HNA Wahlberichterstattung
Plattform für Neonazi
von Wieland Gabcke am 3. September 2013 veröffentlicht in Neonazis, TitelstoryKein unkritisches Portrait: Marcorrmann auf dem neonazistischen "Trauermarsch" in Bad Nenndorf im Sommer 2013 (Foto: Publikative.org)
Die Hann. Mündener Redaktion der HNA hat dem Neonazi und NPD-Politiker Marco Borrmann in einem Portrait eine Plattform geboten. Nachdem es Kritik hagelte, entfernte die Redaktion den Artikel wieder aus dem Internet. Die Chefredaktion entschuldigte sich für die Veröffentlichung.
Ein am 1. September bei HNA-Online erschienenes Portrait über den NPD-Funktionär und verurteilten Straftäter Marco Borrmann ist im Internet auf Kritik gestoßen. Borrmann, der für den Bundestag kandidiert, wurde Gelegenheit gegeben, seine nationalistische Position darzustellen. So forderte er den Austritt aus Euro und EU sowie die Einrichtung einer „Ausländerquote“. Außerdem bekundete Borrmann seine Sympathien für die Partei Alternative für Deutschland.
Für die Veröffentlichung musste die HNA einiges an Kritik einstecken. Unter anderem äußerten sich Publikative.org und der Störungsmelder-Blog von Zeit Online zu der Berichterstattung. „NPD PolitikerInnen eine Bühne zu geben, in der sie ihre Wahlwerbung völlig unkritisch darstellen können, hat nichts mit Pressefreiheit oder journalistischer Meinungsbildung zu tun, sondern ist schlicht und einfach falsch und naiv“, kommentiert der Störungsmelder die Veröffentlichung. Auch die Reaktionen in den Kommentarspalten der HNA waren fast ausschließlich negativ. Der Nutzer epicpet schrieb etwa: „Warum portraitiert ihr den? Und dann auch noch so unkritisch!“
Inzwischen hat sich auch die grüne Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon in die Debatte eingeschaltet. In einem offenen Brief (PDF) wendet sie sich an den HNA-Chefredakteur Horst Seidenfaden. Darin heißt es: „Es ist unfassbar, dass eine Tageszeitung, deren Lokalteile vielerorts als Leitmedium fungiert, ohne einen Hauch der Kritik über die Bundestagskandidatur eines NPD-Kaders berichtet und ihm damit eine Plattform für seine Propaganda bietet.“
Wollte die HNA tatsächlich einem bekennenden Neonazi eine Plattform bieten? Eine Anfrage von MOG an die Lokalredaktion der HNA in Hann. Münden blieb unbeantwortet. Zeit Online gegenüber bedauerte die HNA-Chefredaktion das Portrait. Den Lokalredaktionen seien klare Vorgaben gemacht worden, größere Portraits seien nur für im Bundestag vertretene Parteien vorgesehen gewesen. „Das Porträt des NPD-Kandidaten in der Mündener Ausgabe der HNA entspricht nicht diesen Vorgaben. Chefredaktion und Lokalredaktion bedauern dies,“ so die Chefredaktion. Der Artikel wurde inzwischen von der HNA-Redaktion wieder entfernt. Zur Zeit ist der Artikel samt Kommentaren nur noch über den Google Cache einsehbar.
Marco Borrmann ist ein in Südniedersachsen bekanntes Mitglied der Kameradschaft Northeim und der NPD. Er stammt aus dem Umfeld von Thorsten Heise und musste sich Ende 2008 wegen eines Gewaltdelikts vor dem Amtsgericht im thüringischen Pößneck verantworten. Die niedersächsische Landesschulbehörde entließ Borrmann daraufhin von seinem Dienst als Schulassistent am Max-Planck-Gymnasium in Göttingen, wo er seit 2006 tätig war.