Gastbeitrag über den Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen
Wenig Erfolg, zunehmend bedrohlich
von Rune Wiedener am 17. Februar 2016 veröffentlicht in Neonazis, TitelstoryFür den "Nachmittagssport" haben sich diverse AnhängerInnen des Freundeskreises passend angezogen (Foto: MR)
Die „nationalen Aktivisten“ des Freundeskreises Thüringen/Niedersachsen wollen zukünftig ihre Strategie ändern. Nachdem in den vergangenen Wochen ihre Kundgebungen immer weniger Zulauf erfuhren, soll es nun jeden Monat eine Demonstration und täglich Aktionen „einzelner Kadergruppen“ geben. Diese Änderung des Vorgehens ist nicht als Zeichen der Stärke zu werten.
Von Rune Wiedener
In Duderstadt nahmen zuletzt nur etwa 35 AktivistInnen an der Kundgebung des Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen teil. Hauptredner Jens Wilke verkündete dort, dass die erste Demonstration, zu der bundesweit mobilisiert werden soll, am 5. März in der Region stattfinden wird. Ein möglicher Demonstrationsort ist Adelebsen. Hier hat Mario M., Neonazi und verurteilter Gewalttäter, eine Bürgerinitiative gegründet und via Facebook für den Frühling angekündigt, „auf der Straße aktiv zu werden“.
Weiterhin erklärte Wilke, dass nun „Stufe 2“ der Aktivitäten eingeläutet werde. Nun würden jeden Tag Aktionen des „Freundeskreises“ erfolgen. Welchen Aktionstyp die extrem rechte Gruppierung wohl favorisiert, zeigte sich kurz vor der eigenen Kundgebung in Duderstadt. Eine Gruppe vermummter Neonazis um Gianluca B. und Malte A., welche sich zuvor mit den anderen „Freundeskreis“-KundgebungsteilnehmerInnen getroffen hatte, stürmte auf die Kundgebung des Bündnisses gegen Rechts zu. Die Polizei schritt zunächst ein, konzentrierte sich in der Folge jedoch nicht auf dieses zumindest provokativ gemeinte Verhalten. Sie reagierte stattdessen aggressiv auf antifaschistische AktivistInnen, die „Nazis raus“ riefen.
Die Gruppe noch sehr junger Neonazis nahm im weiteren Verlauf an der „Freundeskreis“-Kundgebung teil. Dass diese auch dort durchgängig vermummt waren, störte die Göttinger Bereitschaftspolizei, wie bei allen bisherigen Veranstaltungen, in keinster Weise. Das Vorgehen der Neonazis nannte Wilke „Nachmittagssport“.
Zeichen der politischen Schwäche?
Dieses Auftreten ist jedoch kein Zeichen der politischen Stärke: Der „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ hat es nicht geschafft, außerhalb der regionalen Neonaziszene bürgerliche Kräfte in größerer Zahl zu mobilisieren. Daher ist statt einer „bürgerlichen Mitte“ nun die neonazistische extreme Rechte der politische Bezugsrahmen für Jens Wilke, Jan Philipp Jaenecke oder Dominique und Daniel R., in Reden wird mittlerweile die Zugehörigkeit zur „nationalen Opposition“ bekräftigt.
Die TeilnehmerInnenzahlen gingen in den letzten Wochen kontinuierlich zurück, ob in Duderstadt, Heiligenstadt oder in Lindau. Im letztgenannten Ort sagte der Anmelder der Kundgebung, Jan Philipp Jaenecke, diese kurz vor ihrem Beginn ab. In Northeim stagnieren die TeilnehmerInnenzahlen weiter bei den altbekannten 20-30 Personen. Teilweise dauerten hier die Kundgebungen nicht einmal zehn Minuten.
Burschenschaft Hannovera ohne Aktivitas
Ferner hat sich mit Lars Steinke einer der früheren Hauptakteure aus den Aktivitäten des „Freundeskreises“ zurückgezogen. Er konzentriert sich nun auf sein Engagement in der AfD. Dies hat wohl auch den Grund, dass Gerüchten zufolge Steinke wie auch Jaenecke ihren wichtigsten sozialen wie politischen Rückhalt in Göttingen verloren haben. Unabhängig voneinander berichten mehrere Quellen, dass die alte Herrenschaft der Burschenschaft Hannovera ihre Aktivitas aufgelöst hat. Dies hätte zur Folge, dass Lars Steinke in den Stand der Alten Herren gehoben wurde, wodurch zugleich sein Einfluss auf die aktiven Burschen der Verbindungen erheblich verringert würde.
Jaenecke, dessen Eintritt angeblich mitentscheidend für die Entscheidung der Alten Herren gewesen sein soll, hätte keine Zukunft im Lebensbund der Hannovera. Damit würde er innerhalb weniger Monate bereits zum zweiten Mal eine Göttinger Verbindung verlassen müssen. Jaenecke, der ebenfalls zeitweise vermummt auf Kundgebungen des „Freundeskreises“ auftrat, dürfte damit endgültig im neonazistischen Lager gelandet sein. Steinke wiederum möchte wohl eine mögliche Parteikarriere in der AfD nicht gefährden.
Erfolgreiche Gegenproteste
Die Entscheidung, militanter und aktivistischer aufzutreten, ist für die ProtagonistInnen des „Freundeskreises“ wohl auch deswegen notwendig, um weiterhin dem eigenen Selbstbild zu entsprechen, die Interessen des „deutschen Volkes“ gegen jene der „Finanzeliten“ zu verteidigen. Zwar mögen sie sich aufgrund der aktuellen politischen Debatte rund um die sogenannte „Flüchtlingskrise“ und des Agierens der politischen Führungsspitze in ihren Positionen bestätigt sehen. Ein klar erkennbarer Zuspruch aus größeren Teilen der Bevölkerung fehlt allerdings. Nun wird mittels der Erhöhung der Aktivitäten versucht, weiter Handlungsmacht aufzuzeigen, damit endlich „das Volk (…) aufwachen“ möge. Hier liegt auch die politische Gefahr dieser Aktivitäten: Zwar gibt es in der Region keine völkischen Großdemonstrationen wie in Erfurt oder in Dresden. Aber die Wahrscheinlichkeit gewalttätiger Aktionen nicht nur gegen Sachen, sondern auch gegen Personen, steigt.
Dies zeigt sich auch in dem Angriff auf eine Geflüchtetenunterkunft in Hardegsen am 6. Februar. Der Gegenprotest der InitiatorInnen der „Alarmliste Göttingen & Umgebung“ am darauffolgenden Wochenende und der hohe Zulauf zu den Versammlungen der Bündisse gegen Rechts in Lindau und Duderstadt machen aber deutlich, dass in Südniedersachsen eine gesellschaftliche Hegemonie gegen die Extreme Rechte und ihren völkischen Rassismus produziert worden ist.