Politik
Protokoll einer Ermittlung
Die Akte „Rote Straße“10. August 2010
Die polizeilichen Ermittlungen im Zuge des Feuers in der Ausländerbehörde des Landkreises waren stets von öffentlicher Kritik begleitet. Aber erst jetzt wird das ganze Ausmaß ersichtlich: Haben die Spürhunde tatsächlich in die Rote Straße geführt? Darf die Polizei nach Korrespondenz zwischen Anwalt und Mandant suchen? Reicht ein „dunkler Teint“ zur zwangsweisen DNA-Entnahme? Eignen sich Fahrradkontrollen zur Tätersuche? Wir dokumentieren an dieser Stelle Auszüge aus den polizeilichen Ermittlungsakten. Alle Maßnahmen führten am Ende ins Leere: Das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt.
Polizeilicher Notstand: Bad Nenndorf verboten
10. August 2010
Mit einem Verbot des rechtsextremen sog. Trauermarsches in Bad Nenndorf will der Landkreis Schaumburg verhindern, dass am Samstag rund 1.000 Neonazis in dem niedersächsischen Kurort aufmarschieren. Gleichzeitig wurde auch die vom Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ angemeldete Gegendemonstration verboten. In ihrer am Mittwoch morgen zugestellten Verbostverfügung beruft sich die Versammlungsbehörde auf einen zu befürchtenden „polizeilichen Notstand“.
Reaktionen auf Amnesty-Studie zu Polizeigewalt
Göttinger Reaktionen auf Studie zu Polizeigewalt23. Juli 2010
Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse bezieht Stellung zu einer Studie zu Polizeigewalt von Amnesty International. Die Polizei habe die Lage „im Griff“, die Forderungen der Menschenrechtsorganisation seien bereits erfüllt. „Erstaunliche Parallelen“ zu Fällen aus Göttingen will hingegen Rechtsanwalt Johannes Hentschel in der Amnesty-Studie entdeckt haben. Amnesty fordert unter anderem eine unabhängige Ermittlungsinstanz bei Polizeiübergriffen und eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamt*innen.
Ich bau‘ dir ein Schloss – aus Studiengebühren
22. Juli 2010
Die Universität Göttingen plant ein neues Großprojekt. Finanziert aus »Studiengebühren« entsteht am Zentralcampus ein neues Gebäude: Das »Lern- und Studienzentrum«. Nach außen wird der Eindruck erweckt, das Projekt wäre vorgeschlagen und unterstützt von Studierenden. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.
Ordnungsamt & Polizei behindern Blockadetraining
21. Juli 2010
Eigentlich wollte die Grüne Jugend am Samstag das Blockieren üben. Zur Vorbereitung der Proteste gegen den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf luden die Junggrünen um 14 Uhr am Jacobikirchhof zum Blockadetraining. Anschließend sollte auf dem „Grünen Sofa“ mit dem niedersächsischen Fraktionsvorsitzenden der Landtagsgrünen, Stefan Wenzel, über zivilen Ungehorsam debattiert werden. Nach dem Willen des Ordnungsamtes wird daraus nichts: am Freitag sei ein Auflagenbescheid bei der Grünen Jugend eingegangen, teilte die Gruppe via E-Mail mit. Der beinhalte „quasi ein Verbot unserer Veranstaltung“.
Dresden nach Bad Nenndorf holen
18. Juli 2010
Seit vier Jahren zieht das Wincklerbad vor allem Neonazis nach Bad Nenndorf, die dort ihren geschichtsrevisionistischen „Trauermarsch“ veranstalten. Mit knapp 800 Teilnehmern konnte das selbsternannte „Gedenkbündnis Bad Nenndorf“ 2009 fast doppelt so viele Neonazis in den Ort mobilisieren als im Vorjahr – für dieses Jahr werden rund 1200 Neonazis erwartet. Um den Aufmarsch zu verhindern, ruft das überregionale Bündnis „NS-Verherrlichung stoppen!“ zu Massenblockaden am 14. August in Bad Nenndorf auf. Unterstützung erhält es dabei von Göttinger Initiativen und Gruppen, die auf die Funktion des extrem rechten Aufmarschs hinweisen.
Hitze erstickt Protest gegen Burschis
11. Juli 2010
Bei Rekordtemperaturen von bis zu 38° ist es am Wochenende nur zu verhaltenem Protest gegen das Stiftungsfest der Burschenschaft Hannovera gekommen. An einer Kundgebung am Samstag am Gänseliesel nahmen etwa 60 Personen teil, weitere Proteste blieben größtenteils – anders als in den Jahren zuvor – aus. Die feiernden Burschis hingegen trauten sich offenbar nicht, ihr unter Polizeischutz stehendes Grundstück zu verlassen.
WM-Nationalismus
Ein ganz normaler Fußball-Abend24. Juni 2010
Den ersten Hitlergruß an diesem Abend bekomme ich vor dem Salamanca in der Gartenstraße gezeigt. Ein Passant fühlt sich bemüßigt, die Nazi-Geste in Richtung des Lokals zu zeigen und findet das offenbar komisch. Die deutsche Fußballnationalmannschaft der Männer hat gerade das Achtelfinale der Weltmeisterschaft erreicht.
Erfolgreicher Protest
Keine Abschiebungen ins Kosovo22. Juni 2010
Die Versuche von Stadt und Landkreis Göttingen, insgesamt 30 Roma ins Elend in das Kosovo abzuschieben, sind von zahlreichen Protesten begleitet worden. Höhepunkt war die Blockade eines Hauses im Blümchenviertel in der Nacht zum Dienstag, die den Polizeieinsatz zum Zwecke der Abschiebung zum Scheitern brachte. Das Verwaltungsgericht hat unterdessen die Abschiebungen von elf Roma-Flüchtlingen untersagt. Weitere Flüchtlinge sind untergetaucht oder befinden sich im Kirchenasyl. Letztlich ist wahrscheinlich keiner der 30 Menschen abgeschoben worden.
Polizei findet Antwort auf Kritik: Polemik und Diffamierung
18. Juni 2010
Gewohnt an einen eher konservativen und recht kritiklosen Berichterstattungsstil gab es für Leser des Göttinger Tageblatts am vergangenen Samstag plötzlich eine Überraschung: Ein Kommentar unter dem Titel »wer Pizza sucht, findet Pizza« nahm die wenig überzeugenden politisch gefärbten Verlautbarungen der Polizei zu den Ermittlungen beim vorgeblichen Brandanschlag in der Ausländerbehörde aufs Korn. Aber Kritik will sich die Polizei nicht bieten lassen und hält polemisch dagegen.