No Justice, no Peace! Kampagne gegen Kriminalisierung und politische Justiz
von am 10. März 2010 veröffentlicht in Hintergrund, Politik

Dass die Polizei Demonstrationen schikaniert, linke Aktivist*innen kriminalisiert und überwacht, dass Richter*innen politisch motivierte Urteile sprechen sollen – all das hört man in Göttingen in loser Reihe immer wieder. Die Bezeichnung „Willkür“ wird dann oft zur Beschreibung heran gezogen. Dass hinter dieser losen Reihe aber ein System steckt, dass all diese Ereignisse nicht ohne Kalkül geschehen, das will die „Initiative für gesellschaftliches Engagement. Gegen Kriminalisierung und politische Justiz“ jetzt zeigen. In einer heute veröffentlichten Broschüre analysiert sie das Verhältnis von sozialen Bewegungen, Polizei und Justiz anhand von exemplarischen Fällen der letzten Jahre. Ihr Ergebnis: von „Willkür“ kann gar keine Rede sein.

Die Broschüre lässt wenn überhaupt nur wenige Zweifel an der These zu, das Vorgehen von Polizei und Justiz gegen außerparlamentarisch politisch aktive Menschen sei politisch Motiviert. Eine hinter den Einzelfällen stehende Kontinuität wird aufgezeigt:

„Die Polizei konzentriert sich auf Menschen, die sich aus ihrer Sicht z.B. besonders hartnäckig engagieren, dabei wenig kooperieren und denen sie größeren Einfluss zuschreibt. Diese meist namentlich bekannten AktivistInnen werden bei nächstbester Gelegenheit – wenn sie sich in der Öffentlichkeit engagieren – angezeigt. Dafür werden Vorgänge erfunden und schließlich Straftaten wie Widerstand, Landfriedensbruch oder Beleidigung konstruiert.“

Quelle

Neben den Schilderungen von zahlreichen Einzelfällen, die nach Angaben des Bündnisses „nicht im Ansatz“ den Anspruch auf Vollständigkeit erheben, finden sich auch Hintergrundanalysen in der Broschüre. So schreibt Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie über „alte und neue Formen staatlicher Repression“. Dabei geht sie auch auf die immer restriktiver werdenden Versammlungsgesetze ein und kommt zu dem Schluß, dass es Menschen braucht, „die immer neue Formen des provozierenden Eintretens für Menschenrechte und Demokratie entwickeln, die sich das Recht nicht nehmen lassen, sich „ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“.


Auch bei der Conny-Demo im November ging die Polizei unverhältnismässig gegen die Demonstrierenden vor

Solche Menschen tragen die Initiative „Für gesellschaftliches Engagement…“. Hinter ihr steht ein breites gesellschaftliches Bündnis. Neben linksradikalen Gruppen wie „Gegenstrom“ oder der „redical M“ hat auch der Kreisverband der Göttinger Grünen die Broschüre mit heraus gegeben. Die Partei Die Linke, der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein oder auch die Göttinger Jusos – sie alle wollen mit dieser Broschüre das Verhältnis von Bewegungen, Exekutive und Judikative zunächst ins Licht, und dann womöglich wieder gerade rücken.

Sie alle wollen sich einmischen, „wenn politisches Engagement und Proteste gezielt kriminalisiert werden.“ Es sei an der Zeit, „das skandalöse Vorgehen von Polizei und Justiz ans Licht der Öffentlichkeit zu holen und die Betroffenen zu unterstützen“, heißt es in einer Vorstellung des Bündnis.

Die Veröffentlichung der Broschüre, deren Inhalte ihr auch bei uns lesen könnt (rechts oben) ist nur ein Teil der Kampagne. Bis in den Mai gibt es zahlreiche themenbezogene Veranstaltungen in Göttingen. Thomas Wüppesahl von der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten referiert über strategische Lügen der Polizei, der Vizepräsident der internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, spricht über die neuere Polizeientwicklung und die Autorin Hanna Poddig liest aus ihrem Buch „Radikal Mutig. Meine Anleitung zum Anderssein“. Alle Termine stehen hier.

Monsters of Göttingen veröffentlicht ab sofort täglich einen neuen Text aus der Broschüre.

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2 Kommentare auf "No Justice, no Peace! Kampagne gegen Kriminalisierung und politische Justiz"

  1. Ein 37-jähriger Mann ist erfolgreich beim Göttinger Verwaltungsgericht gegen eine Maßnahme der Göttinger Polizei bei einer Demonstration im April des vergangenen Jahres vorgegangen. Das hat der Göttinger Anwalt Sven Adam jetzt bekannt gegeben. Sein 37-jähriger Mandant hatte an der Demonstration teilgenommen, um gegen die Räumung eines besetzten Hauses in Erfurt zu protestieren. Im Verlauf der Demonstration wurden die Teilnehmer von der Polizei eingekesselt. Dem 37-Jährigen war es damit nicht mehr möglich die Versammlung zu verlassen. Laut Adam war dieses Vorgehen rechtswidrig. Die Polizeidirektion Göttingen hat gegenüber dem Verwaltungsrecht schriftlich eingeräumt, dass es ihr zumindest nicht möglich sei Gegenteiliges zu beweisen. Ein Fehlverhalten wurde deswegen eingeräumt.

  2. Frankie sagt:

    Ein weiteres Fehlverhalten (ohne Konsequenzen), dem Weitere folgen werden. Es freut mich für den 37 – jährigen Mann, aber das Problem von rechtswidrigen Polizeiverhalten bleibt halt bestehen.

    Bis zur nächsten Demo, die ohne oder nicht ausreichenden Grund gekesselt oder angegriffen wird, nach der man versuchen kann vor Gericht Recht zu bekommen, sich an der Grundsituation aber nichts ändern wird.

    Ein solches Bündnis ist daher natürlich zu begrüßen, viel ändern kann es aber glaube ich leider nicht, da Polizei und Justiz in der gesamten Öffentlichkeit, sowie der Politik meiner Meinung nach die „weißen Westen“ gepachtet haben und im Umkehrschluss engagierte Menschen ohne Kooperationsbereitschaft auf verlorenen, kriminalisierten Posten stehen bleiben werden.

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