Interview mit den Antifee-Macher_innen

Mit viel Hilfe und in Eigenregie
von am 13. Juni 2012 veröffentlicht in Antifee, featured, Musik

Wir haben für euch die Antifees interviewt und gefragt, was das Antifee eigentlich ist, wie das so mit der Organisation funktioniert, die ja auch jedes Jahr immer wieder mit vielen neuen Freiwilligen neu anfängt, was es mit dem Mottowechsel auf sich hat – und natürlich, ob es Festival-Geheimtipps gibt.

Monsters: Stellt Euch doch bitte kurz vor und erklärt unseren Leser_innen, was das Antifee ist – für den Fall, dass sie es nicht eh schon wissen.

Antifees: Am 15. und 16. Juni 2012 findet auf dem Göttinger Uni-Campus das diesjährige Antifee statt. Das „Festival für feministische Gesellschaftskritik“ hat den Anspruch Kultur, Politik und Party zu verbinden und bietet jedes Jahr aufs Neue bis zu 3000 Besucher*innen ein ansprechendes und spannendes Programm, das dazu noch komplett umsonst ist. Organisiert von einem kleinen Vorbereitungsteam und lediglich finanziert aus Spenden, Stiftungsbeiträgen und Mitteln der studentischen Selbstverwaltung gelingt es seit inzwischen sechs Jahren mit Hilfe von Unterstützer*innen aus Stadtgruppen, studentischen Initiativen und überregionalen Kontexten ein Festival auf die Beine zu stellen, das mittlerweile sowohl eine feste Institution in Göttingen als auch weit darüber hinaus darstellt.
Als Festival mit einem explizit antisexistischen Selbstverständnis möchte das Antifee sowohl feministische Politik fördern und öffentlich machen, als auch eine Plattform für Debatten, Kontroversen und Diskussionen bieten. Auch andere Formen gesellschaftlicher Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt sollen auf dem Festival kritisch hinterfragt und betrachtet werden. Dementsprechend haben auch Themen wie etwa Nationalismuskritik oder Antirassismus ihren festen Platz im Programm.

Auf dem Antifee gibt es nicht nur Konzerte – mindestens genauso wichtig sind die zahlreichen Workshops, Vorträge, Lesungen, Podiumsdiskussionen & Gesprächsrunden, Filme und Ausstellungen. So finden 2012 Workshops u.a. zu den Themen „Sexismuskritische Praxen“, „Antisemitismus von links“ oder „Polyamorie“ statt. Musik gibt es z.B. von der Berliner Rapperin Sookee, der Sängerin Ira Atari vom Label Audiolith oder Bell’s Roar aus New York. Aber auch abseits vom Programm des Festivals lassen sich gute Gespräche mit netten Menschen führen.
Damit es möglichst vielen Menschen gut geht auf dem Antifee wird ein großer Schwerpunkt auf die Umsetzung antisexistischer Praxis gelegt. So gibt es ein FLT*-Zelt, eine Ansprech-/Awarenessgruppe und ein antisexistisches Sicherheitskonzept.

Das vollständige Programm, Pennplatzbörse, Mitmachmöglichkeiten und alle weiteren Infos findet ihr auf www.antifee.de!

Monsters: Das Orga-Team des Antifee verändert sich von Jahr zu Jahr stark. Auch dieses Mal sind wieder überwiegend Neulinge dabei. Wie sind Eure Erfahrungen damit und welche Probleme bringt das eventuell mit sich?

Antifees: Dieses Jahr hat es viel Zeit eingenommen sich in der Orgagruppe zusammenzufinden und politische sowie persönliche Ansichten auszutauschen, um eine gemeinsame Planung möglich zu machen. Deshalb haben wir erst ziemlich spät mit der kleinteiligen Orgaarbeit anfangen können. Von großen Unterschieden in Planungserfahrung und unterschiedlichen Wissensständen konnten wir einerseits profitieren, andererseits hat es viele Diskussionen über Kontinuitäten und nötige Neuerungen gegeben.
Trotz einiger kleinerer und größerer Auseinandersetzungen haben wir uns aber mittlerweile als Gruppe gefunden und sind ein kleiner Freundeskreis geworden. Unterschiedliche politische und persönliche Einstellungen gibt es natürlich weiterhin, aber schießlich wissen wir alle, worauf wir hinarbeiten.

Monsters: Das erste Antifee vor sechs Jahren haben ganz andere Leute organisiert, Ihr seid ja ein komplett neues Team. Inwiefern steht ihr da trotzdem in einer Art Tradition des Festivals?

Antifees: Einige haben schon frühere Antifees mitorganisiert und konnten deshalb ein gewisses Maß an Kontinuität in die strukturelle und inhaltliche Organisation einbringen. Viele aus dem Team waren zudem bereits mehrfach Besucher*innen des Festivals und hatten hauptsächlich aus diesem Grund Lust, das Festival erneut möglich zu machen. Auch wurden wir dieses Jahr tatkräftig von Orgamenschen der früheren Antifees immer wieder auf Probleme hingewiesen und bei Fragen jeglicher Art unterstützt.

Generell ist es aber mit jedem neuen Orgateam so, dass diskutiert wird, inwieweit Kontinuitäten und Strukturen beibehalten werden können oder wo sie verändert werden müssen. Am Ende gilt dann für das Team und auch für das Festival, was auch schon im letzten Jahr bei Eurem Interview gesagt wurde: “Jedes Mal ein bisschen anders.”

Monsters: Woher kommt der Mottowandel hin zu „Festival für feministische Gesellschaftskritik“? Fällt da nicht thematisch etwas hinten runter, das bei dem Festival mal eine größere Rolle gespielt hat, nämlich die Kritik an der Nation?

Antifees: Auch wenn der Begriff Nationalismus bereits im letzten Jahr aus dem Untertitel verschwunden ist, heißt das nicht, dass diese Thematik unwichtig geworden ist. Wir haben durch die Veränderung zunächst einmal versucht, den etwas sperrigen Untertitel des Vorjahres präziser und kürzer zu gestalten. Außerdem verstehen wir unseren Ansatz feministischer Gesellschaftskritik nicht als isolierte Perspektive, sondern sehen Kapitalismus- und Nationalismuskritik als notwendig damit verbunden.

Viele der Themen und Projekte, die ins Antifee involviert sind, setzen sich konkret mit deutschen Zuständen auseinander, so dass das Konzept Nation und die Kritik daran vor diesem Denk- und Handlungshintergrund nie aus dem Blick gerät.

Und nur so am Rande, Antifee loves Vorrundenaus!

Monsters: In den vergangenen Jahren war es erklärtes Ziel des Antifee, keine reinen Männerbands auf der Bühne zu haben. In diesem Jahr habt Ihr auch solche Bands angefragt. Woher der Sinneswandel?

Antifees: Das ist so nicht richtig. In den ersten Jahren des Antifees hat es einige “reine Männerbands” auf der Bühne gegeben. Der Anspruch, eine solche Dominanz hegemonialer Männlichkeit zu vermeiden, ließ sich erst später verwirklichen. Und auch wir sehen uns diesem Grundsatz verpflichtet und haben bei den Einladungen darauf geachtet, nicht die üblichen Muster und Verhältnisse anderer Festivals zu reproduzieren.

Was in eurer Frage allerdings ausgeblendet bleibt, ist die Möglichkeit “queeren Männlichkeiten” Raum zu geben, ohne hegemoniale Dominanz zu unterstützen. Die meisten der angefragten Personen verstehen sich selbst nicht als männlich und/oder repräsentieren subversive Formen von Genderperformances. Nur weil einige Künstler*innen männlich wahrgenommen werden, repräsentieren sie nicht automatisch Konzepte von hegemonialer Männlichkeit. Trotzdem finden wir es wichtig, sich kritisch mit männlicher Dominanz auseinanderzusetzen.

Monsters: Wen würdet ihr eigentlich als eure Zielgruppe sehen? Einerseits ist das Antifee ja ein Festival, bei dem emanzipatorische Inhalte für viele Leute sichtbar werden. Andererseits wirkt zum Beispiel das Workshop-Programm eher so, als richte es sich hauptsächlich an die akademische Elite…

Antifees: Im diesjährigen Orga-Plenum wurde viel über Barrierefreiheit gesprochen und wir haben versucht das Programm auch auf inhaltlicher Ebene so barrierefrei wie möglich zu gestalten. Wir haben uns bemüht das Workshopangebot vielseitig zusammenzustellen, sind aber natürlich auch auf Referent*innen angewiesen, die auf unsere Anfragen antworten. Es gibt auf jeden Fall wieder Einsteiger*innenworkshops, Kreativ- und Bastelworkshops, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen, die für Besucher*innen mit unterschiedlichen Interessen und Vorkenntnissen ansprechend sein können.

An dieser Stelle vielleicht ein Zitat aus unserem Selbstverständnis: “Wir sind uns darüber bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit darstellt, dass wir die Möglichkeit, das Wissen und den Background haben mit dem wir ein feministisches Festival organisieren können. […] Wir sind uns darüber bewusst, dass es auch uns nicht möglich ist, alle Hürden für alle Menschen abzubauen. Wir bemühen uns aber um eine möglichst niedrigschwellige und barrierefreie Gestaltung ohne dabei hinter unseren feministischen & gesellschaftskritischen Anspruch zurückzufallen”. Emanzipatorisch heißt für uns nicht nur alle für feministische Kritik zu sensibilisieren. Es ist ebenso emanzipatorisch, denen, welche gezwungenermaßen mit Diskriminierungs- und Ausgrenzungsmechanismen konfrontiert sind, die Möglichkeit zur Selbstermächtigung zu bieten.

Monsters: Es sind nur noch wenige Tage bis zum Festival – könnt ihr euch überhaupt darauf freuen oder seid ihr nur noch im Orga-Stress?

Antifees: Gute Frage… Es ist auf jeden Fall eine große Belastung, die aber gleichzeitig Spaß macht und uns alle persönlich weitergebracht hat. Wenn wir so zurückblicken haben wir viel gelernt und wurden von zahlreichen Menschen bei dem Orgaprozess unterstützt. Mit dem Druck der Erwartungen anderer umzugehen war schwierig, aber innerhalb des Plenums, durch die Unterstützung untereinander, leichter zu tragen. Letztendlich ist es ein Wahnsinnsgefühl mit viel Hilfe und in Eigenregie ein Festival entstehen zu lassen, auf das sich jedes Jahr ganz viele Leute von überall her freuen.

Monsters: Welchen Geheimtipp würdet ihr den Besucher_innen mit auf den Weg geben? Was sollte niemand verpassen?

Antifees: Der ultimative Geheimtipp: Versteht euch als aktiven Teil des Festivals, dann wird es schön für alle!

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