik eben nicht so streng wie bei uns, schon gar nicht in besetzten häusern!

  3. John K. Doe sagt:

    wo bleiben die nächsten teile verdammte scheiße???

  4. mad B. sagt:

    verdammte Scheiße, ich hab nicht mal ne gute Ausrede. Bin grad dabei, den Rest zu schreiben. Werd die dann morgen raushauen, muss noch einmal drüber schlafen. Hab sowas viel zu lang nicht mehr gemacht, aber das wird grad wieder!

  5. John K. Doe sagt:

    mach irgendwas übers antifee rein – egal obs passt, dann explodiert hier auch noch die kommentarspalte. hehehe.

  6. mad B. sagt:

    da geh ich ja dieses jahr gar nich hin… und zwar, weil ich grad in ner andern stadt bin und was besseres vor hab!

  7. mad B. sagt:

    ähm, teil 3 is angekommn (?). hab das jedenfalls am späten nachmittag abgeschickt.

  8. mad B. sagt:

    Ist Teil 3 angekommen? Hab den heute nachmittag losgeschickt, allerdings ohne Betreff…

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