Statt „Rundem Tisch“

Treffen im Hinterzimmer
von am 23. November 2010 veröffentlicht in Politik, Polizei & Justiz, Titelstory

Die Göttinger Polizei will sich nicht mit den sozialen Bewegungen der Stadt an einen Tisch setzen. Polizeipräsident Robert Kruse hat einen entsprechenden Ratsbeschluss aus dem Mai in den Wind geschlagen. Er will sich stattdessen unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit den Ratsfraktionen treffen, um gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft über polizeiliche Ermittlungen bei Vorfällen mit politischem Hintergrund zu informieren.

Der Rat hatte beschlossen, einen „Runden Tisch demokratisches und friedliches Göttingen“ einzurichten. Teilnehmer sollten die Verantwortlichen aus Politik, Justiz und Polizei in Göttingen als auch Mitglieder der „Initiative für gesellschaftliches Engagement – gegen Kriminalisierung und politische Justiz“ (IfgE) sein. Hintergrund waren Vorwürfe, Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz würden gezielt gegen linke AktivistInnen vorgehen und diese kriminalisieren. Der Rat hatte in seinem Beschluss betont, dass bei den Gesprächen alle Beteiligten zu Wort kommen sollten.

Die „Initiative für gesellschaftliches Engagement – Gegen Kriminalisierung und politische Justiz“ ist ein Zusammenschluss unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Akteure aus Göttingen. Gruppen von der Antifa über die Kreisverbände von Grünen und Linken bis hin zu Gewerkschaften und Attac haben sich im Frühjahr zusammen getan, um sich in die „Kriminalisierung politischen Engagements und von Protesten einzumischen.“ In einer Analyse kommt die Initiative zu dem Schluss, dass „zur Abschreckung“ gegen einzelne AktivistInnen „Strafverfahren mit (teilweise) konstruierten Tatbeständen“ eröffnet würden. Dafür würden sogar „Vorwürfe erfunden und schließlich Straftaten wie Widerstand, Landfriedensbruch oder Beleidigung konstruiert.“

Dazu wird es nicht kommen. In einem solchen Runden Tisch käme ein Misstrauen gegen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten zum Ausdruck, das Polizeipräsident Kruse „in keiner Weise“ teilt. Das schrieb der Polizeichef in seiner Absage an Oberbürgermeister Wolfgang Meyer (SPD). Zudem sei ein solches Gremium verfassungsrechtlich und gesetzlich nicht geeignet, polizeiliche Maßnahmen und Verfahren zu bewerten. Auch Oberstaatsanwalt Hans-Dieter Apel lehnte eine Teilnahme ab und wies die zu Grunde liegende Kritik „mit Nachdruck zurück“.

Für Mittwochabend, 19 Uhr, hat Oberbürgermeister Meyer nun zu einem Treffen zwischen Fraktionen, Polizei und Staatsanwaltschaft im Ratssaal eingeladen. Die Öffentlichkeit soll jedoch draußen bleiben. Von „Hinterzimmerpolitik“ spricht deswegen die IfgE. Stadtsprecher Detlef Johannson sagte, Polizei und Staatsanwaltschaft hätten den nichtöffentlichen Charakter zur Voraussetzung des Treffens gemacht. Deshalb wäre dies die einzige Möglichkeit, „dem Geist des Ratsbeschlusses halbwegs zu entsprechen.“


Schafft lieber Tatsachen als Gespräche: die Göttinger Polizei

Die IfgE hat die Fraktionen aufgefordert, nicht an dem Treffen teilzunehmen. Sie sollten gegenüber der Polizei weiter auf einer öffentlichen Auseinandersetzung bestehen. Teilnehmen werden wohl dennoch alle Fraktionen. „Warum soll ich da nicht hingehen?“, fragt der grüne Fraktionsvorsitzende Rolf Becker. „Anhören kann ich mir das.“ Dennoch sei dieses Treffen „etwas ganz anderes“ als der vom Rat geforderte Runde Tisch, so Becker. „Wir sind damit nicht zufrieden, weil es keine Kommunikation zwischen Bürgern und Polizei gibt.“ Auch die Fraktion der Göttinger LINKEN will die Teilnahme nicht verweigern, behält sich aber Protestaktionen während der Sitzung vor. „Herr Kruse denkt als ehemaliger leitender Mitarbeiter des niedersächsischen Verfassungsschutzes immer noch in geheimdienstlichen Kategorien“, kommentiert Linken-Ratsherr Patrick Humke-Focks.

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4 Kommentare auf "Treffen im Hinterzimmer"

  1. Nome sagt:

    Uhu, interessant, auch wenn der Artikel etwas intensiver die politische Bedeutung hätte Beleuchten können, da gefällt mir aber sehr gut die Bildunterschrift: „Schafft lieber Tatsachen als Gespräche: die Göttinger Polizei“ Gut, das erklärt es eigentlich auch hinreichend.
    Sind denn schon irgendwelche „Antworten“ aus außerparlamentarischer Sicht geplant?
    LG und weiter so!

  2. Uli-E sagt:

    Gespannt ob es ein Leak der Gespräche gibt.

    Ins Rathaus, ausser den Ratsaal, kam man ja dann nachdem Patrick Humke-Focks eine öffentliche Fraktionssitzung abhielt. Meine Erste 🙂

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