Interview mit dem "No Heimat"-Bündnis

Antifademo sucht TeilnehmerInnen
von am 29. April 2013 veröffentlicht in Neonazis, Soziale Bewegungen, Titelstory

"No Heimat"-Protest 2012: Nur 200 GegendemonstrantInnen. Foto: Bündnis No Heimat.

Im thüringischen Eichsfeld etabliert sich ein Nazi-Event und kaum jemanden interessiert’s: Der „Nationale Kundgebungstag“ von Thorsten Heise. 1000 Nazis standen im vergangenen Jahr 200 AntifaschistInnen gegenüber. Wie schon im vergangenen Jahr organisiert das antifaschistische “No Heimat”-Bündnis eine Gegendemo. Mehr Unterstützung erhofft sich das Bündnis vor allem von Göttinger Antifagruppen.

Am Samstag ist es wieder so weit: NPD-Kader Torsten Heise lädt zum Nazi-Fest nach Leinefelde. Nur langsam wächst der Protest dagegen. Andre Schulz vom „No Heimat“-Bündnis hat mit Monsters of Göttingen über die Entwicklung der rechten Szene und die Gegenproteste gesprochen.

MOG: Vor einem Jahr zeigte ein Bewohner der Stadt Leinefelde der Antifademo von seinem Fenster aus den Hitlergruß. Was für Aktivitäten von Nazis habt ihr im Eichsfeld in letzter Zeit beobachtet, gab es da besondere Vorfälle? 

Schulz: Zuletzt wurde im August 2012 das Haus und ein paar Mülltonnen der Landtagsabgeordneten der Linkspartei in Leinefelde, Johanna Scheringer-Wright, mit Hakenkreuzen bemalt. Im Juli haben Nazis am Bahnhof eine Wand bemalt. Man sah einen Nazi in Uniform, der den Hitlergruß macht und überall so Nazi-Symbolik – 88, SS, da neben stand sogar Eva Braun. So Schmierereien halt.

Irgendwelche Übergriffe, die euch bekannt sind?

In Leinefelde selbst letztes Jahr nicht. 2011 wurde ein Wahlstand der Linken angegriffen. Dabei gab es allerdings keine Verletzten, es gab vielmehr Stress als Schläge. Die wurden geschubst und der Stand wurde von Neonazis geräumt. Gezielte Angriffe gegenüber Antifas oder gegenüber linken Jugendlichen gab es unserer Kenntnis nach nicht.

Nazis um die Ecke

In den vergangenen sechs Jahren sind Neonazis dutzendfach in der Stadt Göttingen und der Umgebung aufgetreten. Mit Kundgebungen, Grabschändungen und sogar Übergriffen haben sie ihrer Menschenverachtung Ausdruck verliehen. Wir haben in einer interaktiven Grafik aufgearbeitet, wann sie wo zugeschlagen haben: #nazidoku

Der Eichsfeldtag heißt ja jetzt Nationaler Kundgebungstag. Neben dem Ex-NPD-Vorsitzenden Udo Voigt hält unter anderem auch der Rassentheoretiker Pierre Krebs eine Rede. Wie schätzt ihr die diesjährigen Aktivitäten beim Eichsfeldtag ein?

Die Aktivitäten zielen in diesem Jahr auf ein breiteres Publikum als in den letzten zwei Jahren. Mit Pierre Krebs sprechen die Veranstalter ein anderes Publikum als die freien oder die radikalen Kräfte an, die sonst immer da waren. Eingeladen sind in diesem Jahr auch Rechtspopulisten und rechtspopulistische Politiker. Dass Udo Voigt kommt, ist ganz interessant: die NPD ist gerade ein bisschen gespalten, viele beurteilen die Politik von Holger Apfel als nicht radikal genug. Deswegen gibt es jetzt auch den Freundeskreis Udo Voigt…

…der von Thorsten Heise mit initiiert wurde.

Das finde ich sehr bemerkenswert. Dadurch wird klar, was Heise mit diesem Nationalen Kundgebungstag bezwecken möchte: Nämlich alle radikalen Kräfte zusammen zu binden, also nicht nur Leute von der NPD. Sondern auch die neue Rechte, den radikalen Flügel der NPD, die freien und radikalen Kräfte, die eher in Kameradschaften oder unorganisierten Gruppierungen aktiv sind.

Klingt so als ob da ein neues Netzwerk geknüpft wird, mit Thorsten Heise als Strippenzieher. Wie gehen denn die BürgerInnen damit um?

Die BürgerInnen merken das eigentlich nicht. Die sagen auch sehr oft, dass die meisten Nazis nicht aus der Region kommen würden, sondern aus anderen Städten. Aus Dortmund zum Beispiel, wo die Szene größer ist, oder aus Berlin, Sachsen, Brandenburg. Aber die meisten Neonazis, die da anreisen, kommen aus der Gegend. Viele kommen aus Kassel, die haben letztes Mal auch die Ordner gestellt. Ein paar kommen aus Göttingen. Das sind die, die für das „leibliche Wohl“ der Neonazis bei der Veranstaltung sorgen. So steht das zumindest auf der Homepage der NPD Eichsfeld. Die BürgerInnen merken einfach nicht, was für ein Netzwerk das ist. Die wissen wahrscheinlich auch gar nicht, wer Pierre Krebs ist. Die meisten wissen auch nicht, was in der NPD gerade intern passiert.

Und die Behörden? Ihr habt ja dokumentiert, dass letztes Jahr Straftaten begangen wurden. Zum Beispiel durch Bands die sich in ihren Texten über den Holocaust lustig machen.

Das war die Band Lunikoff-Verschwörung, die spielen aber nicht in diesem Jahr. Ja, da wurden Straftaten begangen, die Polizisten haben das offensichtlich mitbekommen, weil sie nur 100 Meter entfernt von der Bühne standen. Aber die Staatsanwaltschaft hat die Bands nicht angeklagt. Es gab aber letztes Jahr im Vorfeld eine Klage gegen den Nazi-Event von der Stadt Leinefelde und vom Landrat Werner Henning (CDU). Die erste Klage wurde vom Verwaltungsgericht in Weimar nicht weiter verfolgt. Es gab dann noch eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht Thüringen, doch das wurde auch abgelehnt. Die Veranstaltung wurde also von den Behörden genehmigt.

Der Eichsfelder Kreistag hatte eine Resolution verabschiedet. Die habt ihr als unzureichend kritisiert. Was stört euch denn genau an dieser Resolution?

Man sieht ja ganz deutlich, dass beim Eichsfeldtag auch freie und radikale Kräfte angezogen werden. Die Resolution ist unzureichend, weil darin nur die NPD problematisiert wird. Der Protest von No Heimat richtet sich ja nicht nur gegen die NPD, sondern allgemein auch gegen diese Ideologie. Und diese Ideologie wird auch durch radikale Kräfte, durch freie Kräfte, durch die neue Rechte vertreten. Natürlich auch durch die NPD, aber man kann ja nicht nur gegen die NPD sein.

Hintergrund

Der Name ändert sich in jedem Jahr, das Konzept bleibt dasselbe: 2011 veranstaltete Thorsten Heise in Leinefelde zum ersten Mal den Eichsfelder Heimattag. 2012 nannte er sein Nazi-Fest dann Eichsfeldtag. In diesem Jahr soll die Veranstaltung „Nationaler Kundgebungstag“ heißen. Beim Blick nach Rechts ist ein ausführlicher Hintergrundartikel dazu erschienen.

In der Resolution werden die BürgerInnen zur Teilnahme an der „Bündnis gegen Rechts“-Demonstration aufgerufen, nicht an der Antifa-Demo. Wie geht ihr denn mit dieser Spaltung des Protests um? 

Das war für uns ein ziemlich großer Schlag ins Gesicht, darüber haben wir auch diskutiert. Außerdem hat uns sehr gestört, dass das BürgerInnen-Bündnis an uns Anforderungen gestellt hat. Zum Beispiel sollten wir schwören, dass wir keine staatsfeindlichen Parolen sagen. Wir sind ein Bündnis. Wir bestimmen nicht, wer an unserer Demo teilnimmt. Ich persönlich hätte keine Lust, diese Verantwortung zu übernehmen. Wenn jemand eine staatsfeindliche Parole sagen will auf einer Demo, kann ich das verbieten? Nein, kann ich nicht, die Leute sind da und sagen einfach was. Zweitens finde ich es schon sehr bedrohlich, dass die uns nach den Namen unserer Redner und Rednerinnen gefragt haben. Das ist für mich einfach so eine Art Kooperation zwischen Bürger-Bündnis und Polizei. Ich habe keine Lust, dass die Leute die vom Lauti aus reden werden, vielleicht bei den Polizisten bekannt werden.

Werdet ihr denn mit dem „Bündnis gegen Rechts“ zusammen demonstrieren?

Wir haben als Kompromiss vorgeschlagen, dass wir als Jugendblock an der Spitze der Demo laufen und unseren eigenen Lauti haben. Wenn sie diesen Kompromiss ablehnen, werden wir unsere eigene Demo machen. Das BürgerInnen-Bündnis hat auch gefordert, dass wir erst mal die Politprominenz ein bisschen vorweg laufen lassen, damit die Fotos mit der Presse machen können. Uns ist das egal, das können sie gerne tun. Sie werden dort sowieso nur zwei Minuten sein, ein paar Fotos schießen und dann wieder gehen.

Welche Form des Protests haltet ihr denn für notwendig?

Wenn viele Leute an der Demo teilnehmen, wäre das schon eine gute Protestform. Letztes Jahr haben das nur 200 Menschen getan. Gegenüber auf dem Sportgelände gab es 1000 Nazis. Das sind schon sehr unterschiedliche Verhältnisse. Ich glaube nicht, dass man in Leinefelde großartig was verändern kann. Ich glaube auch, dass man vielmehr das ganze Jahre über etwas machen müsste. Ob mit Jugendclubs, Jugendarbeit oder auch vielmehr Prävention in der Schule. Aber jetzt konkret für diese Tage ist es sehr schwierig.

Die Anreise der Nazis wird sehr massiv sein: Die organisieren jetzt gemeinsame Abfahrten und ich persönlich hätte auch keine Lust dann eine Blockade auf der Straße zu machen, wenn die Nazis da ankommen. Die Verhältnisse sprechen nicht für uns und wir können es uns auch nicht leisten, dort etwas anderes als eine Demo zu machen.

In Hannover, Braunschweig, Kassel und Göttingen gibt es derzeit Mobilisierungsveranstaltungen. Göttingen ist von all diesen Orten am nächsten dran. Wie war das denn in den letzten Jahren? Würdet ihr euch mehr Unterstützung aus Göttingen wünschen?

„Ich wünsche mir viel mehr Unterstützung

2011 war das schon ziemlich enttäuschend, weil viele antifaschistische Gruppen nicht teilgenommen haben. Ich weiß aber nicht, ob das aus Kapazitäts- oder Zeitgründen war. Letztes Jahr gab es ein bisschen mehr Unterstützung. Klar wünsche ich mir in diesem Jahr viel mehr Unterstützung. Aber ich weiß nicht, ob die kommt. Ich finde auch, dass sich die Antifa-Gruppen in Göttingen aus dieser Sache raus ziehen.

In Thüringen wird dieser Event von der Antifa-Szene krass wahrgenommen. Die haben aber schon genug zu tun, zum Beispiel mit Rechtsrock-Events in Jena und Gera. Für die ist sowas nichts Besonderes mehr. Und ich glaube es wäre gut, wenn sie sähen: Okay es gibt auch Unterstützung aus Braunschweig, aus Hannover, aus Kassel, aus Göttingen.

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Ein Kommentar auf "Antifademo sucht TeilnehmerInnen"

  1. no heimat « sagt:

    […] aktuelle Infos auf dem blog und einen Artikel mit links und Hintergrundinfos bei monsters […]

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