(Real-?)Satire
Junge Union ermittelt
von ottter am 10. Februar 2013 veröffentlicht in RedaktionsblogKnapp drei Wochen nach dem Angriff auf ein Tattoo-Studio in der Roten Straße hat die Junge Union Göttingen die Tat offenbar aufgeklärt. Während Polizei und Staatsanwaltschaft noch keine Tatverdächtigen präsentieren konnten, schreiben die konservativen Spürnasen in einer Pressemitteilung:
„Der Stadtverband der Jungen Union Göttingen kritisiert die Vorfälle der vergangenen Wochen in der Roten Straße Göttingen. Nachdem die Bewohner des dortigen linken Wohnheimes das neueröffnete Tattoo-Studio überfielen, flüchteten sie in ihren vermeintlich rechtsfreien Raum, das Wohnheim.“
Demnach wurde die Tat von deutlich mehr Personen verübt als bisher angenommen. ZeugInnen, Polizei und Medien berichteten, zehn bis zwanzig vermummte Personen hätten Schaufenster und Vitrinen des Studios zertrümmert. Die JU ermittelte jetzt aber offenbar, dass alle BewohnerInnen der Wohnprojekte an dem Angriff beteiligt waren – also rund 60 Personen. Offen bleibt die Frage, warum die Polizei bisher andere Zahlen verbreitete und ob sie mit den linken KrawallmacherInnen unter einer Decke steckt, wie die JU suggeriert:
„Dass die Polizei eine dortige Durchsuchung nicht durchsetzen konnte, ist der eine Punkt. Ein anderer, wesentlich gravierender, ist jedoch, dass aufgrund der von Ihnen begangenen Straftat, die Bewohner des Wohnheimes Polizeischutz benötigten, den sie auch bekommen haben. ‚Wenn eine Gruppierung, die gegen das bestehende System und somit gegen den Staat gerichtet ist, von genau diesem nach einer von ihnen begangenen Straftat beschützt wird, entbehrt das schon einer gewissen Ironie‘, so der Vorsitzende Hagen Holste.“
Abzuwarten bleibt, ob die JU nach der Aufgabe der Polizei, nämlich die TäterInnen zu fassen, auch die Aufgaben der Justiz übernehmen wird und den BewohnerInnen der Wohnprojekte den Prozess macht. Der schnelle Fahndungserfolg spricht in jedem Fall für die Kompetenz der CDU-Jugend. Gewundert hätte man sich, wenn sie eine einfache, ideologisch gefärbte Stellungnahme zur Feindbildpflege erst drei Wochen nach den Vorfällen veröffentlicht hätte – zumal diese sprachlich trotz des langen Zeitraums recht holprig geriet. So wollte Herr Holste wohl sagen, dass die Vorgänge nicht einer gewissen Ironie entbehrten. Sei’s drum, einem guten Fahnder kann man sprachliche Unzulänglichkeiten verzeihen.
Bei ihrem heldenhaften Einsatz für das Gemeinwohl verlieren die vielseitigen SchnüfflerInnen auch unser aller Geldbeutel nicht aus dem Auge:
„’Denn schließlich werden unsere Steuergelder für solche Aktionen verwendet‘, so Holste weiter.“
Da kann man nur hoffen, dass jetzt nicht noch mehr Steuergelder für einen Verleumdungsprozess gegen die JU ver(sch)wendet werden müssen. Zum Schluss hat die JU noch einen väterlichen Rat für RandaliererInnen, Polizei und Justiz:
„Auch wenn das Vorgehen rechtlich richtig gewesen sein mag, ist der Ablauf der Geschehnisse schon sehr abstrus und alle Beteiligten sollten über ihre Rollen darin noch einmal nachdenken.“
Das gilt freilich nicht für den JU-Stadtverband Göttingen, denn der hat wie immer alles richtig gemacht und Fakten geschaffen, wo andere bislang mutmaßen mussten.
verleumdung: „Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
– § 187 StGB
also wirklich, junge union… zwar kann bei denen wohl niemals von „wider besseren wissens“ die rede sein,… aber dann sollten sie sich wenigstens marschmäüßig im gleichschritt verpissen….