Interview zur Stilbrvch-Zukunft

Kollektiv zwischen Kultur und Politik
von am 21. Januar 2014 veröffentlicht in Gespräche, Kultur, Titelstory, Unipolitik

Ton aus, Licht aus im Stilbrvch? Das Kulturkollektiv sieht seine Existenz bedroht.

Das Kulturkollektiv im Stilbrvch auf dem Unicampus ist offen für alle. Die Gruppe macht seit drei Jahren „ehrenamtliche“ Kulturarbeit und gut besuchte Veranstaltungen. Nun befürchtet die Gruppe das Aus: Um langfristig planen zu können, sollte das Stilbruch eigentlich aus dem AStA ausgegründet werden – doch daraus wurde nichts. Für den Fortbestand des Kulturkollektivs wird heute Abend demonstriert. Wir haben mit dort Engagierten über das Kollektiv und über Politik gesprochen.

2008 richtete die Universität im Keller des „Verfügungsgebäude“ einen studentischen Veranstaltungskeller ein. Unter Betreiben des damaligen ADF-geprägten AStA investierte die Studierendenschaft gut 250.000 Euro. Im „Vertigo“ gab es dann vereinzelte vom AStA organisierte Veranstaltungen im Mainstream-Bereich. Mit dem politischen Wechsel, den 2011 ein wieder „linker AStA“ brachte, kam Veränderung. Ein Kulturkollektiv gründete sich und war von da an federführend beim Kulturbetrieb in dem Veranstaltungskeller. Ein buntes Veranstaltungsprogramm begann und der Keller nahm den Namen „Stilbrvch“ an. Das Kulturkollektiv sieht nun die Zukunft politisch durch einen möglichen Wahlerfolg der konservativen Gruppen RCDS und ADF gefährdet. Es greift daher aktiv in den Wahlkampf mit ein und veranstaltet am heutigen Dienstag, 21. Januar 2014, ab 17 Uhr am Campus eine Rave-Demo für das Stilbrvch.

Monsters: Wie ist das denn, wie organisiert ihr euch überhaupt – seid ihr eine eher feste Gruppe?

Alena: Wir haben wöchentliche Plena, da kann hinkommen, wer mag. Es gibt schon so einen festen Kern, der aber auch variiert. Es kommen immer wieder Leute dazu und es gehen auch immer wieder Leute. Es ist nicht so als wenn irgendwo ne Liste mit zehn Leuten steht, die immer alles machen.

Und wie ist so die Motivation von Leuten, die vorbei kommen? Sind die einfach neugierig oder haben die schon ganze Veranstaltungskonzepte im Kopf?

Demi: Ich glaube, sowohl als auch. Viele Leute kommen und wissen gar nicht so richtig, sie haben einfach nur gehört dass es das Plenum gibt man hinkommen und mitmachen kann. Es kommt auch echt drauf an, wo die vorher schon stehen. Hier sind auch viele, die schon in anderen Städten Parties veranstaltet haben oder andere erste Erfahrungen. Die sehen dann hier ne Möglichkeit, weiterzumachen und ein eigenes Veranstaltungsformat umzusetzen oder sowas. Das ist sehr unterschiedlich, aber auch sehr ausgeglichen.

Sue: Und es gibt halt auch echt Leute, die kommen mit einem kompletten Konzept, von Fachschaftsgruppen über Hochschulgruppen, oder auch einzelne Leute.

Stilbrvch und KulturkollektivSagt ihr denn von euch ausdrücklich, dass ihr Teil des Kollektivs seid?

Gabriel: Das ist ja keine feste Gruppe, das fluktuiert. Es gibt auch Leute, die kommen zwei, drei mal vorbei und machen Schichten mit, feiern das, haben Spaß – und es gibt Leute, die sind jahrelang dabei. Ist sehr unterschiedlich, wie sehr man sich mit dem Ganzen identifizieren mag – das ist auch nicht einheitlich. Ich würde mich als „Kollektivista“ bezeichen, weil ich hier Erfahrungen und Ideen eingebracht habe, so dass man denkt: Das ist jetzt zu einem Teil von mir geworden. Das wird aber nicht auf jeden Menschen hier zutreffen.

Sue: Ich hatte da vor kurzem ein interessantes Gespräch mit jemandem, der neu dabei ist, und gesagt hat: „ihr macht hier so tolle Sachen“ und von „ihr“ gesprochen hat. Da habe ich dann erklärt: „Nee, wir. Du gehörst dazu.“ Es ist ganz interessant, dass neue Leute immer noch so Hemmungen haben, sich als Teil des Ganzen zu betrachten. Die nehmen das schon als offen wahr, würden sich aber nicht als Kollektivista bezeichnen. Das ist ja auch so ne Selbstdefinition. Aber wenn man was macht und wenn man auch nur einmal im halben Jahr ne Thekenschicht macht, gehört man genauso dazu. Das lebt von jeder kleinen Tätigkeit, die Menschen hier machen.

Stilbrvch: Regeln für ein Miteinander

Im Uniwahlkampf spielen jetzt politische Fragen eine Rolle. Wie kam es dazu?

Gabriel: Am Anfang hat sich hier hauptsächlich die Hochschulgruppe SRK beteiligt. Die hatte halt einen basisdemokratischen Anspruch. Das heißt diese Offenheit, das Partizipieren, gewisse Plenumsstrukturen mit Vetomöglichkeiten und Konsensprinzipien – das hat sich dadurch verfestigt. Das hatte also schon einen politischen Anspruch im Anfang. Über die Jahre haben sich weitere Ansprüche herauskristallisiert, die man auf den Partys auch haben möchte und wie man sich das Miteinander in diesem Raum jetzt vorstellt.

Es gibt auch Spannungsfelder, die sich aus dem ergeben, was die Ordnungen der Uni vorschreiben: Wie, dass jede Hochschulgruppe auch die Möglichkeit haben muss, hier feiern zu können. Das ist soweit auch erstmal in Ordnung. Das ist aber auch so eine Bruchstelle, wo wir als Verwalter und Veranstalter nicht jederzeit die Möglichkeit haben, darauf Einfluss zu nehmen, was hier auf allen Partys läuft. Hochschulgruppen wie die ADF haben vielleicht an manchen Ansprüchen nicht so das Interesse, sich da reinzufuchsen und sich weitere Gedanken um einen diskriminierungsfreien Raum zu machen und das eher damit abtun, dass das durch das Gesetz eh geregelt sei.

Jetzt heißt es ja, die Existenz des Stilbrvchs sei gefährdet. Das hänge mit der gescheiterten Ausgründung zusammen. Könnt ihr dazu was sagen?

Demi: Eine Ausgründung würde ermöglichen, mit dem Laden langfristig zu planen und den Anspruch, der sich entwickelt hat, weiter beizubehalten. Die Ausgründung sollte uns eigentlich die Planungssicherheit geben, von den Hochschulwahlen wegzukommen.
Stilbrvch: Andeutungen der ADF
Alena: Und es gibt auch einen O-Ton von einem ADF-Menschen, der sagt: In dem Sinne wollen wir den Laden zwar nicht schließen, aber das Stilbrvch wird halt nicht so weiter existieren, wie es bisher existiert. Das ist eine nette Umschreibung dafür, dass sie zwar vielleicht gedenken, ein paar Mainstream-Parties zu veranstalten, aber uns als Veranstalter hier so nicht weiter haben wollen.

Gabriel: Vielleicht noch mal zum Verlauf dieser Ausgründungsgeschichte: Zu Beginn der aktuellen Koalition haben alle drei Gruppen gesagt, dass es eine Ausgründung geben soll. Das Kulturkollektiv hatte sich vorher schon Gedanken gemacht und sich dann in den Prozess mit eingebracht. Die ADF wollte sich einbringen, das hat in der Praxis aber nicht stattgefunden. Da sind zwar Leute gekommen, aber man hat jedes mal bei Null angefangen und es wurde klar, dass da Vorbehalte durchgebrochen sind. Leute, die positiv dazu gestanden haben, wurden nach und nach aus ihrer Rolle im AStA zurückgedrängt. Die ADF-Basis außerhalb des AStA hat da scheinbar doch größere Bedenken. Die haben dann Leuten von ihnen die Loyalität gekündigt, mit denen man noch relativ vernünftig sprechen konnte. Und das lief dann das ganze Jahr so durch. Für die Ausgründung war das ein verlorenes Jahr.

Der RCDS hat ja klar angesagt, dass er hier drin „tabula rasa“ machen will. Seht ihr jetzt ein Risiko, dass ein ADF-RCDS-AStA hier erstmal die Tür zuschließen wird und sagt, hey, kommt erstmal in den AStA Formulare ausfüllen?

Sue: Da ist auch so ein bißchen die Problematik, dass das Kulturkollektiv unter solchen Umständen nicht mit dem RCDS zusammenarbeiten würde und auch die ADF da viel Vertrauen verspielt hat in den letzten drei Monaten. Die ADF will ja das Stilbrvch erhalten – aber ohne das Kulturkollektiv. Und übersieht, dass das nicht möglich ist. Das würden wir auch nicht zulassen, dass ADF und RCDS das Stilbrvch unter diesem Namen weiterführen und das Kulturkollektiv ausgeschlossen ist. Dafür haben zu viele Menschen zu viel Herzblut hineingesteckt, als dass eine rechtskonservative Hochschulgruppe sich hierhin setzt und mit dem Namen Party macht.

Gabriel: Naja, der RCDS bezeichnet den Laden ja eh immer noch als „Vertigo“ oder „ehemals Vertigo“. Bei den Verlautbarungen, die die von sich geben, ist nicht damit zu rechnen, dass die Interesse an einer Zusammenarbeit mit uns haben. Das beruht in dem Punkt schon auf Gegenseitigkeit. Der RCDS ist auch die einzige Hochschulgruppe, die in den drei Jahren nicht ein einziges mal versucht hat, hier eine Veranstaltung durchzuführen. Trotzdem sind sie diejenigen, die am meisten gegen den Laden wettern.

Die Mehrheitsverhältnisse im AStA sind immer etwas knapp zwischen den Lagern. Die Jusos und die GHG haben vermutlich auch nicht besonders viel Lust, sich nochmal ein Jahr mit der ADF zu gönnen, weil das ja ein relativ schwieriges Jahr war. Und dann bleibt der ADF ja eigentlich schon nur noch der RCDS als größerer Koalitionspartner und deshalb ist diese Wahl auch für uns als Kulturkollektiv so wichtig, dass wir uns einmischen mussten. Wenn das mit der Ausgründung geklappt hätte, dann hätte man das auf einer hochschulpolitischen Ebene anders führen können zwischen den Gruppen. Die sonst ja zur Wahl antreten, das macht das Kulturkollektiv ja nicht.

Stilbrvch

Hoffnung auf eine Mehrheit für eine Ausgründung habt ihr jetzt nicht – das braucht ja eine Zweidrittelmehrheit. Es geht euch also jetzt nur noch darum, als Kulturkollektiv so weitermachen zu können, wie es jetzt ist.

Sue: Ja, schon. Aber es gibt auch weiterhin Treffen mit der ADF. Auch wenn schon viel mieses gelaufen ist, wie beim „Wadenbeißer“, den die ADF rausgehauen hat, in dem sie unfassbar viele Lügen verbreitet. Naja, wir müssen abwarten, was jetzt am Freitag passiert. Da gibt es aber schon immer noch Hoffnung. Die UM’er haben sich jetzt zum Beispiel für das Kulturkollektiv und eine Ausgründung ausgesprochen. Wenn dann noch irgendwelche Abweichler*innen bei der ADF dazu kommen, gibt es da vielleicht eine Option. Die letzten Abstimmungen haben ja gezeigt, dass es durchaus Abweichler*innen bei der ADF gibt.

Ihr setzt also schon auf einen Erkenntnisprozess bei der ADF?

Gabriel: Naja, das sah ja noch Anfang der Legislatur relativ gut aus. So wie sich der letzte AStA jetzt aufgestellt hatte, liest sich da schon so ein Zeitenwechsel auch in der ADF raus. Viele von den alten Leute, mit denen man sowieso nicht besonders gut konnte, waren da nicht beteiligt. Also dass ich mich da nicht mehr in die Gespräche gesetzt habe und dass da auch kein Christian Zigenhorn (Anm. d. Red.: früher Funktionär der ADF) mehr saß – Leute, die sowieso nicht miteinander können, die konnte man da rauslassen. Und so sind auch Menschen aufeinander getroffen, die eine andere Ausgangsbasis für Gespräche hatten. Dass das dann aber so eingebrochen ist, zeigt, dass da auch nicht mit Stetigkeit zu rechnen ist, und dass das ein Glückspiel ist, was da bei der ADF passiert, und schwer einzuschätzen ist.

Sue: Und da gab es ja auch einen „Linksruck“ bei der ADF im Frühling, und jetzt sind einige Menschen nach der Zusammenarbeit mit den Jusos und der GHG nicht mehr bei der ADF, weil sie von der eigenen Gruppe enttäuscht sind, sondern stehen jetzt auf der Juso-Liste. Andere bandeln nun wieder mit dem RCDS an. Das ist einfach eine sehr heterogene Gruppe und die einzelnen Fächer sind sich da auch, was das Kulturkollektiv angeht, nicht mal einig. Mit der DAF gab es ein paar Probleme bei einer Veranstaltung, die ADW sieht das schon wieder ganz anders. Das ist einfach total schwierig, immer von „der“ ADF zu sprechen.

Stilbrvch-Eingang

Dienstagabend macht ihr Demo. Was versprecht ihr euch davon?

Alena: Primär Aufmerksamkeit. Effektiv wollen wir die Leute auf uns aufmerksam machen, was wir hier alles schaffen können, was wir für unterschiedliche Fähigkeiten haben und was alles wegfallen würde, wenn wir das Potential nicht mehr haben. Dass der Laden auch einfach ein Treffpunkt ist für Leute, die eine Idee haben und die verwirklichen wollen.

Und wie sieht für euch das beste Ergebnis aus am Ende dieser Woche, am Ende der Uniwahlen?

Demi: Das beste Ergebnis wäre tatsächlich, wenn rauskommt, dass die ADF die Auszählung manipuliert hat oder sowas (lacht). Und danach rufen wir ein freies Studierendenparlament aus und jeder ist dazu eingeladen dorthin zu kommen.

Ein großes großes Kollektiv.

Demi: Ja. Das wäre so das optimale Ergebnis für Freitag.

Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank!

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