Sprachkritik

Deutsch auf Vorderfrau
von am 5. April 2011 veröffentlicht in featured, gelesen

Sie gehört zu den alten Größen der feministischen Sprachkritik: bereits in den 80er Jahren veröffentlichte Luise F. Pusch Schriften zur feministischen Linguistik und erfreut uns in den letzten Jahren mit regelmäßig erscheinenden Glossensammlungen. Mit „Deutsch auf Vorderfrau“ sind nun ihre neuesten Interventionen in die alltäglichen Sprachpolitiken im Göttinger Wallstein Verlag erschienen.

Pusch ist traditionelle Feministin. Und zwar sowas von. Sie weist mal eben nach, dass „der Vormund“ eigentlich „die Vormund“ heißen müsste und dass es männliche Säugetiere genaugenommen gar nicht gibt – säugen tun schließlich nur die Weibchen. Sie diskutiert die politisch sinnvollste Bezeichnung von Frauen, die Frauen lieben (Lesbe, Lesbierin, Lesbin, Knutschfreundin und allerlei mehr steht hier zur Auswahl) und schlägt das ‚a‘ als neue Endung für alle auf ‚er‘ endenden männlichen Bezeichnungen vor. Sie spricht stets von Freudinnenschaft, so es um Freundinnen und nicht um Freunde geht und berichtet stolz, wie sie einst eine Unibehörde in die Knie zwang, als die eine Abschlussarbeit nicht annahm, weil im Titel die bezeichnung ‚frau‘ (statt: ‚man‘) auftauchte und dies damit begründete, ‚frau‘ stünde halt nicht im Duden. Pusch verwies der Einfachheit wegen auf die anderen Worte, die nicht im Duden auftauchte und über die durchaus beizeiten Abschlussarbeiten geschrieben würden und forderte, aus Gründen der Rechtsgleichheit in Zukunft auch alle Arbeiten beispielsweise über Hausfrauen abzulehnen – denn auch der Terminus war seinerzeit merkwürdigerweise nicht im Duden aufzufinden gewesen.


Lusie F. Pusch:
Deutsch auf Vorderfrau. Sprachkritische Glossen
Göttingen: Wallstein Verlag 2010

Das ist alles ganz lustig und vermag Menschen, die für feministische Sprachspiele etwas übrighaben, auch an der einen oder anderen Stelle ein Lächeln auf die Lippen schicken. Viel mehr bleibt allerdings nicht hängen. Stattdessen ist frau schnell genervt etwa von den teils anstrengenden, zumeist aber einfach schlechten Witzen der Autorin. Oder ihrer Blindheit gegenüber anderen gesellschaftlichen Problemen, wenn sie dem Patriarchat zwar mit Begeisterung die Leviten liest und sich etwa darüber mokiert, warum auch im Frauenfußball von „unserer Nationalmannschaft“ die rede ist – oder dabei auch nur im geringsten über das „uns“ zu stolpern. Oder ihrer Ausflüge in verwandte Gefilde, wenn sie aus dem Ehrenmord mal eben einen Schwesternmord macht, ohne die damit verbundenen Kontexte abzuwegen und zu beachten.

Puschs „Deutsch auf Vorderfrau“ ist eine unterhaltsame Lektüre für einen Nachmittag im Chelty und eine dankbare Quelle für Streitgespräche am heimischen WG-Tisch. Nicht viel mehr, aber sicher auch nicht weniger. Wer dafür also noch etwas braucht, dem sei ein Gang in den Buchladen ihrer Wahl empfohlen. Allerdins sei darauf verwiesen, dass es genügend andere Literatur gibt, die diesen Aufgaben ebenfalls nachzukommen in der Lage ist.

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2 Kommentare auf "Deutsch auf Vorderfrau"

  1. hubertW sagt:

    1) Linguistisch betrachtet völliger Blödsinn. An mehreren Stellen wird offenbar, dass diese Person von Sprache überhaupt keinen blassen Schimmer haben kann. Ich verkneife mir die Details, aber falls es jemanden interessiert: fragen. Habe lang genug selbst Allgemeine Sprachwissenschaft studiert.
    2) Politisch betrachtet völlig kontraproduktiv. Solche Publikationen erwirken allenfalls einen Effekt: sie machen durch ihr ‚albernes‘ Wesen die an sich völlig gerechtfertigte Forderung nach Emanzipation, Gleichberechtigung und Redefinition der Rollenbilder weiten Teilen der Öffentlichkeit verächtlich.

  2. Lu.ca sagt:

    Ich finde der Artikel wird an manchen Stellen Frau Pusch großer Leistung nicht gerecht. Trotzdem toll, das überhaupt mal wieder über sie geschrieben wird 😉
    In der Tat hat sie sich durch intensive Beschäftigung mit dem Thema vom „Durchschnitts“- Diskurs entfernt und ihre Ideen sind natürlich oft nicht alltagstauglich. Dennoch müssen ihre sprachwissenschaftlichen „Revolutionsversuche“ als das gedeutet werden was sie sind: Versuche.
    Ein Patentrezept für eine frauengerechte Sprache, gibt es natürlich nicht, aber den Versuch dieses zu finden sollte man Frau Pusch nicht vorwerfen. Außerdem machen ihre Ausführungen wenn sie nicht aus dem Kontext gerissen werden durchaus Sinn. Einzelne Vorschläge aus dem Kontext zu reißen und daran Kritik zu üben, erscheint mir ein bisschen zu leicht…

    @huber: Ohne ein einziges Argument zu bringen erfahren wir von dir das Frau Puschs Ausführungen: „völliger Blödsinn“ und „völlig kontraproduktiv“seien. Durch dieses, wenn nicht unqualifizierten, dann zumindest unbelegte Urteil bestätigst du genau das wohingegen Pusch und Trömel-Plötz seit nun bald 30 Jahren anzugehen versuchen. Das patriachale „Lächerlich machen“ weiblicher Emanzipationsversuche indem man sie als z.B.als „albern“ degradiert (ein typisch Klischee gegen Frauen). Grade als Mann sollte sich zwei mal überlegt werden ob es nötig ist Frauen zu erklären wie „richtige“ Emanzipation aussieht.

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