Antitainment – auf ein neues!
von John K. Doe am 22. Oktober 2007 veröffentlicht in Musik, Platten, TexteAntitainment begann anders. Aus einem Witz, aus einem Wahnwitz. Der Bodensatz aus dem die Band dereinst gedeihen sollte, traf sich einstmals eher halbchaotisch und ohne das Instrumente wirklich beherrscht wurden, sandte man ein Demotape zu einem Talentwettbewerb. Auf diesem Tape gab eine schwedische Poppunkband ihr Bestes – Antitainment entstanden ein paar Experimente später. Über einige dieser Stadien sei der Schleier des Schweigens gelegt.
An anderen Stellen hatte man die Qualität der Band längst erkannt – nur nicht bei mir. Als ich Antitainment das erste Mal gesehen habe, verzog ich mich in eine dunkle Ecke. Antitainment fanden alle total gut und da ich dem Pöbel keine Urteile zutraue (und zumindest in Göttingen eigentlich nicht ohne Grund), beschloss ich die Band grundsätzlich nicht zu mögen. Dann, auf der zweiten Show der Band in meiner Wahlheimat, konnte ich der Darbietung des Frankfurter Quartetts nicht aus dem Weg gehen. Danach kaufte ich ohne zu zögern die Platte, es wurden Worte gewechselt und es entstand das, was einer brauchbaren Plattenrezension immer im Wege steht: eine Beziehung. Auf „Cooler Plattentitel“ schafften Antitainment das Kunststück, kurz und bündig zu erklären, was auf einem Hardcore-Konzert im Allgemeinen geschieht:
„Ey, ihr dahinten in der ersten Reihe, ihr habt’s gecheckt ,worum es hierbei geht: blöde rumstehen, genauso aussehen und dann klatschen, am Ende von jedem Lied.“
Diese Wahrheit garnierte die Band sofort mit einem Refrain, den heute jede Antitainment-Show beherrscht und der wirklich immer im Kopfe kreist, so ich zum Beispiel hier die eine oder andere Show ankündige: „Antitainment – viel besser als deine Band!“
Wir kümmerlichen Musikkonsumenten kennen das Gefühl genauso wie es Bands kennen: Das schwierige zweite Album. Da ich das Frühwerk Antitainments vor „Cooler Plattentitel“ nicht kenne, bleibt also „Nach der Kippe Pogo!?“ für mich eben diese schwierige Platte. Als ich die Aufnahmen dann vertraulich zugesteckt bekam, ließ ich mich beruhigt in den Sessel fallen. Die Prüfung ist der Band geglückt, „Nach der Kippe Pogo!?“ besitzt weiterhin alles, was Antitainment besonders macht. Eine Band mit deutschen Texten, Texte die nicht peinlich moralisieren oder witzig unwitzig dahinkleistern, und immer mal durchaus gewagten Songstrukturen. Ein Beispiel: in „Subkultur brought to you by ‚Sparkasse Hanau’“ fetzt zunächst ein Intro los, das jeden Lederwestenträger mit Burzum-Aufnäher entzücken würde (ein Kunststück, welches die Band in „Die Metal-Mosh-Maschine“ nochmals beherrscht). Eine Platte, die gleichzeitig einfach und schwierig ist. Stellenweise bekommt man den Eindruck, die Band würde sich zu Tode zitieren im Wust der Musikstile. Es orgelt reichlich, man glaubt auf Elektronik zu setzen und schon wird man von einem Moshpart abgeholt, wie er nicht klischeereicher sein könnte. Wem nach Form ist, der kann hier einen veritablen Nervenzusammenbruch erleiden. Die Schublade geht Schiffbruch, Gratulation zum zweiten Mal. Im geordneten Chaos teilt die Band weiterhin aus, vor allem in Richtung der eigenen Zielgruppe „Home is where the Hardcoreshow is, denn hier kenn ich mich aus“ Auch bei den Texten bleiben sich Antitainment also treu, nie gerade geschrieben – mit Mut zur Wahrheit auch wenn es an den eigenen Kragen geht. Oder auch mal ganz andere Themen! Ich habe zumindest nie mehr Wahrheit über Wasserrutschen gelesen als in „Waterride the Lightning“ – aber das ist auch kein Kunststück bei einer Band, die diesem Sport in profihafter Manier seit Jahren nachgeht. Am rundesten klingen Antitainment in „Unkonkret vs. Wahllos“ – das ist Antitainment in einem Song verdichtet, natürlich mit einem geilen Mitgrölrefrain.
„Nach der Kippe Pogo!?“ erhält von mir das Prädikat „Unbedingt“. Besorgt euch die Platte, lernt die Texte, denn Antitainment spielen am 26.10. im T-Keller Göttingen:
„Ich bin always Hardcore und dass ist auch wohlbekannt, denn bei mir Zuhause steh`n die Klassiker im Plattenschrank. Und bevor ich’s vergess’, ich hab Zuhause die relevanten Textzeilen schnell noch auswendig gelernt.“
P.S.: Klassiker im Plattenschrank? Wer vinylverliebt ist, sollte sich beeilen – Gerüchten zufolge ist „Nach der Kippe Pogo!?“ fast vergriffen…
Erschienen auf Zeitstrafe und Fiese Asseln Youthcrew Records
me is fan
textlich gut aber: „Stellenweise bekommt man den Eindruck, die Band würde sich zu Tode zitieren im Wust der Musikstile.“ den eindruck hab ich nicht nur stellenweise, sondern durchgängig beim hören ihrer musik, auch live. einen bonuspunkt gibts aber noch für das durch den kakao ziehen von hardcore klischees.
das mit den zitaten finde ich ja super!