Ärztliches Attest reicht nicht aus

Abschiebung steht bevor
von am 21. Februar 2012 veröffentlicht in Politik, Polizei & Justiz, Titelstory

Bahtija Saciri und ihrer Familie droht die Abschiebung in den Kosovo Die Abschiebung der Familie Saciri steht unmittelbar bevor. Ein ärztliches Attest bescheinigt der Mutter Bahtija Saciri zwar, dass sie nicht reisefähig ist. Der Stadt Göttingen reicht das allerdings nicht aus, die Familie soll am Mittwoch abgeschoben werden. Die Landtagsfraktion der Partei Die Linke fordert derweil, die Abschiebung der Familie Saciri auszusetzen.

Nachdem Bahtija Saciri (48) am Freitag aus dem Krankenhaus Neu-Bethlehem entlassen wurde, sollte sie einen niedergelassenen Arzt für die weitere Untersuchung konsultieren. Bei ihr wurde eine leichte Nierenfehlfunktion festgestellt. Der Arztbesuch gestaltete sich schwierig: „Sie zittert am ganzen Körper, kann nicht laufen und musste von ihren Söhnen getragen werden. Es war gar nicht wirklich möglich sie zu untersuchen“, sagt Kenan Emini, Vorsitzender der Initiative „Alle bleiben!“ des Roma Centers Göttingen. Am Dienstag stellt ein Arzt stellte Bahtjia Saciri daraufhin eine Bescheinigung aus, dass sie nicht reisefähig sei. Diese Bescheinigung ist an das Gesundheitsamts weitergeleitet worden. Zu einer amtsärztlichen Untersuchung ist es aber nicht gekommen, da Bahtija Saciri auf Grund ihrer Immobilität sich nicht gesundheitlich dazu in der Lage sah, den Termin wahrzunehmen, so Basi Saciri (33) gegenüber Monsters of Göttingen. Joachim Rogge von der Ausländerbehörde der Stadt Göttingen konnte bei Dienstschluss noch keine Auskunft über die Einschätzung des Gesundheitsamts geben. Der Prozessbevollmächtigten der Familie Saciri ist allerdings im Laufe des Abends mitgeteilt worden, dass die Stadt Göttingen die Abschiebung nicht aussetzen werde. Laut Kenan Emini von der Initiative „Alle bleiben!“ seien nun auch alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft und die Abschiebung ließe sich nicht mehr verhindern.

Die Landtagsfraktion der Partei Die Linke setzt sich zur Zeit für einen generellen Abschiebestopp von Roma-Familien ins Kosovo ein. In einer Pressemitteilung fordert die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Pia Zimmermann, mindestens einen „Winterabschiebestopp für Roma“ und andere Minderheiten in das Kosovo. Ministerpräsident McAllister (CDU) könne nun beweisen, dass er „seinen Worten über eine sensiblere Flüchtlingspolitik in Niedersachsen“ Taten folgen lasse. Der Göttinger Landtagsabgeordnete Patrick Humke weist darauf hin, das die Abschiebung ins winterliche Kosovo unerträglich sei: „Die Familie Saciri lebt seit neun Jahren in Deutschland, die drei Kinder gehen in Göttingen zur Schule und sind gut integriert. Im Kosovo wären sie dagegen völlig isoliert – weil sie Roma sind und weil sie weder albanisch noch serbisch sprechen.“ Auch die Stadtratsfraktion der Grünen fordert die Landesregierung dazu auf, von einer Abschiebung abzusehen. Der integrationspolitische Sprecher der Grünen im Stadtrat, Mehmet Tugcu, kritisiert in der Pressemitteilung der Ratsfraktion, dass dieser „sowohl für die Betroffenen als auch für die MitarbeiterInnen der Ausländeberhörden unerträgliche Zustand, den namentlich Innenminister Schünemann zu verantworten“ habe, endlich ein Ende haben müsse.

Der Kritik an der Abschiebung, gerade in den Wintermonaten, hält die Ausländerbehörde der Stadt Göttingen eine Mitteilung des Bundesinnenministeriums entgegen, wonach „eine Rückführung in den Kosovo, auch aus humanitären Gründen, problemlos möglich“ sei. Der Bericht einer Delegationsreise in das Kosovo der Initiative „Alle bleiben!“ zeichnet hingegen ein anderes Bild der Lage vor Ort. Gegenüber Monsters of Göttingen betont Joachim Rogge von der Ausländerbehörde, dass die Familie schon länger über die geplante „Aufenthaltsbeendigung“ informiert worden sei. Die Behörden im Kosovo hätten der Abschiebung zugestimmt, was der Ausländerbehörde über das Landeskriminalamt mitgeteilt worden sei. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hätte zudem den Asyl- und Asylfolgeantrag der Familie Saciri abgelehnt, „weil keine asylrelevanten Gründe vorlagen. Diese Entscheidung wurde durch das Verwaltungsgericht ausdrücklich bestätigt.“

Am Montag demonstrierten ca. 60 bis 80 Personen vor dem Neuen Rathaus gegen die drohende Abschiebung der Familie Saciri. Die Grüne Jugend Göttingen, der Arbeitskreis Asyl und das Roma Center Göttingen hatten zur Teilnahme aufgerufen. Die Demonstration wurde von einem massiven Polizeieinsatz begleitet.

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