Verfassungsgericht prüft

Staatsanwaltschaft will DNA-Probe erzwingen
von am 21. Dezember 2010 veröffentlicht in Polizei & Justiz, Titelstory

Die Schikanen gegen Linke im Zuge der Ermittlungen nach dem Kreishausbrand scheinen noch nicht vorbei zu sein. Zwar konnte kein_e Schuldige_r ausgemacht werden und es spricht einiges dafür, dass die Hausdurchsuchung in der Roten Straße rechtswidrig war. Jetzt aber soll einem jungen Mann, gegen den wegen seines „dunklen Teints“ ermittelt wurde, zwangsweise eine DNA-Probe entnommen werden. Angeblich wegen anderer Straftaten, die ihm zur Last gelegt werden. Doch es gibt berechtigte Zweifel.

HINTERGRUND:
Nachdem im Januar ein Brandsatz für ein Feuer in der Teeküche der Ausländerbehörde im Göttinger Kreishaus gesorgt hatte, starteten Polizei und konservative Politiker*innen eine förmliche Hetzkampgagne gegen die linke Szene Göttingens. Die „Schwelle zum Terror“ sei überschritten worden, waren die ersten Worte des neuen Verfassungsschutzpräsidenten Hans Wargel Ende Januar. Begleitet von zahlreichen offenkundigen Widersprüchen durchsuchte die Polizei eine linke WG in der Roten Straße und sprach von Spuren in die „linksextreme Szene“, ohne auch nur einen Beweis vorgelegt zu haben. Die Ermittlungen wurden ergebnislos eingestellt.

So findet sich in der Ermittlungsakte der „Einsatzgruppe Teeküche“ der Hinweis, dass über andere Ermittlungsverfahren versucht werden soll, an die DNA des jungen Mannes zu gelangen. Deswegen geht sein Rechtsanwalt Sven Adam davon aus, dass die Staatsanwaltschaft die DNA unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mit den gefundenen Spuren im Kreishaus abgleichen will. Obwohl die Ermittlungen eingestellt und sein Mandant offiziell nicht mehr verdächtig ist.

Die Polizei hat schoneinmal versucht, in die Rechte des jungen Mannes einzugreifen. Im Frühjahr war er in das Visier der Ermittlungen gekommen, nur weil er eine dunkle Hautfarbe hat und dem Staatsschutz von Demonstrationen bekannt war. Die Polizei wollte ihn observieren lassen, die Staatsanwaltschaft lehnte das jedoch ab.

Jetzt versucht die Staatsanwaltschaft, ihn zur Abgabe seines genetischen Fingerabdrucks zu zwingen. Am Mittwoch, den 5. Januar, will sie eine DNA-Entnahme durchführen lassen. Beantragt hat sie das im Zuge eines anderen Ermittlungsverfahrens vor dem Amtsgericht. Das Amtsgericht lehnte ab, woraufhin die Staatsanwaltschaft Beschwerde vor dem Landgericht erhob – und dort die Maßnahme genehmigt bekam.

Böllerwerfen als Rechtfertigung

Voraussetzung für diesen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Beschuldigten ist nach §81g der Strafprozeßordnung, dass Anhaltspunkte vorliegen, gegen ihn würden „künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung“ geführt werden. Dafür reicht nicht etwa eine einfache Körperverletzung, wohl aber eine „gefährliche Körperverletzung“. Dass so eine auch vorliegen soll, entschied das Göttinger Landgericht: weil der Mann auf einer Demonstration mit einem Böller auf einen Polizisten geworfen haben soll, der anschließend unter einem Knalltrauma gelitten habe.


Die Demo, auf der der Beschuldigte einen Böller geworfen haben soll

Ob dieser Vorwurf berechtigt ist, ist noch nicht gerichtlich entschieden worden. Das Ermittlungsverfahren gegen den Heranwachsenden läuft noch. Es könnte auch ohne Anklageerhebung eingestellt werden. Für das Landgericht dennoch jetzt schon ein Argument für eine DNA-Entnahme.

Weitere, jeweils eingestellte Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit Demonstrationen und eine Vorstrafe reichten dem Landgericht jedenfalls aus, um eine entsprechende Gefahrenprognose zu bejahen. „Das Gericht versucht, aus einem Böllerwurf eine erhebliche Straftat zu konstruieren“, meint Adam. „Bisher ist jedenfalls gar nichts erwiesen“, sagt er, „nicht mal, dass mein Mandant überhaupt einen Böller geworfen hat.“ Kein Polizist habe seinen Mandanten gesehen, wie er Böller auf Polizeibeamte geworfen hat.

Kommentar

Dieser Fall ist voller Skandale. Zunächst ist es eine Unverschämtheit, dass gegen den Mann nur aufgrund seiner Hautfarbe ermittelt wurde. Konkretere Anhaltspunkte gab es schlicht nicht. Doch die Staatsanwaltschaft lässt nicht locker, auch nachdem dieser Umstand und die zahlreichen anderen Ungereimtheiten der Ermittlungen in der Causa Kreishausbrand an die Öffentlichkeit gelangten. Nein, sie setzt sogar noch einen drauf. Offensichtlich mit Trickserei will sie die DNA des Beschuldigten ergaunern und die gesetzlichen Hürden dafür einfach umgehen. Ein weiterer Skandal ist es, dass das Gesetz einen solchen schweren Eingriff in die Rechte des Mannes allein aufgrund von laufenden Ermittlungen grundsätzlich erlaubt. Kein Gericht hat entschieden, ob der Beschuldigte sich überhaupt etwas zu Schulden hat kommen lassen. Und dass das Landgericht im Werfen eines Böllers eine erhebliche Straftat sieht und damit das Begehren der Staatsanwaltschaft auf Ausforschung des jungen Mannes hofiert, ist ein weiterer Skandal. Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden und offenbar auch die Justiz kennen sich in Göttingen aus mit solchen Skandalen. Konsequent werden sie ausgesessen und immer wieder aufs Neue inszeniert.

Rechtsanwalt Adam will alles versuchen, um die DNA-Entnahme zu verhindern. Am 6. Dezember hat er Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Weil die Staatsanwaltschaft es abgelehnt hat, mit der DNA-Entnahme bis zur Entscheidung des Gerichts zu warten, folgte ein entsprechender Eilantrag an das Verfassungsgericht. Eine Entscheidung darüber erwartet der Anwalt Ende Dezember. Wenn das Gericht diesen ablehnt, wird der Beschuldigte seine DNA abgeben müssen, im Zweifelsfall unter Androhung oder auch Anwendung polizeilicher Gewalt.

Proteste angekündigt

In einem offenen Brief fordern verschiedene Gruppen und Einzelpersonen „die Einstellung des Ermittlungsverfahrens und die erklärte Rücknahme der Aufforderung zur Entnahme von DNA gegen den Demonstranten.“ Für die Unterzeichnenden ist der Versuch, an den genetischen Fingerabdruck zu gelangen, Teil der „immer durchsichtigeren Kriminalisierungsversuche linken Engagements.“ Unterzeichnet haben unter anderem Antifa-Gruppen, Grüne Jugend und Jusos sowie die Ratsfraktion GöLinke.

Die Antifaschistische Linke International (ALI) hat für den Tag der DNA-Entnahme Proteste angekündigt. Dass bereits der Verdacht, „geringe Straftaten“ auf einer Demonstration begangen zu haben ausreicht, um „mit intimen Daten in einer bundesweiten zentralen Verbrecherkartei erfasst zu werden“ hält sie für einen Skandal. Um 18 Uhr wollen sich die Antifaschist_innen am Gänseliesel treffen, „um unserer Empörung über dieses Vorgehen Ausdruck zu verleihen.“ Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten will die Antifa-Gruppe „deutlich machen, dass ihre Kriminalisierungsversuche nicht unbeantwortet bleiben.“

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8 Kommentare auf "Staatsanwaltschaft will DNA-Probe erzwingen"

  1. Uli-E sagt:

    Für mich (im Nachhinein) wäre wichtig zu erfahren wie man seine DNA-Schlüssel wieder aus polizeilichen Unterlagen entfernt bekommt nach dem ein Verfahren eingestellt wurde.

    Mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht…

  2. Rakete sagt:

    Die kommen dann in den Schrank mit den gelöschten Akten.

  3. und so sagt:

    und werden wenn die Person per Funk oder auf der Polizeistation wieder überprüft wird, raus geholt.

  4. acab sagt:

    Die A.L.I. ruft in diesem Zusammenhang mittlerweile zu einer Demo gegen Repression am 22. Januar 2011 in Göttingen auf: http://www.inventati.org/ali/index.php?option=com_content&view=article&id=1374:solidaritaet-gegen-repression&catid=5:ticker#dna

  5. und so sagt:

    manno wollte das auch grad posten -.- xD

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