Monsters Reisen empfiehlt: Rocken am Brocken
von John K. Doe am 19. August 2007 veröffentlicht in MusikIch finde es irgendwie immer lustig, wenn man von Göttingen Richtung Osten fährt und die ersten Orte dann ausgerechnet Elend und Zorge (also Sorge) heißen. Herrlich! Und ich wette die Leute dort können genau solche Gags kaum mehr hören und Idioten wie ich, die das immernoch Lustig finden hängen ihnen völlig Rechtens zum Halse raus. Ein Festival in Elend! Am 24. und 25.8. heißt es „Rocken am Brocken“. Das klingt so ein wenig nach Rock am Ring, und da stellen sich die Ohren wie die Nackenhaare erstmal auf. Besoffene Minderjährige, mitgebrachte Sofas, und Tanzen im Matsch im Angesicht unnötiger Corporate-Rock-Scheißbands. Schwülstige Massenveranstaltungen, die notwendig sind um die Kassen auf allen Seiten zu füllen, denn – wir wissen es alle – das Business geht (endlich) vor die Hunde.
Die Organisatoren von „Rocken am Brocken“ lassen es ruhiger angehen. Gesponsert unter anderem durch Rewe (offen bis 22 Uhr), Schierker Feuerstein und Axe (der Duft, der Frauen bekanntermaßen provoziert) wird eine Bühne im schönen Nationalpark Harz aufgebaut und dann werden 16 Bands darüber geschubst. Angaben ohne Gewähr, schon allein, weil im Rahmen dessen ein „Local Heroes“-Wettbewerb stattfindet. Und gerade bei so etwas gibt es ja immer was zu lachen. Erstaunlich, was sich manche Leute da so trauen. Der Festivalpass kostet 19 Euro, und da kann nun nicht einmal ich meckern. Als besonderen Kracher kann man sich sogar eine beschauliche Anreise in einem Zug mit Dampflok gönnen. Vielleicht sitzt da dann auch Pink, die nervende Rockröhre, allzeit schlecht frisiert, vorzugsweise mit BWL-Iro. Auf der Seite des Veranstalters grinst sie zumindest fröhlich in die Kamera, während ein junger Mann neben ihr ebenso grinsend den Festivalpass in die Kamera hält, sowie eine Schnapsflasche mit der Aufschrift „Fickes“ – möglicherweise signiert durch den Rockstar. Wer das Festivalgelände erreicht, darf sich also auf ein recht dichtes Programm freuen, auch ohne die Oberrockerin aus Pennsylvania. Der erwähnte Bandwettbewerb leitet das alles ein. Am frühen Abend gibt sich hier Gitarre in die Hand, was mindestens ein Metallica-Solo bis zum Kotzen beherrscht. So stelle ich mir das jedenfalls vor.
Am Freitag gibt es daneben dann Cucumba Poo. Eine Band, die locker mit dem Dampflokzug anreisen könnte, denn sie kommt auch aus dem Harz. Vier junge Männer, fasst allen wachsen Haare aus der Kinngegend. Mal laut, mal leise, aber immer wenig überraschend geht die Band ihrer Sache nach, die nicht so wirklich meine ist. Begbie aus Magdeburg nennen das, was sie da machen, „Emo-Pop“. Trifft wohl auch für Cucumba Poo zu, Begbie machen das irgendwie besser. Interessanterweise sind beide Bands erfolgreiche Teilnehmer von Local Heroes-Wettbewerben. Spitting Of Tall Buildings dürfen dem einen oder anderem durch Sängerin Jana Pallaske bekannt sein, Schauspielerin mit Kurzausflug im Musikfernsehen. Nun also auch noch Sängerin in einer Band, von der man sich erzählt, sie hätte sich aufgerieben und ist jetzt auf Abschiedstour. Spitting Of Tall Buildings klingen durchweg erwachsen, durchweg sehr 90er. Unterhaltsam in jedem Fall. „Man nehme eine Portion Ska, einen ordentlichen Batzen Punk, reichlich vom guten Ragga und je eine Priese Hardcore und Hip Hop.“ – das verfasst die Band Ska-T über sich selbst. Klingt wie die Anleitung zu einer musikalischen Bombe völlig fehlgeleiteten Geschmacks. Ein musikalischer Bastard, der mir schon beim Lesen einen Schrecken einjagt. Das macht das völlig unwitzige Wortspiel im Bandnamen kaum besser. Klingt tatsächlich wie alles, was man so in der Richtung hören musste. Einer der Sänger würde am liebsten Seeed sein. Mit Fire In The Attic wird dann noch ein „Screamo“-Act auf die Bühne gehieft. Das rundet den Abend gut ab, die Band genießt trotz ihres kaum originellen Programms den Ruf einer exzellenten Live-Show.
Auch beim Samstag hat man sich offensichtlich auf ein Programm eingeschossen, dass aus einer ganzen Reihe von Bands aus der Region besteht. Blickfeld, Exit Inside, Ich Kann Fliegen, Slightly Perfect und Leguano – sie alle kommen aus Niedersachsen. Und auch hier fällt auf Bands kriegen eine Chance, auch ohne große Veröffentlichung. Das finde ich, auch wenn die Bands in der Qualität stark (sehr stark!) variieren, außerordentlich gut. Alles seichte Rockbands, die einen großen Teil des Samstagprogramms bestimmen, bis auf Leguano, die sich als Metal-Band bezeichnen und teilweise auch so aussehen. Musikalisch durchaus in aufgeplusterter Balladenvariante zu haben (Megapeinlich: „Songpreviews“ auf der Myspace-Seite, so was kann man sich wirklich klemmen!), bisweilen wird bei Metallica hoffnungslos geklaut. Aber das gehört irgendwie auch dazu. Von weiter angereist sind Wilson Jr., die aus mir völlig unverständlichen Gründen vom absoluten und kompetenten Fachmagazin Uncle Sallys mit Sparta verglichen werden. Höher und gleichzeitig weiter weg kann man kaum greifen. Der bisweilen nervende Gesang lässt trotzdem Potenzial der Band erkennen. Ebenfalls deutsch unterwegs, die Münchener von Fertig, Los!. „Ein Bandname wie eine Initiativbewerbung für die Pop-Geschichtsbücher.“ frohlockt die Band vollmundig selbst. Ich wage das zu bezweifeln, aber ich habe beruhigender Weise auch nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen. Deutsch-Rock, der erbarmungslos aber auch völlig sinnfrei in die Ohren schlägt (sich dort aber auch schnell wieder verabschiedet). Von 5Bugs aus Berlin kann man sich jetzt schon reichlich T-Shirts kaufen. Immerhin, auch eine Platte wird dazu gereicht. Die Band hoppelt sich durch populäres „Emo“- Gewirr, in Tradition (hahaha) von Bands wie The Used oder anderen Schminkköfferchen-Bands. Eingängiger Gitarrenrock, mehr Pop als alles andere. An keiner Stelle böse. An keiner Stelle eine Kante. Reichlich Chor, reichlich Refrain. Als Headliner dürfen die Kilians aus Dinslaken ran. Recht fröhlicher Rock, der etwas brav rüberkommt, und immer mal an die dicken Strokes aus dem fernen New York erinnert. Bisweilen wirken die Kilians dabei wie eine Coverband.
Zum Festival mitgebracht werden dürfen neben Besuchern Essen, Zelte, kleine Pavillions, Dosenbier, Plastikflaschen, sowie alles was nicht in Glasflaschen gefüllt ist oder Feuer verursachen könnte. Nicht gern gesehen hingegen sind Notstromaggregate, Feuerwerkskörper und Campingkocher. Alles in allem ein beschauliches Festival, bei dem die Veranstalter einen richtigen Weg gehen. Lieber mal Bands aus der Region, dafür moderate Eintrittspreise – denn das ist der Zielgruppe durchaus angemessen. Und das es musikalisch an vielen Ecken etwas mangelt, lässt sich dann auch irgendwie verschmerzen.
Rocken am Brocken, vom 24.08. – 25.08. im schönen Elend!
Mehr Informationen, Anfahrtsbeschreibungen sowie Links zu allen Bands gibt es hier.
Cucumba Poo und Emo Pop? Liebster John, auch wenn ich deine Texte sonst sehr schätze, aber das war ja wohl ein Griff ins Klo! Das hat auch nichts damit zu tun, dass der Schlagzeuger des öfteren mit mir zusammen Bier trinken geht und soll auch keine qualitative Wertung sein, aber Emo-POP ist nun wirklich was anderes…
das ist eben die frage, was ist eigentlich „emo-pop“?! das ist eine wort- und sinnlose kategorie, ausgedacht hier von einer band die selber nicht fisch und fleisch ist (begbie). und ähnlich sieht es meiner ansicht nach mit cucumba poo aus, bei denen ich vielleicht das „pop“ streichen würde – was die sache aber nicht entscheidend besser macht, denn „emo“ an sich ist heutzutage völlig sinnfrei geworden wenn man sich auf die such nach einer musikalischen kategorie macht. auf der tides and climate e.p. klingen cucumba poo unentschieden zwischen „hart gemosht“ und schminkkoffer. letzteren beherrscht die band etwas besser, aber ich kann das einfach nicht mehr hören. für mich ist das recht facettenlos (wie pop im übrigen oft ist), aber eben auch nicht völlig schlecht. ohne den manchmal arg kehligen gesang würde mir das deutlich besser gefallen.