Chrome Hoof: Heavy Metal Disco!
von am 29. Januar 2008 veröffentlicht in Platten, Rezensionen, Texte

Unter Leuten, die sich mit Musik beschäftigen, entwickeln sich in aller Regel nach einiger Zeit Mechanismen. Dabei handelt es sich in aller Regel um kurze Geschmackstests, die sich meistens im Hinterkopf abspielen. So war das auch mit „Pre-Emptive False Rapture“ von Chrome Hoof. Ein interessantes Cover machte mich an, auf die Frage, worum es sich dabei handeln würde, wurde mir nur der Name einer Person genannt, die, so wörtlich, die Platte zum erbrechen finden würde. Genau das war gewissermaßen der Startschuss zum Geld ausgeben. Wenn dieser Mensch es hasst, dann muss ich es lieben.
Jetzt stehe ich einem Hörerlebnis gegenüber, das selbst ich erst einmal verkraften muss. Kommen wir erstmal zu den blanken Fakten. Chrome Hoof, das ist ein Musikerkollektiv aus London um die Brüder Leo und Milo Smee. Vielleicht wird der eine oder andere bereits jetzt aufhorchen – Leo Smee ist Bassist der Doom-Metal Legende Cathedral. Milo Smee hingegen hat sich mit verschiedenen Projekten einen Namen gemacht, die man eher in den Bereich Discopunk stecken würde. Um diese beiden Brüder, deren musikalischer Output verschiedener nicht sein könnte, sammeln sich nun ganz verschiedene Instrumente und: zwei Tänzer. Allein diese Fakten zu verkraften, noch ohne das Projekt an sich zu Gehör bekommen, ja, das braucht Fantasie. Genau letzte hätte zumindest bei mir nicht gereicht, um mir auszumalen, wie sehr mich Chrome Hoof auf die Probe stellen.

Einer Gebetsmühle nicht unähnlich fleht man immer wieder nach der großen Abwechslung, der großen neuen Idee, DEM neuen Ding. Wenn es dann da ist, tut man sich schwer. Chrome Hoof entziehen sich jedem Vergleich. In Chrome Hoof ist alles ein bisschen. !!!, The World/Inferno Friendship Society, Classic-Rock, Free-Jazz und so eine Prise Andrew Lloyd Webber Dramatik. Das kann nach hinten losgehen! Nur das Chrome Hoof jeden eingeschlagenen Pfad im nächsten Moment schon wieder verlassen und man nicht mehr die Chance hat, das ganze zu überdenken. Sie selbst nennen das übrigens „Electro Doom Space Ritual“. Grandios! „Pre-Emptive False Rapture” ist eine außerordentlich rhythmusbetonte Platte, ein erbarmungsloses Schlagzeug, das am ehesten bei Metal in der Schule war, doch dann kommen doch die Disco-Beats, die, Chrome Hoof bleiben den Anachronismen treu, auf Bläsersätzen basieren. Vorne rattert derweil Soulstimme Lola Olafisoye mit Afro und Gesichtsbemalung Befehle ins Mikrophon, das hier eher Waffe als Instrument ist. Manchmal gibt es waschechte Funk-Anleihen, die es zumindest mir dann echt verderben. Live drehen Chrome Hoof in dieser Konsequenz weiter durch. In reichlich Glitzer gehüllt darf hier der Teufel auch mal zu Soul tanzen. Ob es noch eine Band gibt, die sich als Einflüsse sowohl Slayer als auch Acid House und Kate Bush auf die Fahne schreiben? Interessanter wäre vielleicht noch, ob es eine Band gibt, die das in einer ähnlichen Weise derartig konsequent auslebt. Was wohl Cathedral-Fans mit dieser Platte machen würden? Eine fulminante Platte, die hinhören erfordert. Wer das nicht kann, sollte auf vertrauten Pfaden weiter der Langweile entgegenschreiten!

Chrome Hoof „Pre-Emptive False Rapture” ist auf Southern Records erschienen. Schönes, massives Doppelvinyl!

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6 Kommentare auf "Chrome Hoof: Heavy Metal Disco!"

  1. Klaus sagt:

    Das musst du dir auch mal antun. Hat mir gestern wer gezeigt: Drum & Bass in Gitarre und irgendwie abgefahren: http://de.youtube.com/watch?v=H5prDapNXt4

  2. ARTE hatte die letzte Woche bei Tracks. Dort wurde schon an einer neuen Schublade gebastelt in die neben Chrome Hoof auch die Noisettes und Ebony Bones geschmissen wurden. War nicht ganz logisch. Die Sendung müsste die tage noch bei arte.tv zu sehen sein.

  3. John K. Doe sagt:

    guter tip. ich hatte an diversen stellen gehört, dass die live unfassbar wären. der schubladen-versuch kann bei der band nur nach hinten losgehen. hast du die platte? mich interessieren andere meinungen dazu.

  4. John K. Doe sagt:

    eine anmerkung vielleicht noch. ich finde die lp insgesamt echt gut – muss aber einräumen das die b-seite echt grenzwertig ist. seite 3 (doppel-LP) ist einfach nur grandios!!!!!

  5. Klaus sagt:

    Chrome Hoof, ganz viel Licht und wenig Schatten

  6. fabbal sagt:

    @klaus man kann sich ein set von denen runterladen
    mir gefällts
    is irgendwie cool

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