Ordnungsamt & Polizei behindern Blockadetraining
von am 21. Juli 2010 veröffentlicht in Politik

Eigentlich wollte die Grüne Jugend am Samstag das Blockieren üben. Zur Vorbereitung der Proteste gegen den Naziaufmarsch in Bad Nenndorf luden die Junggrünen um 14 Uhr am Jacobikirchhof zum Blockadetraining. Anschließend sollte auf dem „Grünen Sofa“ mit dem niedersächsischen Fraktionsvorsitzenden der Landtagsgrünen, Stefan Wenzel, über zivilen Ungehorsam debattiert werden. Nach dem Willen des Ordnungsamtes wird daraus nichts: am Freitag sei ein Auflagenbescheid bei der Grünen Jugend eingegangen, teilte die Gruppe via E-Mail mit. Der beinhalte „quasi ein Verbot unserer Veranstaltung“.

HINTERGRUND
In Bad Nenndorf bei Hannover werden am 14. August 1200 Neonazis zu einem geschichtsrevisionistischen „Trauermarsch“ erwartet. Unter dem Motto Dresden nach Bad Nenndorf holen ruft ein breites Bündnis zu Massenblockaden auf. Auch die niedersächsischen Grünen haben auf ihrem Landesparteitag in Northeim beschlossen, zu den Blockaden aufzurufen.

Bereits im Vorfeld soll die Polizei versucht haben daraufhin zu wirken, dass das Blockadetraining verboten wird, heisst es aus grünen Kreisen. So hätten Polizeibeamte an einem Sondierungsgespräch mit dem Ordnungsamt teilgenommen und unter anderem nach der Kleidung der Blockadetrainierenden gefragt. Letztlich hatte das Ordnungsamt die Veranstaltung dann aber doch genehmigt – vorerst. Bis heute ein weiterer Auflagenbescheid bei der Grünen Jugend einging, „der zur Auflage macht, dass jegliche Probeblockaden verboten seien“, heißt es in einer Mitteilung.

Über Details des weiteren Vorgehens der Behörde berichtet der Blog bloggoe:

„Doch jetzt meldet sich die Polizei wieder zu Wort: Sie versucht die Veranstaltung zu kippen, mit der Begründung, es würde zu Straftaten aufgerufen. Ein genauer Ablauf des Trainings wurde erfragt und eine Drohkulisse aufgebaut: Eine Einsatzhundertschaft wird vor Ort bereit stehen und prüfen, ob zu Straftaten aufgerufen würde. Wenn dies der Fall sein sollte, so angekündigt, würde die Veranstaltung gestürmt werden, und rechtliche Konsequenzen für Teilnehmer*innen folgen.“

Beim Ordnungsamt ist freilich am Freitag Nachmittag niemand mehr zu erreichen, der Stellung zu dem Fall beziehen könnte. Das Kalkül der Behörden scheint hier wieder einmal zu sein, durch späte Zustellung des Auflagenbescheides ein gerichtliches Vorgehen dagegen zu erschweren. Beruhigend zu wissen, dass diese Taktik auch in den Säälen des Verwaltungsgerichts bekannt ist und dort nicht auf Gegenliebe stößt. Die Grüne Jugend will sich noch heute rechtlichen Beistand suchen und ggf. gerichtlich gegen den Bescheid vorgehen. Die bisherige Rechtssprechung des Göttinger Verwaltungsgerichts lässt hoffen, dass die Auflage noch gekippt wird.


Blockieren verboten? Nein, sagen Experten

Es gibt offensichtlich sich widersprechende Gerichtsentscheidungen zur Legalität von Blockadetrainings. Annahme für mögliche Verbote: das Aufrufen zu Blockaden von Versammlungen sei rechtswidrig. Stimmt nicht, sagt der Göttinger Rechtsanwalt und Experte für Versammlungsrecht, Johannes Hentschel: „Die Blockade einer Versammlung steht grundsätzlich genauso unter dem Schutz des Versammlungsrechts. Auch Blockaden sind Ausdruck von Meinungs- und Versammlungsfreiheit und es gibt genügend Rechtssprechung, die das so belegt.“ Blockaden seien zulässig, solange sie Ausdruck einer Meinungskundgabe gegen Nazis seien. Nur zum Selbstzweck dürfe sie nicht werden – das ließe sich allerdings erst vor Ort auf der Straße abschließend beurteilen.

„Nazis blockieren ist unser Recht“, schreibt auch die Grüne Jugend. Sie ruft weiterhin dazu auf, um 14 Uhr zum Jacobikirchhof zu kommen. „Wir werden vor Ort sehen, wie es weiter geht.“

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12 Kommentare auf "Ordnungsamt & Polizei behindern Blockadetraining"

  1. Kokain sagt:

    Ironie des Schicksals… ein Blockadetraining unter realen Repressionsbedingungen

  2. SpritzKid sagt:

    Dachte immer der Vorplatz der Jacobikirche ist privater Raum, da kann die Polizei erstmal nix machen ohne Zustimmung des örtlichen Pfarrers.
    Die Kirche, das Bündnis gegen Rechts, Amnesty & Co mit ins Boot holen und sehen, ob die rangekarrten Bullen wirklich gegen die Göttinger Zivilgesellschaft handgreiflich werden.
    Wenn das passiert wünschen wir dem Göttinger Polizeichef viel Spaß beim Scherbenhaufen aufkehren (bildlich gesehen).

  3. Rakete sagt:

    Durch solche Verbote kriegt die Aktion auf jeden Fall viel mehr Aufmerksamkeit als sie sonst bekommen hätte. Eigentor.

  4. mobster sagt:

    Hammer, was fuer ein Schildbuerger Staatsstreich von „unserer“ Polizei! Da muss ich dringend noch mal Kafka lesen…

  5. Grünschnabel sagt:

    Kann mal jemand von denen, die heute vor Ort waren, ’ne Zusammenfassung geben von dem, was heute ging oder auch nicht ging? Konnte trainiert werden, oder ham die Streifenhörnchen ihre Drohungen wahr gemacht? Aufklärung wäre toll!

  6. Rakete sagt:

    Es wurden keine Rechtsmittel eingelegt und unter den Augen der Polizei gab’s theoretischen Unterricht im Blockieren an einer Tafel. Ausführlicher Bericht folgt.

  7. Grünschnabel sagt:

    Hi Rakete,

    vielen Dank für Deine schnelle Antwort! Hat mir mein Mitbewohner grad auch so geschildert. Schade, dass die Teilnehmer_innenzahl ziemlich überschaubar war.

  8. herr tröte sagt:

    neben dem tumben grünen mdl war für die polizei der ultrastumpfe hundertschaftsführer „straßenköter“ anwesend. also intellektuell war eher flaute angesagt an diesem tag…

  9. Rakete sagt:

    GT: Unterdessen hat sich auch die Junge Union Göttingen zum Thema zu Wort gemeldet. Mit dem öffentlichen „Training“ von Praktiken, „die hart an die Grenze des Gesetzes gehen“, würden sich die Jungen Grünen „in eine Reihe mit all denjenigen“ stellen, „die, auch in Göttingen, regelmäßig für eine Eskalation verschiedenster Veranstaltungen sorgen“.

  10. herr pöbel sagt:

    jaja, der Aufstand der anständigen. Zuletzt scheinen sich ja eher deren Spießgesellen von der Brunsviga in eine Reihe mit Eskalationssuchenden gestellt zu haben, als deren Burschenschafter im Cheltenhampark Antifaschist_innen angegriffen haben…
    Ob bunt-farbentragend oder law&order-fetischistisch wie in der Union, da zeigt sich mal wieder die gleiche widerliche braune Faschistensoße!

  11. herr tröte sagt:

    Eine von vielen Ironie der Geschichte, da Teile der Grünen ebenfalls an einer Spaltung der Bewegung zu arbeiten scheinen: Gutes zivil-gesellschaftliches Engagement auf der einen Seite, böse Radikalinskies auf der anderen Seite. Und der bereits gescholtene Stefan W. hat es sich nicht nehmen lassen darauf hinzuweisen, dass Geheimdienste seiner Meinung nach ja oft bei militanten Protesten dabei sind. Diese Leute können sich auch mal was neues einfallen lassen.

  12. pogoaffe sagt:

    der pogoaffe sei mit euch!
    UH! UH! UH!

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