Musik
Jens Raschkes Reise in die Welt der sonderbaren Töne
21. November 2007
William Shatner ist ein mutiger Mann. Nicht nur das er als mutiger Cop elegant und legendär wie kein anderer über die Motorhaube eines Ford LTD in Polizeiausführung schlidderte (Star Trek lassen wir ganz unerwähnt) – 1968 war er mutig genug eine Platte aufzunehmen, die den klingenden Titel „The Transformed Man“ trug. Wing Han San ist eine mutige Frau. Die Hong Kong-Chinesin im Neuseeländischen Exil schaffte nicht nur in ihrem Job als Krankenschwester – sie besaß auch den Mut talentfrei Platten aufzunehmen, angefüllt mit höchst eigenen Interpretationen von den Carpenters oder AC/DC. Johnny Bode ist ein mutiger Mann. Der Schwede ist ausgestattet mit einer durchweg hanebüchenen Biographie und einer ebenso hanebüchenen musikalischen Hinterlassenschaft. Bode schaffte es in der großen Zeit der beginnenden Pornoindustrie diese inhaltlich in Noten und Text zu fassen und auf Vinyl zu pressen. Jens Raschke ist ein mutiger Mann. Jens Raschke ist im Grunde genommen die mutigste Persönlichkeit aller hier genannten. Irgendwann ist Jens Raschke in einen musikalischen Bereich geraten, der nicht zu unrecht mit „incredibly strange music“ umschrieben werden kann.
108 – Harte Musik? Heiliger Bimbam!
13. November 2007
Es ist so eine Sache mit harter Musik. Früher war ich im gerade ausgebrochenem postpubertären Wahn der Idee verfallen, dass durch besonders hartes Auftreten meine Chancen in der Frauenwelt um ein vielfaches steigen würde. Im Nachhinein eine ziemlich dämliche Vermutung, damals erschien mir dies jedoch hochgradig plausibel. Für einen Hänfling wie mich bedeutete das ein möglichst expressives hartes Erscheinungsbild auf dem Dancefloor des örtlichen Provinz-Tanzclubs. Die Art von Laden, bei denen man in der Pubertät die tollsten Ideen hatte, was da wohl für Leute ein und ausgehen. Wenn man selber in den Morast eingetaucht war, verschwand diese Faszination sofort, denn die vormals geheimnisvollen Gestalten erwiesen sich schnell als Nullen vom Format meiner selbst. Aber man lebte nun vom Nimbus, der einem selbst nun von Außenstehenden angedichtet wurde. Als ich in harter Musik versuchte mich, bei wem auch immer, anzubiedern, dann meinte ich damit Bands wie Faith No More oder Rage Against The Machine. Nirvana und Pearl Jam empfand ich zwar auch als ultrahart (was mir selbst schleierhaft erscheint, wenn ich im Nachhinein mal „Ten“ von Pearl Jam auflege), aber mir wurde schnell beigebracht, dass diese sowieso nicht „Independent“ genug wären. Fragen stellte ich damals keine, ich gehorchte den Gesetzen.
Tom Tonk und 34 Schallplatten
11. November 2007
„Über Musik schreiben ist wie zu Architektur tanzen“, ein oft gewähltes Zitat, wenn sich der ein oder andere Rezensent schüchtern für sein Werk entschuldigen mag. Welch eine kolossale Fehleinschätzung. Welch unnötiges Konstrukt, wenngleich ich die Vorstellung tanzender Architekten nicht ganz verwerfen möchte. Natürlich kann man über Musik schreiben. Man kann sogar ganz hervorragend über Musik schreiben und zwar besonders dann, wenn man die Fähigkeit besitzt das Ohr, das Auge und den Stift (meinethalben auch die Tastatur) über den Rand der Platte hinaus zu werfen. In einer guten Rezension, oder in einem guten Text über Musik, muss ausgerechnet diese nicht unbedingt die erste Geige spielen. Das wäre todlangweilig und interessiert eh keine Sau. Tom Tonk scheint genau das begriffen zu haben und verschont uns mit langweiligen Texten, die ungefähr referieren, dass die erste Platte ja viel besser war und alles andere eben Scheiße. Nun, mit Abstufungen. Denn wenn es zumindest um AC/DC geht, gibt es kein vertuen. Nach Bon Scott war bei AC/DC alles anders, wie Tonk so schön schreibt. Des Pudels Kern ist, dass Tonk damit AC/DC völlig ausreichend abgehandelt hat und uns nun mit einer Unmenge Nebeninformationen beschenkt. Lebensweisheiten, die sich Tonk hart erarbeitet hat, mit viel Alkohol und
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Situation Leclerq
9. November 2007
Am 23. November beehrt uns die Elektrodiscorockformation Situation Leclerq aus Hannover/Hamburg in der Rodeobar. Hier nun schonmal ein kleiner Vorgeschmack in Form eines exklusiven Mailinterviews mit dem Bassisten Robert über musikalische Vorbilder, Tourerfahrungen und Bandproben. Wer seid ihr? Stellt euch kurz vor. Wir sind Sascha(Gesang, Drums), Shaun (Gesang, Gitarre), Nils (Synthie, Gitarre) und ich, Robert (Bass). Wie seid ihr zur elektronischen Musik gekommen? Wir machen schon lange zusammen Musik, hatten früher eine Indie-Rock/Punk-Band(Byron). Irgendwann haben einige von uns angefangen, in Clubs Platten aufzulegen. Erstmal Indierock, aber nach und nach kamen immer mehr elektronische Sachen dazu, dass passt im Clubkontext einfach besser. Das hat sich dann natürlich auch auf unsere eigene Musik ausgewirkt. Dass man Elektronik mit Gitarre mischen kann, haben ja Bands wie New Order oder Später The Rapture (u.a.) ganz gut vorgemacht. Ich würde uns jedoch nicht als Elektro-Band bezeichnen. Dafür sind wir schon noch zu sehr klassisch bandorientiert. Aber wir nutzen elektronische Hilfsmittel und Stilmittel, um unser Hauptziel zu erreichen: Unsere Musik club- und tanztauglich zu machen.
Mal gucken, was der Apparat noch so kann
7. November 2007
Apparat liefert mit „Walls“ ein dermaßen vielseitiges Album, dass jegliche Beschreibungen fehlen müssen. Was da ziemlich metropolenmäßig aus den Boxen schallt, hat mal ziemlich provinziell seinen Anfang genommen, nämlich in einer Kleinstadt im Harz, wo Sascha Ring aka Apparat am 27. Juni 1978 auf die Welt geworfen wurde. Hier beginnt er bereits erste Lieder zu basteln. 1997 tritt er die Flucht nach vorne an und macht sich auf nach, wie soll es auch anders sein, Berlin. Ab 1999 finden immer mehr von Apparats Elektronik-Tracks den Weg in die Plattenläden. 2001 erscheint Rings Debüt „Multifunktionsebene“ auf dem Berliner Label Shitkatapult. In den folgenden Jahren kommen Veröffentlichungen auf Ellen Alliens Label.
MTV is killing me?!
30. Oktober 2007
Eine Frage des Geschmacks? Unter Menschen, die sich für kulturell auf der Sonnenseite zu wissen scheinen, gibt es immer so kleine Totschläger. Zwecks Abgrenzung bezieht man sich unübersehbar für die Umwelt auf das Buch, man verflucht das Fernsehen und listet höchstens das Kulturprogramm irgendwelcher Dritter in das eigene Ertragbare der Fernsehwelt. Und schon gar nicht MTV! Das ganze schlägt einem so umfassend in dem einen oder anderen Kreis entgegen, dass es nicht mehr als eine Floskel ist, ungefähr so brauchbar wie ein Kropf. Dabei ist das Medium des Videos an sich alles andere als zu verfluchen. Manch geachteter späterer Regisseur hat hier erste Schritte gewagt und keine Frage, es gibt eine ganze Menge fantastischer Videos, die in einer eigenen, ernsthaften Kunst- und Ausdrucksform bestehen. Und nun gibt es eine neue Kampagne: „MTV is killing me“ und trotz des bekannten Angriffs ist sie erfrischend anders. Geschichte. MTV wurde am 01. August 1981 gegründet. Ein Novum damals – zumindest in den U.S.A.! Eine völlig neue Art des Umgangs mit Musik, für manche heute prägend für eine Epoche.
Antitainment – auf ein neues!
22. Oktober 2007
Antitainment begann anders. Aus einem Witz, aus einem Wahnwitz. Der Bodensatz aus dem die Band dereinst gedeihen sollte, traf sich einstmals eher halbchaotisch und ohne das Instrumente wirklich beherrscht wurden, sandte man ein Demotape zu einem Talentwettbewerb. Auf diesem Tape gab eine schwedische Poppunkband ihr Bestes – Antitainment entstanden ein paar Experimente später. Über einige dieser Stadien sei der Schleier des Schweigens gelegt. An anderen Stellen hatte man die Qualität der Band längst erkannt – nur nicht bei mir. Als ich Antitainment das erste Mal gesehen habe, verzog ich mich in eine dunkle Ecke. Antitainment fanden alle total gut und da ich dem Pöbel keine Urteile zutraue (und zumindest in Göttingen eigentlich nicht ohne Grund), beschloss ich die Band grundsätzlich nicht zu mögen. Dann, auf der zweiten Show der Band in meiner Wahlheimat, konnte ich der Darbietung des Frankfurter Quartetts nicht aus dem Weg gehen. Danach kaufte ich ohne zu zögern die Platte, es wurden Worte gewechselt und es entstand das, was einer brauchbaren Plattenrezension immer im Wege steht: eine Beziehung. Auf „Cooler Plattentitel“ schafften Antitainment das Kunststück, kurz und bündig zu erklären, was auf einem Hardcore-Konzert im Allgemeinen geschieht: „Ey, ihr dahinten in der ersten Reihe, ihr habt’s gecheckt
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Zukunftsmusik: Shy Child und der Lärm hört nicht auf
13. Oktober 2007
Ich möchte den elektrobegeisterten MOG-Lesern hiermit den Kauf einer Platte nahe legen. Shy Child, dass sind die Anführer der amerikanischen New Rave-Bewegung, die den Globus gerade zerrockt. Sie gründeten Shy Child 2000, nachdem sie bei der dem ein oder anderen sicher bekannten Band El Guapo(Dischord) gespielt hatten.
Über Tokio Hotel, Kinder und das große Geschäft
13. Oktober 2007
Ein Fehler am Nachmittag Es ist eine der größten persönlichen Fehleinschätzungen, die ich da eines schönen nachmittags auf meiner Biedermeier-Couch hingelegt habe. Damals kam ich an einem Sommertag von der Arbeit, sinnentleert schaltete ich mich durch die schwarzen Löcher des nachmittäglichen Fernsehprogramms. Dabei blieb ich bei einem Kanal hängen, dessen Zielgruppe eine ältere ist und in den neuen Bundesländern, wie es so schön heißt, angesiedelt ist. Auf dem Marktplatz einer mittelgroßen Stadt hatten findige Event-Manager (Gerüstbauer) eine Bühne installiert um die herum Stuhlreihen angeordnet waren. In der Mittagshitze hatten hier Menschen Platz genommen, die das Arbeitsleben hinter sich hatten und die bei allen möglichen körperlichen Schwächen vor allem eines konnten, nämlich fröhlich in die Hände klatschen. Das Rhythmusinstrument des kleinen Mannes. Das musikalische Sturmgewehr der Schlagerkultur.
Jimmy Eat World – Es ist immer eine Frage der Single(?).
8. Oktober 2007
Die erste Platte von Jimmy Eat World heißt „Jimmy Eat World“. Das kleine Label Wooden Blue brachte die LP 1994 raus. Nur 2000 Stück wurden gepresst. Das ist eigentlich nicht viel – vor allem wenn man bedenkt welchen Stellenwert die Band heute hat. Immer wieder erzählt man sich der Band wäre die erste Platte irgendwie peinlich. Und es ist schon merkwürdig, dass sie nie nachgepresst wurde. Sobald sich zeigt, dass mit einer Band Geld verdient werden kann, sind die findigen Managements eigentlich schnell dabei so gut wie alles zu vermarkten, was ansatzweise dazu taugt. Nicht so mit dem ersten Album von Jimmy Eat World. 1994 klingt die Band noch ganz anders. Sie klingt deutlich nach Garden Variety – ohne auch nur ansatzweise deren Energie zu fangen. Nur nimmt bis dahin wohl eh niemand Notiz von der Band aus Mesa in Arizona.