Ab 25. Januar: Die ‚Unbequeme Wahrheit‘ im Cinema
von Schmendi am 18. Januar 2007 veröffentlicht in Cinema, LeinwandBinnen kürzester Zeit ist er von einem gescheiterten Präsidentschaftskandidaten zum Michael-Moore der Umweltbewegung mutiert. Mit schickeren Klamotten, aber dafür mit weniger Action. Die Rede ist – die meisten werden es ahnen – von Al Gore. Der nämlich ist seit Jahren in der Umweltschutzpolitik aktiv und versucht den drohenden Klimawandel aufzuhalten. Seine Ansichten und Erkenntnisse bezeichnet er als „Unbequeme Wahrheit“, und so hat er auch den Film genannt, der schon im letzten Jahr die Programmkinos auch in Deutschland mit hohen Zuschauerzahlen beglückte. Und der jetzt – soviel sei vorweg geschickt – vom 25. Januar und mindestens bis Ende des Monats im Cinema wiederholt wird. Am 29. Januar soll es zusätzlich eine Diskussion mit zwei Professoren vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Uni Göttingen geben.
Der Film basiert auf Diavoträgen, die Gore in den letzten Jahren in den USA gehalten hat. Das erinnert vom Prinzip ein wenig an Michael Moore’s „The Big One“, bei dem letzterer auf einer Lesereise begleitet wurde. Weit über die Hälfte des Filmes besteht aus Al Gore, der vor einem begierig lauschenden Publikum sitzt und über die schädlichen Folgen des CO²-Ausstoßes spricht. Dazwischen kommen ein paar Fernsehbilder vom Hurricane Katrina und Bilder vom Hauptprotagonisten, wie er wahlweise vor dem Laptop sitzt, Wissenschaftler besucht oder mit dem Flugzeug um die Welt fliegt. Letzteres zumindest hat ihm einen Vorwurf eingebracht, der in der Debatte auch nicht besonders neu ist und der etwa in Michael Chrichton’s Roman „Die Welt in Angst“ eine zentrale Rolle spielt: dass das Gerede von Klimakatastrophe & Co doch gar nicht so ernst gemeint sein könne, wo doch gerade diejenigen, die diese These in der Öffentlichkeit vorbringen, selber riesige Klima-Säue seien. Und auch dem zweiten Hauptvorwurf aus Crichton’s wohl umstrittensten Buch musste sich Al Gores One-Man-Show aussetzen: das sie nämlich wissenschaftlich fragwürdig sei und nur mit ausgewählten Fakten arbeiten würde. Was andere natürlich ganz anders sehen und was sich hier als Zusammenfassung der Filmkritiken nachlesen lässt.
Vielen wird einiges, was in dem Film als schockierende Erkenntnis präsentiert wird, noch aus dem Biologieunterricht bekannt vorkommen. Nur das damals der Pathos gefehlt hat, mit der Gore die Zusammenhänge darstellt. Es entsteht dies Gefühl, das die geschilderte Situation schlicht unhaltbar ist, das sofort etwas dagegen getan werden muss. Das ist sicherlich eine der großen Stärken des Filmes, zugleich aber auch eine seiner großen Schwächen. Denn die Mischung aus emotionaler Ansprache und dem Verzicht darauf, gegenteilige Argumente zumindest darzustellen und zu wiederlegen, macht den Film als ‚Propagandawerk‘ oder Selbstportrait angreifbar.
Angreifbar ist der Film auch noch aus anderen Gründen. So vergleicht er Winston Churchill’s Aufruf, von der Appeasementpolitik gegenüber den Nazis Abstand zu nehmen mit der Notwendigkeit, doch jetzt mal den Klimawandel unter politischen Beschuss zu nehmen. Nichts gegen die Notwendigkeit klimapolitischer Veränderungen – aber ein, wenn auch indirekter, Vergleich mit den deutschen Verbrechen zwischen 1933 und 45 scheint doch etwas fragwürdig.
Und auch die Gründe, die Gore für den Klimawandel anführt, scheinen zumindest diskutabel. Es ist eine Mischung aus enormem Bevölkerungswachstum (ein altes Argument konservativer UmweltschützerInnen), technischer Entwicklung (ein altes Argument konservativer ModernisierungkritikerInnen) und den Denk- und Verhaltensgewohnheiten der Menschen (ein altes Argument des Liberalismus, der den Zustand der Welt stets aus dem Denken der Menschen ableiten möchte). Die ganz spezielle Form, wie das Zusammenleben der Menschen organisiert ist oder wie die Technik beschaffen ist kommt nicht wirklich vor.
Und auch die Gründe, warum denn die geschilderten Zusammenhänge abgestellt werden sollten, sind klar hierarchisiert. Da gibt es einerseits das Leiden von Menschen auf der ganzen Welt – und andererseits das Problem, das am Ende gar der Freedom-Tower, der anstelle des ehemaligen World Trade Center aufgebaut werden soll, in den Fluten verschwinden könnte. Und – Menschenleben hin oder her – das geht ja nun wirklich nicht. Vor dem Hintergrund, dass der Film und der Vortrag sicherlich in erster Linie auf die USA abgestimmt sind mag das okay sein – einen faden Beigeschmack hinterlässt es aber trotz allem.