Imagepflege bei der Polizei

Das freundliche Gesicht
von am 4. September 2010 veröffentlicht in Politik, Polizei & Justiz, Titelstory

Bei schönstem Spätsommerwetter eröffnete Polizeipräsident Robert Kruse am Samstag den Tag der offenen Tür der Göttinger Polizeiinspektion auf der eigens errichteten „Showbühne“. Der Polizeimusikkorps Hannover hat gerade schon ein paar Songs zum Besten gegeben. Das Gelände um das Polizeigebäude ist auch schon gut gefüllt, vor Allem mit vielen Familien. Nur interessieren die meisten sich mehr für den Bratwurststand als für Kruses Rede.

„Es gibt ein hohes Interesse in der Bevölkerung, bei der Polizei zu Besuch zu sein“, sagt Kruse. Dazu seien heute alle eingeladen. 12.000 Menschen folgen dieser Einladung, 23.000 weniger als noch vor vier Jahren. Die Vertrauensbasis zwischen Polizei und Bevölkerung will der Polizeipräsident so stärken. „Vertrauen sie nicht immer nur den Mediendarstellungen, machen Sie sich ein eigenes Bild!“, sagt Kruse. Die schlechte Presse der vergangenen Wochen hat er offensichtlich noch nicht verkraftet. „Polizei darf auch Spaß machen!“

150 Polizeibeamte aus Göttingen und den umliegenden Polizeiinspektionen sind an diesem Samstag im Einsatz, um die Logistik des Polizeifestes zu stemmen. Seit Beginn des Jahres laufen die Vorbereitungen. Und dann stimmt auch noch das Wetter. „Das haben wir so angeordnet“, scherzt Kruse unfreiwillig.

Das Programm hat es in sich: ein Polizeihubschrauber kann begutachtet werden, im Keller des Inspektionsgebäudes darf mit Laserwaffen geschossen werden und die Polizeihundestaffel zeigt in der Leineaue, zu was ihre Hunde in der Lage sind.Vor allem viele Kinder sind begeistert. „Wir wollen auch Nachwuchswerbung betreiben“, gibt Kruse unverholen zu. Es ist, wie zu erwarten war, eine große PR-Veranstaltung für die Polizei.

Die 5. Bereitschaftspolizeihundertschaft zeigt in zwei Aufführungen, was sie alles mit ihrem Schlagstock anzustellen weiß. Zu billiger Technomusik Marke 90’er führen sie eine Show auf, die bisweilen an eine Tanzveranstaltung erinnert. Auch Kampfsituationen werden simuliert. „Wir wollen zeigen, das es nicht so einfach ist, einen Polizeibeamten anzugreifen“, sagt Inspektionsleiter Thomas Rath. Der Schlagstock sei „nichts cooles und nichts tolles, aber die letzte Möglichkeit, die Kollegen zu schützen.“

Präsentation des „Einsatz-Mehrzweck-Stocks“.

Was die Polizei nicht zeigt oder es tunlichst zu verstecken sucht, sind die dunklen Seiten ihrer Tätigkeit. Natürlich gibt es keine Polizeiübergriffe auf Demonstrierende zu sehen, natürlich wird keine grausame Abschiebung vorgeführt, natürlich zählt Amnesty International nicht zu den Kooperationspartnern. Das liegt ja auch nicht im Interesse der Polizei, will sie doch offensichtlich ihr Image aufmöbeln. „Wir möchten den Bürgern unabhängig von der konkreten Einsatzsituation zeigen, wie Polizei arbeitet und dass man zu uns Vertrauen haben kann“ sagt Inspektionsleiter Rath. Manchmal müsse die Polizei sich eben auch unbeliebt machen, das sei ihr Job – aber eben nicht heute. „Heute zeigen wir nur, was wir könnten, denn wir wollen unser freundliches Gesicht zeigen. Und eigentlich sind wir ja auch der Helfer von allen.“

Das real existierende, unfreundliche Gesicht der Polizei zeigen will eine Kundgebung gegen Polizeigewalt. Per Dekret vom Ordnungsamt wurde die auf die gegenüberliegende Straßenseite verlegt. Dort haben deutlich weniger Gäste die Möglichkeit, Notiz von den ausliegenden Infobroschüren zu nehmen. Das Ordnungsamt begründet seine Entscheidung damit, dass in unmittelbarer Nähe zur Veranstaltung der Polizei deren Gäste durch die Kundgebung irritiert werden könnte.

Zuviel Kritik soll den Bürger_innen dann eben doch nicht zugemutet werden. „Unsere Kritik ist, dass die Polizei sich hier heute als zivile Kraft selbst inszeniert mit einem großen Familienfest auf dem eigenen Gelände selber darstellen möchte und wir das für eine undifferenzierte Darstellung halten“, sagt Moritz Keppler von der Grünen Jugend.

Auch die Gruppe „Bürgerinnen und Bürger beobachten die Polizei“ wird in ihrem Protest eingeschränkt. Ex-Kripo-Chef Volker Warnecke weist sie vom Gelände, als sie ein polizeikritisches Flugblatt verteilt. „Ich verteile bei Ihnen zu Hause ja auch keine Flugblätter“, sagt er. „Wenn die Polizei tatsächlich Courage gehabt hätte, hätte sie ja die Gelassenheit haben können, auch mal eine kritische Stimme zuzulassen“, erwidert Polizeibeobachter Roland Laich. „Zumal wir ja auch nicht sagen, dass die Polizei das böse schlechthin auf dieser Welt ist.“

Viel Resonanz auf den Protest gibt es nicht, die meisten Gäste nehmen ihn gar nicht wahr. So kommt es, dass Polizeichef Rath mit dem Tag der offenen Tür zufrieden ist. „Wir haben ein tolles Fest, viele zufriedene Menschen, die lachen einen alle an“, sagt er. „Das ist toll für Polizei, haben wir im Alltag relativ selten.“ Das Image der Polizei dürfte bis auf weiteres wieder ein etwas besseres sein. Zumindest beim Großteil der 12.000 Menschen, die den Weg in die Groner Landstraße gefunden haben.

Fotos: Kai Budler

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24 Kommentare auf "Das freundliche Gesicht"

  1. anonym sagt:

    apfel citrone ananas banane

  2. wer sagt:

    hätte man für die Präsentation des Einsatz-Mehrzweck-Stocks nicht jemand aus dem Publikum zerren und draufdreschen können? Wäre näher an der realtität gewesen.

  3. cyberpunk sagt:

    „Einsatz-Mehrzweck-Stocks“? Man möchte den Bürger wohl nicht verschrecken – süß!

    „…und hämwe keene Knüppel, dann schlagn wa mit de Fläsch!“

    In diesem Sinne,
    All Cops Are Pigs!

  4. Rakete sagt:

    Haha: den Artikel im Extratipp zum Tag der offenen Tür hat der ehemalige Pressesprecher der Göttinger Polizei geschrieben. Ohne Worte.

  5. Björn sagt:

    Ich finde es ja irgendwas zwischen ekelhaft und angsteinflößend, wie das Publikum auf die vorgeführten Schläge reagiert. Da wird mit einer unglaublichen Kraft auf ein Kissen eingeschlagen, dass zerbrechen würde, wäre es ein Körperteil und die Leute klatschen im Takt der Musik mit. Haben die auch geschunkelt? Das ist ja echt widerlich.

  6. hm sagt:

    Das Video ist an Geschmacklosigkeit ja kaum zu übertreffen…

  7. polizei sagt:

    Wer gegen so ein Fest ist muss ja nicht hingehen, mir hat es gefallen.

  8. polizei sagt:

    @5 es ist aber kein Körperteil sonder ein Kissen. Außerdem sollten die einleitenden Worte des Bullen noch erwähnt werden.

  9. polizei sagt:

    … doch , wurden erwähnt, hab ich im Text doch glatt überlesen.

  10. ich sagt:

    @ polizei: es steht in dem beitrag auch „wäre“. vielleicht sollte man den demonstranten auch ein kissen vorher ausgeben, bevor man auf eins ihrer körperteile mit dem ding haut. oder sind die schlagstöcke nur zum spaß da? und ich war zwar nicht da, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es worte in irgendeiner sprache gibt, die diese geschmacklosigkeit runterspielen könnten…

  11. carlota sagt:

    …ach, und das gt fährt jetzt ne neue image-kampagne?

  12. cyberpunk sagt:

    „Polizeipräsident Robert Kruse ergänzte, die Menschen sollten nicht der negativen Berichterstattung der Presse glauben, sondern sich ein eigenes Bild machen.“

    Hmmm, dann sollte sich die Presse in Zukunft überlegen, ob sie überhaupt noch irgendwelche Scheiße von Bullen druckt und sich nicht doch besser ihr eigenes Bild über die Arbeit der Bullerei macht.

    A.C.A.P.

  13. Herr Tröte sagt:

    die polizei lügt! zu mir haben sie gesagt, sie bräuchten keine schlägertypen.

  14. apl sagt:

    Okay, was mich jetzt schon öfter gewundert hat: Wie kommen die fast wörtlichen Überschneidungen zu vielen Artikeln bürgerlicher Medien zustande? Schreibt ihr auch einfach dpa-Meldungen um, oder wie kommt das?

  15. Rakete sagt:

    Ne, aber Autor dieses Textes und von dem in der taz sind die selben. Tschuldigung, falls die das zu bürgerlich sein sollte 🙂

  16. apl sagt:

    Keineswegs, bürgerlich war hier nur schlecht gewählte allgemeine Bezeichnung für „normale“/“mittige“ Formate.

  17. Unwichtig sagt:

    Als einer derjenigen, die schon die schmerzhafte Erfahrung machen mussten, solch einen sogenannten „Einsatz-Mehrzweck-Stock“ abgekriegt zu haben, kann ich nur sagen, dieses Video löst bei mir Gänsehaut aus.
    Widerlich und noch merkwürdiger, dass man dazu auch noch klatschen kann.
    Danke an die Leute die ihre Meinung letzten Samstag „frei“ geäußert haben.

  18. herr tröte sagt:

    Alte Weisheit: Je widerlicher der Anlass umso rauschender das Fest!

  19. antifa sagt:

    Texte zum Tag der offenen Tür der Bullen in Gö gibts bei der Gruppe Gegenstrom Göttingen: http://www.gegenstrom.blogsport.de

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