Interview zu den geplanten Protesten in Dresden

Dresden Nazifrei?
von am 11. Februar 2012 veröffentlicht in Neonazis, Soziale Bewegungen

Die Neonaziaufmärsche in Dresden gehören zu den größten Demonstrationen der Szene in Westeuropa, in den vergangenen Jahren beteiligten sich jeweils mehrere Tausend Nazis an dem vermeintlichen Gedenken der Opfer der Bombardierung Dresdens. Mit Dabei waren aber auch tausende AktivistInnen aus der ganzen Bundesrepublik, denen es gelang, die Demonstration der Nazis zu verhindern. Dieses Jahr ist unklar, was am 13. und 18. Februar passieren wird – gerüchteweise haben sich wichtige Gruppen aus der Organisation des Gedenkmarsches zurückgezogen, was den Termin am 18. ins Wanken bringt. Auch aus Göttingen folgten 2011 Hunderte dem Aufruf des Bündnisses „Neonaziaufmärsche stoppen“, einem Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Antifagruppen und anderen Organisationen. Wir haben mit Stefan* vom Aktionsbündnis gesprochen, wie die Planung für Dresden 2012 aussieht und was passiert, wenn die Nazis am 18. zu Hause bleiben.

Hallo Stefan. Gleich die erste Frage: Wieso mobilisiert ein Göttinger Aktionsbündnis gegen Naziaufmärsche in Ostdeutschland?

Die Initiative ist aus der bundesweiten Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch in Dresden 2011 entstanden. Der Hintergedanke war, dass es für Dresden ja ein sehr durchgedachtes Konzept zur gemeinsamen Anreise in Konvois gibt und es dabei Sinn macht, sich in regionalen Bündnissen zusammenzuschließen und nach Dresden zu mobilisieren. Wir wollten die breite antifaschistische linke Szene und das Mobilisierungspotential hier vor Ort nutzen, um über die Stadtgrenzen hinaus Leute zu motivieren politisch aktiv zu werden – und ihnen die Möglichkeit dazu geben.

Für die unbescholtenen LeserInnen…Was passiert Mitte Februar in Dresden?

In Dresden findet seit mehreren Jahren Westeuropas größter Naziaufmarsch statt, ein geschichtsreviosionistischer Aufmarsch von Leuten aus der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland, den freien Kameradschaften und der NPD. Vorgeblich, um an die Bombardierung der Stadt zu erinnern. Eigentlich mit geschichtsreviosionistischem Anspruch um eine Täter-Opfer Umkehr zu betreiben. Wobei völlig ausgeblendet wird, was die Geschichte vorher war – die NS-Geschichte und die Gewaltverbrechen, die begangen wurden.

Letztes Jahr ist Dresden ja aus Sicht der Demonstrierenden schon ein Erfolg gewesen, weil sich dort sehr viele Menschen beteiligt haben…wie ist die Vorbereitung dieses Jahr gelaufen? Was plant ihr, insbesondere aus Göttingen?

Wir mobilisieren hier Leute aus der Region, nach Dresden zu fahren und sich an den Massenblockaden gegen den Naziaufmarsch zu beteiligen. Wir beteiligen uns dabei an der Großmobilisierung auf den 18. Februar, wo normalerweise am Wochenende nach dem historischen Datum der Nazi-Großaufmarsch stattfindet…

Was heisst normalerweise?

Normalerweise heisst, dass es jetzt schon einige Verwirrungen gegeben hat in diesem Jahr, da die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland, die normalerweise die Anmelderrolle übernommen hat, offensichtlich sehr geschwächt ist. Es könnte sein, dass sich da eine gewisse Frustration eingestellt hat und jetzt ist das Gerücht aufgekommen, dass die Nazis nicht genügend Mobilisierungspotential haben um in den Dimensionen der letzten Jahre einen Großaufmarsch zustande zu bekommen.

Du hast dich gerade relativ vage gehalten und von Gerüchten gesprochen…wie sicher ist das denn?

Die Informationslage ist ziemlich vage, es ist kein gesicherter Erkenntnisstand, dass da kein Großaufmarsch stattfinden wird. Es gibt starke Hinweise darauf, dass es nicht klappen könnte, dass die Nazis eine große Mobilisierung mit mehreren 1000 Teilnehmern hinbekommen. Es bestehen aber weiterhin Anmeldungen für den 18. Februar in Dresden und es besteht weiterhin die Gefahr, dass es irgendne Trittbrettfahrerorganisation gibt, die diesen Großaufmarsch weiterhin machen könnte. Denn es gibt 1000e Nazis bundesweit, die nur auf diesen Naziaufmarsch warten. Deswegen mobilisieren wir weiterhin zu den geplanten Massenblockaden gegen den Naziaufmarsch.

Ihr mobilisiert wie ursprünglich geplant – was heisst das konkret?

Wir haben uns entschieden, aus Göttingen an zwei Daten Busse nach Dresden anzubieten; Einer am 13. Februar, das ist das historische Datum der Bombardierung selbst. An dem Abend findet jedes Jahr eine regionale Mobilisierung der Nazis mit einem Fackelmarsch statt. Dieser Aufmarsch scheint an Relevanz zuzunehmen in den letzten Jahren waren da etwa 1500 Nazis, dieses Jahr wird da mit 2000 bis 2500 Nazis gerechnet.

Und was ist dann am 18. ?

Am 18. droht weiterhin, dass es einen Großaufmarsch der Nazis in Dresden geben könnte. Wenn das nicht der Fall sein sollte, fahren wir trotzdem nach Dresden. Um einerseits den Erfolg, die Dynamik dieses Aufmarsches gebrochen zu haben darzustellen, so dass klar ist, dass dieser Aufmarsch aufgrund des Widerstands von 1000en Antifaschistinnen zuende gegangen ist…

Also ein Bißchen Selbstbeweihräucherung?

Vielleicht ist das ein bißchen Selbstbeweihräucherung, vielleicht haben wir uns das nach der 3-jährigen Arbeit aber auch verdient. Und andererseits haben wir mit der ganzen Kampagne natürlich das Problem, dass der Staat dabei nicht stillschweigend zugesehen hat.

Also der fade Nachgeschmack der Repression? Wird das dieses Jahr ebenfalls thematisiert werden?

Das ist die Alternative für den 18. Februar. Wenn es dort keinen Aufmarsch der Nazis geben sollte, wird es eine antifaschistische Großdemonstration unter dem Motto “sächsische Verhältnisse kippen” geben. Denn genau diese sächsischen Verhältnisse haben massiv die Blockaden um Dresden Nazifrei und die antifaschistischen Kampagnen belastet. Im letzten Jahr ist die Polizei merklich steilgegangen nachdem sie den Vorwurf bekommen hat, dass sie 2010 die Blockaden hätte räumen sollen. Das hat man an dem Tag selber daran gemerkt, dass es massive Gewalteinsätze der Polizei gab und es auch im Nachhinein krasse juristische Repressionsfälle gab.

Wie ist die Situation in Sachsen generell? Woher kommt dieses rabiate Auftreten der Staatsmacht und was bedeutet es für die GegnerInnen der Nazis?

Gerade in Sachsen zeigt sich am deutlichsten ein Schauspiel von Extremismustheorie at its Best. Wir haben dort seit eh und je eine Schwarz-Gelbe Landesregierung, die alle Behörden insbesondere Sicherheitsbehörden kontrolliert. Und seit eh und je versucht diese Regierung, linkes politisches Engagement zu gängeln – dass meinen wir mit “Sächsische Verhältnisse”. Das ist ein Problem, dass nicht nur linke Leute in Sachsen betrifft. Da die Kampagne von Dresden Nazifrei eine bundesweite Kampagne war, haben Menschen bundesweit unter den Spinnerein der sächsischen Verwaltung und Justiz zu leiden. Und es werden Präzidenzfälle für die Einschränkung der Demonstrationsfreiheit geschaffen, wenn man stillschweigend hinnimmt, dass die Polizei die gesamte Kommunikation auf Versammlungen überwacht. Dagegen muss am 18. ein deutliches Signal gesetzt werden.

Danke für das Gespräch

*Name geändert

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