Diskussion um Göttinger BFE

Wind und Gegenwind
von am 14. Mai 2014 veröffentlicht in Polizei & Justiz, Titelstory

Die Göttinger BFE bei einem ihrer ersten Einsätze im Februar 2012.

Nach der Brandstiftung am Privatwagen eines Angehörigen der Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit (BFE) reisst die Diskussion um deren Auflösung nicht ab. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius stellte sich nun hinter die umstrittene Spezialeinheit. Er sehe keinen Anlass, über eine Auflösung nachzudenken. Derweil fordert das Bündnis „Extrem Daneben!“ weiter die Abschaffung.

Seit ihrer Gründung war die BFE immer wieder negativ in die Schlagzeilen geraten, da sie außerordentlich brutal und unverhältnismäßig agiere. Zuletzt forderten über 40 Gruppen und Einzelpersonen in einem von der Grünen Jugend initiierten offenen Brief ihre Auflösung. In einer Pressekonferenz am Montag stellte Pistorius nun klar, dass sich die Landesregierung von der Grünen Jugend „kein Ultimatum stellen“ lasse. Pistorius hatte als oberster Dienstherr anlässlich der jüngsten  Entwicklungen das Gespräch mit den Angehörigen der BFE-Einheit gesucht.

Pistorius stellt sich hinter die Einheit

Während der Konferenz stellte er sich klar hinter die Einheit und nahm sie gegen die genannten Vorwürfe in Schutz. So habe sich etwa die Gewalt bei der versuchten Abschiebung vor drei Wochen daraus ergeben, dass Beamte angegriffen worden seien. Die Tatsache, dass es keine Anzeigen gegen die eingesetzten Beamten gebe, spräche klar für eine gerechtfertigte Gegenwehr. Dass Anzeigen gegen die Polizei nur selten zu Anklagen oder gar Verurteilungen führen, aber fast immer zu Gegenanzeigen, erklärt diesen Umstand allerdings genau so gut, wenn nicht besser. Darauf weist die Sprecherin des Bündnis „Extrem Daneben!“, Anja Mitscherlich, in einer ausführlichen Stellungnahme hin: „Es gibt keine Anzeigen gegen Polizist_innen, weil es dafür statistsich gesehen so gut wie keine Erfolgsaussichten vor Gericht gibt.“ So seien etwa acht Anzeigen gegen BFE-Beamte nach dem umstrittenen Einsatz im Zentralen Hörsaalgebäude im Januar 2012 eingestellt worden, weil die Täter_innen nicht identifizierbar waren.

Ein brennendes Auto als Interventionsanlass

Das Bündnis kritisiert, dass die Polizei die Brandstiftung nutze, um von Problemen abzulenken und in eigener Sache Politik zu machen: „Die Polizei macht sich lächerlich, wenn sie in ihrer Presemitteilung vom 5.5. behauptet, es sei falsch den Brand des Autos als „Argument“ in einer politischen Diskussion zu nutzen, nur um dann selber damit Politik zu machen“, so Mitscherlich. Dass sich die Polizei als politischer Akteur verhalte sei „sehr bedenklich, aber nicht neu.“ Tatsächlich hat sich die Form der Debatte um die Göttinger BFE gewandelt. Stand die Einheit noch vor wenigen Wochen wegen brutaler Einsätze mit zahlreichen Verletzten in der Kritik, steht nun ihre Betroffenheit von linker Gewalt und ihr Leiden unter dem schlechten Image im Vordergrund. An die Stelle von Bildern bewaffneter und gepanzerter Polizisten im Kinderzimmer einer Souterrain-Wohnung sind Bilder von betroffenen Politikern gewichen, die für Mitleid und Verständnis werben. So sagte etwa Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei: „Der Brandanschlag auf das Auto eines Polizisten ist ein Angriff auf die Gesellschaft!“. Thomas Adasch, polizeipolitischer Sprecher der CDU im niedersächsischen Landtag beklagte die „Diffamierung“ der BFE und stellte einen Zusammenhang zwischen der schlechten Berichterstattung und dem Brand her.

Ein „Wenn“ als Politikum

Dabei ist der Hintergrund der Brandstiftung keineswegs geklärt, wie selbst Pistorius während der Pressekonferenz einräumen musste. Ein privates Motiv ist demnach ebensowenig ausgeschlossen wie ein zufällig auf das BFE-Mitglied gerichteter Anschlag. Zudem ist auch eine Reihe von Hintergründen und Tatmotiven denkbar, die gänzlich anderer Natur sind, vom Versicherungsbetrug bis hin zu einem gezielten Versuch, eine linke Gewalttat zu inszenieren. Hierfür spräche sogar das Fehlen eines Bekennerschreibens. Dennoch wird der Anschlag von der Polizei, dem Innenminister und Lobbyisten in den Kontext der Kritik an der BFE gestellt, um Politik für diese zu machen. Die Diskussion ist seit der ersten Pressemitteilung der Göttinger Polizei eine nach dem Schema „Wenn es so ist, dass es sich um einen politisch motivierten Anschlag handelt, dann…!“. Beweise gibt es dafür aber noch immer nicht.

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