Rechter Übergriff

Mit deutschem Gruß
von am 15. April 2011 veröffentlicht in Neonazis

Am 3. April soll sich im Göttinger Maschmühlenweg ein rechtsextremer Übergriff ereignet haben, bei dem sowohl ein schwarzes Kind als auch ein Zeuge des Vorfalls bedroht und in die Flucht geschlagen worden sein sollen. Rechte Gewalt ist in Göttingen nicht an der Tagesordnung, seit antifaschistische Gruppen in den 1990er Jahren erfolgreich neonazistische Strukturen aus der Stadt vertrieben haben. Trotzdem gibt es auch hier unregelmäßig Übergriffe.

„Ich rannte gefühlt und tatsächlich um mein Leben“, schreibt der Zeuge einer offenbar rechtsextrem motivierten Attacke in einem Gedächtnisprotokoll. Im Maschmühlenweg war er kurz zuvor einem Neonazi begegnet, der einen schwarzen Jungen rassistisch bedrohte. „Neger, Neger – Hopp, Hopp“, „White power“ und „Ausländer raus“ sollen Parolen gewesen sein, die das etwa 12-14 jährige Kind gegen 12.30 Uhr zum Weglaufen genötigt haben. Auch der Hitlergruß soll gezeigt worden sein. Nicht wie ein typischer Stiefelnazi, sondern wie ein „Turnschuhprolet vom Dorf, verwechselbar mit dem unreflektierten lieben Trinknachbarn vom Nachbargarten“ habe der Täter ausgesehen.

Im Anschluß habe er den Neonazi verfolgt, bis dieser ihn um Feuer gebeten habe, berichtet der Zeuge. „Rassisten kriegen kein Feuer von mir“ war die Antwort, die nun auch für den Zeugen, der sich mittlerweile mit einem Knüppel ausgerüstet hatte, eine Flucht notwendig machen sollte. Schreie, verbale und körperliche Drohungen waren die Kulisse dieser Situation. „Ich rettete mich letztendlich mit der Flucht hindurch abgestellter Güterzüge und über das gesamte Gleisbett in Richtung Güterverkehrszentrum“, heißt es weiter im Gedächtnisprotokoll. Und: „Das Hinterland fängt nicht erst im Harz an“, sondern offensichtlich bereits hinter den Bahngleisen.

Der Polizei ist von diesem Vorfall nichts bekannt, sie ermittelt nun aber von Amts wegen gegen Unbekannt wegen Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Ihr jüngst vorgelegter Bericht über politisch motivierte Kriminalität weist für das Jahr 2010 im Bereich der Polizeiinspektion Göttingen zwei Fälle rechter Gewalt auf. Im Juni leistete eine Person Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, nachdem sie den Hitlergruß gezeigt hatte. In Hann. Münden kam es im Juli zu einem versuchten Brandanschlag auf den PKW eines Angehörigen der linken Szene.

Im Jahr 2009 gab es offiziell keine rechten Gewalttaten im Bereich Göttingen. Allerdings wurde im November 2009 eine junge Muslima auf dem Göttinger Unicampus rassistisch angepöbelt und angegriffen. In diesem Fall ist die Polizei sich jedoch nicht sicher, ob der Angriff politisch rechts motiviert war.

Feste rechtsextreme Strukturen gibt es in Göttingen nicht mehr, auch weil Antifa-Gruppen ihnen das Leben hier schwer gemacht haben. Die neofaschistischen Aktivitäten haben die Nazis ins Umland verlagert. Dennoch tauchen im Stadtbild immer wieder einzelne FaschistInnen auf. Die Gefahr einer körperlichen Bedrohung sei jedoch „vergleichsweise gering“, meint der Journalist und Rechtsextremismusexperte Kai Budler. „Ich würde eine solche Bedrohung allerdings auch in Göttingen nicht ausschließen.“ Insbesondere bei Neonazis aus der Region Northeim schätzt Budler das gewalttätige Potenzial wesentlich höher ein. „Die Gefahr von seiten der Neonazis in und um Göttingen sehe ich vor allem darin, dass sie trotz ihrer Einstellung oft in der bürgerlichen Mitte angekommen sind“, so Budler.

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4 Kommentare auf "Mit deutschem Gruß"

  1. dms sagt:

    „Im Anschluß habe er den Neonazi verfolgt, bis dieser ihn um Feuer gebeten habe, berichtet der Zeuge“
    Das soll bestimmt „Im Anschluß habe der Neonazi ihn verfolgt…“ heißen, oder? Ergibt sonst wenig Sinn..

  2. Rakete sagt:

    Nein, es ist tatsächlich so richtig, wie es da steht. Der Zeuge will zunächst unbemerkt die Verfolgung aufgenommen haben.

  3. Dr. Gonzo sagt:

    das gesamte gedächtnisprotokoll der zeugin/des zeugen ist in der heutigen GoeDru abgedruckt….

  4. Sam sagt:

    Hinweis zur Reflexion der Schreibweise dieses Artikels
    (aus Noah Sows „Deutschland Schwarz Weiß“)

    „Dass „Schwarz“ nachfolgend immer groß geschrieben wird, soll darauf aufmerksam machen, dass es kein wirkliches Attribut ist, also nichts „Biologisches“, sondern dass es eine politische Realität und Identität bedeutet. Auch hat „Schwarz“ den Vorzug, dass es ein selbst gewählter Begriff ist und keine Zuschreibung. Diese Schreibweise hat sich im akademischen Umfeld und in Fachpublikationen etabliert. Bei „weiß“ handelt es sich ebenfalls um eine Konstruktion. Da dieser Begriff aber im Gegensatz zu „Schwarz“ keine politische Selbstbezeichnung aus eine Widerstandtssituation heraus ist, wird er im Buch als Adjektiv klein geschrieben.“

    Ich denke die Zeilen machen deutlich warum die*der Verfasser*in auf einen angemessenen Sprachgebrauch achten muss.
    Es wäre klasse, wenn ihr den Artikel dementsprechend nochmal durchschaut und überarbeitet.

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