Keine Chance auf Schmusekurs mit der Justiz
von am 12. November 2007 veröffentlicht in Politik

Im Juli diesen Jahres wurde ein Göttinger Student zu drei Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er auf einer Demonstration gegen Polizeigewalt einen Polizisten geohrfeigt haben soll. Die Frage, die heute morgen vor dem Landgericht beantwortet wurde, war folgende: kommt ein Richter damit durch, das Strafmaß von der Zugehörigkeit zu einer politischen Gruppe, hier dem schwarzen Block, abhängig zu machen. Die Antwort: Ja, kommt er. Das Berufungsersuchen des Angeklagten wurde abgelehnt.

Das außergewöhnlich hohe Strafmaß wurde im Sommer damit begründet, dass der Richter den Schmusekurs mit dem schwarzen Block beenden wollte. Der G8-Gipfel und die Bilder seiner Ausschreitungen waren gerade erst vergangen und veranlassten offensichtlich auch die Göttinger Justiz, ein hartes Vorgehen gegen die radikale Linke zu forcieren. Der Richter ging damals so weit, dem Angeklagten jedes Demonstrationsrecht abzusprechen. „Sie sind kein Demonstrant, sie sind ein Gewalttäter“, äußerte Rammert sich im Prozess.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass jemand dafür bestraft wird, einen Polizisten geschlagen zu haben. Auch nicht, dass die Beweislage dafür konstruiert wirkt. Solche Prozesse gegen linke gibt es am laufenden Band. Beachtlich ist hier tatsächlich die Begründung, die nach Gesinnungsjustiz riecht. „Als Richter am Amtsgericht ist es aber gerade nicht seine Aufgabe, Politik zu machen” erkannte schon damals eine Sprecherin der Roten Hilfe Göttingen ganz richtig.

Der Richter des Berufungsverfahrens wollte davon nichts wissen. Er trage schließlich auch öfters schwarze Kleidung und gehöre deswegen nicht zum schwarzen Block, erklärte er mit einem Augenzwinkern im Hinblick auf seine Robe. Es wäre auch zu offensichtlich und skandalös gewesen, wenn er als die selbe Wortwahl wie der Amtsrichter getroffen hätte. Zwischen den Zeilen lässt sich aber die gleiche Intention vermuten und auch das Urteil spricht eine deutliche Sprache. Die Berufung wurde abgelehnt, das Urteil des Amtsgerichts somit bestätigt.

Der Rechtsanwalt des Angeklagten, Johannes Hentschel, vermutet eine politische Motivation für das Urteil. Sein Mandant sei für die Zugehörigkeit zum so genannten schwarzen Block bestraft worden. „Nur weil jemand auf einer Demonstration einen schwarzen Pullover trägt, bedeutet das noch nicht, dass er auch gewaltbereit ist. Noch viel weniger kann es bedeuten, dass er für das gewalttätige Auftreten gleichgekleideter Demonstranten in Kollektivschuld genommen wird.“ Hentschel hat vor Gericht deutlich gemacht, dass sein Mandant nur für das bestraft werden darf, wofür er zur Überzeugung des Gerichts persönlich verantwortlich ist. Das Gericht selber hatte eingeräumt, dass es sich um Straftaten „am unteren Rand“ handelt. „Eine Verurteilung zu einer Haftstrafe halte ich nach wie vor für überzogen“, so Hentschel.

Im Vorfeld zum Prozess hatte die Rote Hilfe Göttingen in einen offenen Brief ein Ende der Kriminalisierung von antifaschistischem Engagement gefordert. Das Urteil reihe sich in eine Vielzahl von Repressionsmaßnahmen ein. „So werden engagierte GöttingerInnen, die sich bewußt mit dem Faschismus und seinen heutigen Ausprägungen auseinandersetzen und sich jeglichen faschistischen Bestrebungen entgegenstellen, kriminalisiert und von den staatlichen Sicherheitsorganen verfolgt und beschattet“ heisst es in dem Brief. Unterschrieben wurde dieser von rund 20 Einzalpersonen und Gruppen – die Göttinger Linke ist sich in diesem Fall Ausnahmsweise einmal einig.

Die Demonstration, auf der der Angeklagte den Polizisten geschlagen haben soll, richtete sich ironischer Weise gegen Polizeigewalt und Repression. Das Nachspiel zeigt deutlich, dass das Anliegen der Demonstrierenden seine Berechtigung hat.

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8 Kommentare auf "Keine Chance auf Schmusekurs mit der Justiz"

  1. Der Artikel trifft die Sache! Aber ist da im Bild oben das Logo zu erkennen, das die Basisgruppe Jura bereits verwendet (wenn auch hier mit anderer Bedeutung)? Nicht, dass wir hier bald ne Unterlassungsklage anstrengen müssen… 😉

  2. mobster sagt:

    Gibt es noch eine weitere Möglichkeit auf Revision? (OLG?VG?)

  3. Rogue sagt:

    Ja, es gibt nun noch die Möglichkeit, binnen einer Woche Revision einzulegen, die dann vor dem OLG Braunschweig verhandelt würde. Hier werden dann keine Tatsachen mehr verhandelt, sondern nur noch das Vorliegen etwaiger Rechtsfehler, und hier könnte man sicherlich auf eine fehlerhafte Strafzumessung abstellen, eine gerötete Wange rechtfertigt keine Haftstrafe…

  4. Schmendi sagt:

    der blackbloc is ne politische gruppe? sachen gibts, die gibts nich…

  5. Die Stellungnahme der Roten Hilfe Göttingen:

    + Landgericht verwirft Rechtsmittel gegen Gesinnungsurteil +
    + Dreimonatige Haftstrafe für eine Ohrfeige +
    + Staatsanwältin konstruiert Rechtsfeindlichkeit des Angeklagten +

    Am vergangenen Montag fand vor dem Göttinger Landgericht die Berufungsverhandlung gegen einen 26jährigen Studenten statt, der im Juli zu einer dreimonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war. Dem Angeklagten waren eine versuchte und eine vollendete Körperverletzung vorgeworfen worden, die er auf der Demonstration “Gegen Repression und Polizeiterror” am 21. Okt. 2006 (im Vorfeld der Nazi-Kundgebung eine Woche später) begangen haben soll. Diese Demonstration war von skurrilen Auflagen und schikanösem Polizeiverhalten geprägt gewesen. Gegen dieses Urteil hatte der Betroffene Rechtsmittel eingelegt.

    Das Landgericht Göttingen ist nun der Einschätzung der Vorinstanz gefolgt und hat die Berufung verworfen. Damit bleibt es bei der dreimonatigen Haftstrafe, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird.

    Für die Göttinger Ortsgruppe der Roten Hilfe ist diese Entscheidung die Fortführung des Gesinnungsurteils, das der Amtsrichter im Juli gegen den Angeklagten verhängt hatte. “Der Richter des Landgerichts fand hier zwar nicht derart deutliche Worte wie noch der Amtsrichter, der dem Angeklagten aufgrund seiner schwarzen Kleidung jegliches Demonstrationsrecht abgesprochen hatte. Aber dennoch wird deutlich, dass an dem Angeklagten ein Exempel statuiert werden sollte,” äußerte sich eine Sprecherin der Roten Hilfe Göttingen. “Die Aussagen der Staatsanwältin wiederum lassen diesbezüglich keine Zweifel aufkommen.”

    Diese sagte im Prozess, der Angeklagte habe die Versammlung ausgenutzt, um gezielt Straftaten zu begehen. Sie unterstellte, wer sich in die erste Reihe einer Demonstration begebe, wolle “Randale machen”, letztlich habe er sich gegen die Demokratie als solche gewandt. Im Verlauf des Prozesses wurde nur allzu deutlich, wie die Staatsanwältin über die schwarze Kleidung, die der Angeklagte auf der Demonstration getragen hatte, versuchte, diesem unter Hinweis auf den sog. “Schwarzen Block” eine gesteigerte Aggressivität anzudichten.

    Die Sprecherin der Roten Hilfe weiter: “Es ist absolut nicht nachvollziehbar, wie eine Ohrfeige zu einer mehrmonatigen Haftstrafe führen kann. Und dies, obwohl der Betroffene vorher in keiner Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten war. Hier wurde mit aller Macht versucht, eine Rechtsfeindlichkeit des Angeklagten zu konstruieren, damit sowohl im aktuellen Fall als auch für die Zukunft ein hartes Vorgehen von Polizei und Justiz gegen die Göttinger Linke gerechtfertigt erscheint.”

    Die Rote Hilfe Göttingen fordert die Justiz auf, von der Praxis der Gesinnungsurteile abzurücken. Die Rote Hilfe Göttingen wendet sich weiterhin entschieden gegen die Kriminalisierung und Einschüchterung von antifaschistischem Engagement!

  6. BG Jura sagt:

    Einen ausführlichen Bericht unserer Prozessbeobachtung gibt es jetzt auf der BG Jura Seite!

  7. Alina sagt:

    Ja, wenn eine Robe nun schon mit dem schwarzen Block verglichen wird, dann ist das nicht mehr weit vom Alten Fritz entfernt. Ne Art Gesinnungsgleichheit finde ich, denn der Alte Fritz hat diese Amtstracht ja Spitzbuben zwangsweise verpasst. Ursprung der Anwaltsrobe, hier nachlesen: http://www.roben-shop.de.

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