Hohe Geldstrafe im „Autonomicum-Prozeß“
von am 9. Juli 2009 veröffentlicht in Besetzung 11.40, Politik

6000 Euro Strafe hat das Amstsgericht Göttingen vergangenen Freitag einem Demonstranten auferlegt. Das Gericht kam nach sieben Verhandlungstagen und der Vernehmung von insgesamt 19 Zeug*innen – zum Großen Teil Polizeibeamt*innen – zu der Auffassung, der Verurteilte habe auf der Demonstration anlässlich der Räumung des besetzten Uni-Raums MZG 1140 im Januar 2008 Landfriedensbruch begangen. Der Vorwurf: zusammen mit 50 anderen Demoteilnehmenden soll er mehrere Polizeibeamt*innen verprügelt haben.

Es klingt unglaublich: 50 schwarz gekleidete Demonstranten lösen sich aus einem Demonstrationszug und kreisen eine Gruppe von ungefähr 10 Polizisten ein. Dann werden die Beamten separiert, jeder von ihnen von einem Dutzend schwarz gekleideter mit Schlägen und Tritten tracktiert. Verletzt wird jedoch niemand. Nur mit dem Einsatz von Schlagstöcken konnten die Polizist*innen sich aus der Gewalt der Demonstrierenden befreien. Diese Situation soll sich nach Angaben der Polizeizeug*innen während einer Demonstration im Januar 2008 auf dem Göttinger Unicampus abgespielt haben. Beweise dafür gibt es neben den Aussagen der Beamt*innen allerdings keine. Dafür tauchten im Prozess eine Menge Ungereimtheiten auf.

So hatten zahlreiche Dokumentationsteams der Polizei die Demonstration gefilmt, ausgerechnet diese Situation aber nicht. Mehrere Videobänder waren im Nachinein nicht mehr auffindbar. Entweder seien hier Beweise bewusst unterschlagen worden oder die Polizei habe aus nicht nachvollziehbaren Gründen entlastende Beweise nicht erhoben, beurteilte dies die Verteidigung in ihrem Plädoyer am vergangenen Freitag. Jedenfalls könnte das Geschehen so nach ihrer Auffassung nicht aufgeklärt werden. Außerdem wurde der Angeklagte nur von einem der Zeugen identifiziert, dieser beschrieb dessen Kleidung jedoch falsch. „Wenn ein Zeuge die Unwahrheit sagt, kann das mehrere Gründe haben“, kommentierte dies die Vertedigung am letzen Verhandlungstag. Welcher hier zu Grunde liege sei egal, jedenfalls sei der einzige Belastungszeuge nicht glaubwürdig. Vermutlich wolle er sein persönliches Interesse an der Verurteilung verschleiern, hiess es weiter im Plädoyer. Schließlich sei die Polizei kein unbeteiligter Dritter bei einer so ungewöhnlichen Demonstration, eine Eigenmotivation könne „sicher nicht“ ausgeschlossen werden.

Das Gericht überzeugte dies allerdings nicht. Es folgte in keinem Punkt der Argumentation der Verteidigung, sondern schloss sich der Auffassung der Staatsanwaltschaft an. In erster Linie stützt sich das Urteil auf die Aussage des einen Zeugen, den die Verteidigung zuvor für unglaubwürdig erklärt hatte. Seine Aussagen seien zweifellos glaubhaft gewesen und eine Eigenmotivation an der Bestrafung des Angeklagten nicht ersichtlich, argumentierte der Richter. Er verurteilte den Angeklagten zu 6000 Euro Strafe, womit dieser als vorbestraft gilt. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor vier Monate Haft auf Bewährung und eine Strafe von 2000 Euro gefordert, weil es sich um einen „sehr hinterhältigen Angriff“ auf Polizeibeamte gehandelt habe.

Für Unverständnis sorgt das Urteil unter den Prozessbeobachtenden. Es sei ein politischer Prozeß gewesen, heisst es in einer Mitteilung der Basisgruppe Geschichte. Die Polizei habe sich an einem Einzelnen dafür rächen wollen, dass sie eine Demonstration auch mit massivem Gewalteinsatz nicht stoppen konnte. Alles andere als ein Freispruch wäre nach diesem Prozeß ein juristischer Skandal, schätzte die Gruppe noch am Tag vor der URteilsverkündung den Ausgang des Verfahrens ein.

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3 Kommentare auf "Hohe Geldstrafe im „Autonomicum-Prozeß“"

  1. ... sagt:

    „Ich glaube eher an die Unschuld einer Hure, als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz!“

  2. mad B sagt:

    Und wird denn da Berufung eingelegt? Weiß jemand bescheid?

  3. @mad B sagt:

    Schalten Sie sich doch bitte als Anwalt ein und treten Sie der Justizia einmal kräftig in den Arsch! 😉

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