Kommentar

Gedanken und Fragen zum Naziaufmarsch in Bad Nenndorf
von am 9. August 2012 veröffentlicht in Neonazis, Soziale Bewegungen

Am 04.08.2012 war es zum siebten Mal so weit: In Bad Nenndorf nahe Hannover machten sich Neonazis aus verschiedenen Ecken Deutschlands daran, an Folterungen von Nazifunktionären im lokalen Wincklerbad der Nachkriegszeit zu erinnern. Die Gegenproteste war dank guter und langfristiger Mobilisierung groß. Unverkennbar war jedoch ein Riss, der die „Mitte“ von den „Linksextremen“ trennte. Spaltungen sind der linken Szene bekanntermaßen nicht unbekannt und haben schon in so manchen Fällen zur Unterausnutzung von Widerstandspotenzial geführt.

In diesem Fall ist es wohl ähnlich. Auch wenn sich viele Unterstützer_innen von „Bad Nenndorf ist bunt“ gegen das Etikett ‚links‘ wehren würden, handelt es sich um ein urlinkes Anliegen. Nachdem es anfangs in der Zusammenarbeit noch nicht danach aussah, war der Grund des Zerwürfnisses die Frage nach Blockaden oder nicht. Von bürgerlicher Seite werden diese zu großen Teilen, zumindest in diesem Falle, abgelehnt. Auch wenn deren Proteste an der Strecke wohl einen guten Teil beigetragen haben, den Nazis den Spaß zu verderben, hätte doch ein entschlossenes Eintreten der lokal Ansässigen für die Blockade so viel mehr erreichen können. Es stellt sich die Frage: Warum wollen sie sie laufen lassen? Oft hört man das Mantra der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Doch dürfte wohl vielen auch dieser Satz bekannt sein: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.“

Tritt man einen Schritt zurück, so fällt der Blick auf einen gesellschaftlichen Diskurs, der seit der Gründung der Bundesrepublik schwelt und heute zur Lieblingstheorie von Niedersachsens Innenminister Schünemann aufgestiegen ist: die Extremismusformel. Eine gute Mitte und schlechte Ränder, die sich in ihrer Abscheulichkeit und Gefährlichkeit annähernd gleichen. Von Menschen inner- und außerhalb des linken Spektrums (wenn man sich dieser Einteilung überhaupt bedienen möchte) zerrissen und verurteilt, lebt der Extremismus der Mitte in den Köpfen der Mehrheitsgesellschaft. Findet sich hier der Grund für die Ablehnung? Ist allein der Gedanke an die Klassifikation einer Aktion als linksradikal, Grund sie abzulehnen? Weil man dann ja mit den Schmuddelkindern spielen würde?

Zum Glück kann auch trotz der Spaltung dieses Jahr von einem Etappenerfolg gesprochen werden: Es waren deutlich weniger Neonazis am Marschieren als die letzten Jahre. Sie wurden lange aufgehalten und mussten teilweise lange Fußwege zurücklegen, um teilnehmen zu können. Zu verdanken ist dieser Umstand wohl weniger den Bürgerlichen an der Strecke, sondern den Blockaden in Form einer Betonpyramide beim Wincklerbad (Ort der Endkundgebung), der Blockade des Bahnhofs durch acht Aktivistinnen, die sich mittels Fahrradschlössern aneinander ketteten und der Verweigerung einiger Busfahrer, die Nazis aus dem nächstgelegenen Dorf nach Bad Nenndorf zu chauffieren. Heißt dies, dass dergleichen Aktionen die Zukunft gehört? Zumindest in einem leicht abzuriegelnden Ort wie Nenndorf?

Die Polizei ist weiterhin nicht zimperlich, wenn es um „normale“ Blockaden geht, wie brutale Szenen der Räumung von Blockierer_innen am Bahnhof und an einem Bahnübergang zeigen. Sie gibt sich größte Mühe, den Marsch der Rechten zu ermöglichen, wie das Beispiel „Nazishuttle“ vom nächsten Bahnhof zeigt. Wo liegt hier die Grenze? Wie weit sollte und darf die Polizei gehen?

Fragen, die wohl allerspätestens in einem Jahr wieder Relevanz haben werden. Wer den Aufmarsch verhindern will, sollte sie sich schon etwas früher stellen.

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