Gastbeitrag eines IWF-Bewohners

Aus Friedland in den Nonnenstieg
von am 3. Januar 2016 veröffentlicht in Migration, Politik, Titelstory
Alltag in der Erstaufnahmeeinrichtung Friedland: Auf irgendetwas warten. (Foto: Wasey)
Alltag in der Erstaufnahmeeinrichtung Friedland: Auf irgendetwas warten. (Foto: Wasey)

Die Erstaufnahmeeinrichtung Friedland ist auf 800 Personen ausgelegt, im Sommer lebten dort über 3500 Menschen. Das hat Konflikte, Traumata und Anspannung provoziert. Nun werden immer mehr Menschen in kommunale Unterkünfte transferiert. Dort soll sich die Situation entspannen, aber viele Probleme bestehen fort.

Ein Gastbeitrag von Wasey Khalil / Guest-Authorship by Wasey Khalil.
For the english original, check below or on Wasey`s Blog

Friedland ist eines der größten Flüchtlingslager in Deutschland und hat als solches eine lange Geschichte. Diese Geschichte ist mit dem zweiten Weltkrieg verbunden, es wurde als erster Anlaufpunkt für Flüchtlinge, Evakuierte und heimkehrende Soldaten 1945 gebaut. Auch heute ist es eine zentrale Station für Flüchtlinge und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nutzt es, um sich dort um Flüchtlinge zu kümmern. Bereits 1947 kam eine Flüchtlingswelle nach Deutschland, es waren etwa 1,4 Millionen Flüchtlinge. Heute steht Deutschland vor einer ähnlichen Situation.

Allerdings gibt es einen großen Unterschied zwischen den damaligen und den jetzigen Flüchtlingen. Damals hatten die Flüchtlinge die gleiche Ethnie und Nationalität. Die Sprache und die Kultur waren sich ähnlich, die Flüchtlinge hatten aber ihre Heimat verloren. Heute hingegen stammen Flüchtlinge in Deutschland aus mehr als zehn Ländern, die sich völlig von Deutschland und auch voneinander unterscheiden. Im Sommer 2015 hat die deutsche Bundeskanzlerin Flüchtlingen einen warmherzigen Empfang angekündigt. Das geschah, nachdem die Welt die schockierenden Bilder des fünfjährigen Aylan [Kurdi] gesehen hat, der beim Versuch Griechenland zu erreichen ertrunken ist. Europa hat seine Tore geöffnet und eine Flüchtlingswelle kam herein. War es unerwartet, dass die Flüchtlinge zu Millionen kommen würden? Das ist für viele, die darüber nachdenken, wie die Lage zu bewältigen ist, noch eine ungeklärte Frage.

In Friedland

Friedland ist ein Lager, in dem mindestens 800 Menschen untergebracht werden können. Aber als so viele Flüchtlinge kamen und die Zahlen auf eine Million anstiegen, wurde aus Friedland ein Lager mit knapp 3500 Flüchtlingen. Flüchtlinge schliefen auf dem Boden der Flure, ohne Matratzen und Decken, wie ich selber erlebt habe. Exzessiver Alkoholkonsum und Streit im Namen von Religion und Herkunft waren Alltag. Es war alarmierend für die Lagerleitung und das BAMF, aber ernst genommen haben sie es nicht. Stattdessen haben sie gesagt, dass sich das legt, sobald die Menschen in ihre richtigen Unterkünfte verlegt werden.

So einfach war es aber nicht. Ich habe oft versucht, mit der Friedländer Lagerleitung zu sprechen und sie gebeten, verpflichtende Kurse für Geflüchtete zu organisieren, in denen sie psychologischen Beistand bekommen und die so für ein ausgeglicheneres Miteinander sorgen. Am besten wäre es gewesen, den Flüchtlingen Vielfalt und Toleranz zu vermitteln. Aber so etwas wurde nie ernst genommen, was mich schon etwas schockiert hat.

Europäische Gesetze und auch die europäische Kultur unterscheiden sich sehr von denen arabischer und asiatischer Länder. Es ist wirklich wichtig, den Flüchtlingen zu helfen, das zu verstehen. Die Menschen in den Lagern streiten sich, weil jemand jemand anderes die Ehefrau oder Schwester angestarrt hat – was in arabischen und asiatischen Ländern als unanständig gilt. Hier hingegen ist ein Lächeln oder das einander zuschauen – in einer nicht-übergriffigen Weise – nicht verboten oder verpönt. Ein iranischer Mann hat einen Afrikaner mit einer Whiskey-Flasche geschlagen, nur, weil dieser mit seiner Schwester geredet hat. Um es noch einmal zu sagen: Es war im Lager und die Leute würden ihre Traumata überwinden, sobald sie in ihre endgültige Unterkunft kommen. Im Lager haben Menschen über ihre Religion und Herkunftsländer gestritten. Und wieder: es würde besser, sobald sie in ihre endgültige Unterkunft kommen.

Dass ich viel übersetzt habe, hat mir einen Einblick in die Beweggründe und Probleme in den Heimatländern vieler Flüchtlinge verschafft. In aller Regel kamen sie hierher, weil sie Frieden gesucht haben. Frieden ist das, was den Heimatländern fehlt. Aber die bohrende Frage ist, warum die Menschen wegen des Friedens herkommen und sich dann hier ständig streiten? Ich habe das ab und zu die Streithähne gefragt, aber die Antworten waren ausweichend. Menschen aus Afghanistan erzählten, sie hätten Probleme mit den Taliban, sie würden von den Taliban bedroht. Aber in Gesprächen kam heraus, dass sie immer noch unsicher sind, ob die Taliban nun gut oder schlecht sind, weil sie den Taliban nicht absprechen wollten, dass sie gute MuslimInnen seien. Solche Antworten kamen meist von denen, die nicht lesen und schreiben konnten und zwar tiefreligiös waren, aber wenig über ihre Religion wussten. SyrerInnen hingegen sind oft zum Christentum konvertiert, um ihre Chancen im Asylverfahren zu erhöhen. Einfach gesprochen habe ich eine Einkaufsstraße der Religionen in Friedland gefunden.

Im Nonnenstieg

Plötzlich wurden Anfang Dezember viele Flüchtlinge in richtige Unterkünfte überwiesen. Das heißt, dass es nun besser werden sollte. Dass die Flüchtlinge eine Chance bekommen, deutsche Kultur und Gesetze kennen zu lernen und entlang dieser zu leben. Es ist wichtig, dass jeder diesen folgt. Einige wurden in den Nonnenstieg verlegt, wo schon zuvor einige Flüchtlinge gelebt haben.

Jemanden zu lieben, hat in Deutschland nichts mit Geschlecht, dem Alter oder der Herkunft zu tun. Die Gesetze sind für alle geich und alle haben das Recht, ihr Leben so zu leben, wie sie wollen. Aber wer erklärt das den Flüchtlingen? Es gibt keinen Unterricht über deutsche Bräuche und die Kultur für Flüchtlinge. Das Problem besteht weiterhin. Vor einigen Tagen habe ich einen heftigen Streit im Nonnenstieg beobachtet, es ging um eine Liebesgeschichte. Eine Afghanin und ein Pakistaner sind ineinander verliebt. Aber der Ehemann der Afghanin hat Fotos davon auf dem Handy des Pakistaners gefunden und versucht ihm das Telefon zu entwenden. Eine heftige Schlägerei ist ausgebrochen, wo mehr als 20 Menschen aufeinander mit Stöcken losgegangen sind.

Solche oder schlimmere Dinge passieren überall und werden nicht aufhören, solange wie die LeiterInnen der Einrichtungen es nicht ernst nehmen. Diversität und Tolerance kommen nicht zustande ohne, dass es einen Plan dafür gibt. Es reicht nicht, den Flüchtlingen Essen zu geben. Es müssen nicht nur Sprache, sondern auch Kultur und die Normen vermittelt werden.

Jeder sollte für die Anstrengungen der deutschen Regierung und die Menschlichkeit der Deutschen dankbar sein. Ich habe nie in meinem Leben erlebt, dass selbst die Polizei Flüchtlinge willkommen geheißen hat. Ich hoffe, die Flüchtlinge erwidern das, so dass weder die Deutschen noch ihre Regierung ihre Entscheidung bereuen und stolz sein können auf ihren Umgang mit Flüchtlingen. Lang lebe Deutschland.


English original:

Friedland is one of the biggest refugee camp of Germany as well as a camp with a long history. It is linked with second world war and was designed as the first way station for refugees, evacuees, and returning soldiers in 1945. Even today it is a big station for refugees and German refugee office is using it as a central unit for dealing with refugees in Germany. In 1947 a flood of more than 1.4 million refugees entered into Germany and today again Germany is dealing with the same sort of conditions.

But there is a big difference between those and today’s refugees, as they were of the same race or maybe from the same nation. Language and culture were the same and people were just displaced. But today, Germany has refugees from more than 10 nations totally different from German and also even from each another. In the mid of 2015, German Federal Chancellor Angela Merkel announced a warm welcome to all the refugees. It was because the world saw a shocking picture of a kid about 5, named Alyan, drowned at sea while crossing to enter to Greece. Europe opened its gates and a flood of refugees came in. Was it unexpected that refugees would be in the millions? This is still an open question for lots of people thinking about how to manage it.

In Friedland

Friedland is a camp where at least 800 people could be accommodated, but when the refugees crossed its number and the counts entered into a million, then Friedland was the camp which had almost 3500 refugees in it. Refugees used to sleep in the corridor even without a mattress and blankets and I am the eye witness of all this. Excessive use of alcohol and fighting in the name of religion, race and language was a daily routine. It was an alarm for the Friedland management as well as for the refugee office too, but they didn’t take it seriously and said that people – once get in their accommodation – will get rid of it. But it was not that simple. I tried a lot to talk to the management of Friedland and asked them to arrange a mandatory class for refugees where they get some psychological rehabilitation classes and also come into harmony. The best thing was to let them understand diversity and to let them understand tolerance. But these things were never taken seriously and I was somehow shocked by it.

European culture and also European laws are far away different from Arab and Asian countries and it’s really important to let the refugees understand it. People in camps fight because someone stared at his wife or sister, and that is unethical in Asian or Arab society. However, the exchange of a smile or looking at someone in a non harmful way is not prohibited in Germany and is not considered unethical. An Iranian guy hit an African guy with a whiskey bottle just because he was talking with the attacker’s sister. But again, it was camp and people would get out of this trauma once they get their transfer to their permanent homes. People fight for their countries and religious thoughts, but again, they would be OK once they get their permanent homes.

Translating for these refugees always let me know about their issues and their problems in their own countries. It was mostly they were here for peace. Peace was missing in their country, but a question always sprang into my mind: when they are here because of fights in their own countries then why they are fighting here? I even asked some of them who were fighting too, but the answers were just excuses. People, mostly from Afghanistan, said: we have issues with the Taliban and our lifes are threatened by the Taliban, but discussion of their country’s history and more with them let the thing out of their hearts that they are even now still confused whether the Taliban are good or bad, as they don’t want to deny that the Taliban are good Muslims. But these answers came out mostly from those who were illiterate and were blindly following their religion, despite knowing nothing about their religion. Mostly Syrians converted to Christianity as they find it a good way to get asylum. In simple words I found a religion shopping street in Friedland.

At Nonnenstieg

Then suddenly, in the start of December, most of the refugees from Friedland got transferred to their homes. It meant things would get better now. They would get a chance to understand the German culture and laws and would start following it as to live in a country – it’s important for one to follow the country’s culture and laws. Some of them got transferred to Nonnenstieg where already some refugees were living.

To love someone it has nothing to do with gender, age or race in Germany. Laws are equal for all and everyone has the right to live the life of their own choice. But who would let the refugees understand that? There is no cultural or custom classes for refugees. That’s where the problem still exists. A few days ago people saw a big fight at Nonnenstieg in Refugees accommodation center and it was more like a love story where an Afghan lady and a Pakistani guy loved each other. The husband of that lady saw their pictures on a cell phone and snatched the guy’s cell phone and then a big violent fight started where more than 20 people were hitting each other with sticks.

Things like this or maybe worse will occur everywhere and will never stop if the management doesn’t take it seriously. Diversity and tolerance will never happen until management makes a plan for it. Let not only feed the refugees, but educate not only the language to them, but the culture and norms of this country, too. Everyone should appreciate the efforts of German government and the love of the German people for humanity, as I never saw something like this in my whole life – where even the police of the country is saying welcome to refugees. I hope these refugees will respond to this love in a way that German people and government both will never regret and so they can be proud of all refugees.
Long Live Deutsch land.

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