Konzert in der musa

Turbostaat: von Bärten und Konzerten
von am 9. Dezember 2010 veröffentlicht in Musik

Turbostaat waren dieses Jahr wirklich überall irgendwie. Von so gut wie jeder kleinen und großen Musikzeitschrift guckten die fünf vertrauten Gesichter und berichteten Allerlei zum neuen Album „Das Island Manöver“. Sogar der Spiegel wusste von „Jens-Rachut-Gedenk-Punk“ zu berichten. Nein, der Band konnte man sich kaum entziehen. Auch weil Turbostaat exzessiv touren und dieses Jahr in den üblichen kleineren Läden spielten und gleichzeitig auf den großen Festivals zu sehen waren. Und weil vieles in vielen Interviews bereits gesagt wurde, habe ich mir Tobert (Bass) geschnappt und mal nachgefragt, wie es denn so ist…mit dem vielen Touren und neuen Ideen.


Turbostaat, ganz links wartet Moses Schneider darauf, dass die Band endlich wieder an die Arbeit geht.

John: Ich weiß nicht die wievielte Tour das jetzt für Euch dieses Jahr ist, aber mir kommts vor, als wenn ihr dieses Jahr extrem viel unterwegs gewesen seid. Und nun seid ihr ja fast alle Familienväter inzwischen? Gibt’s zu Hause schon auf den Deckel?

Tobert: Das ist der fünfte Zehntagesblock, nach gefühlten 50 Festivals … Unsere Ladies sind wirklich sehr robust und dafür bedanken wir uns stets mit an der Tanke geklauten Blumen … Mal ehrlich: Dieses Jahr mussten wir hart rangieren, meine Dame macht ja Kunst und darf dann halt mal nicht nach New York zum ausstellen, oder verpasst die Hängung ihrer Sachen in Basel, also alles Dinge, die mir fast mehr bedeuten, als aufm Rock am Ring zu spielen … aber wir respektieren beide unsere Sachen und sind gegenseitig Fan und ich muss dann die ganze Zeit anrufen und erzählen, wie langweilig Jay-Z ist. Ab und zu nehm ich ja auch n bisschen Geld mit nach Hause, dann gehen wir zu oft essen und trinken zu viel guten Wein, weil wir ebenso robuste und liebenswerte Freunde haben, die stets umsonst babysitten …

John: Was macht ihr zwischen den Touren, holt ihr da „verlorene Zeit“ auf und macht dann mal in Ruhe Familie?

Tobert: Auf jeden Fall. Ich lass mir stereo stundenlang die beklopptesten Geschichten über Ritter und Koalas erzählen und trinke Tee. Je mehr das Jahr allerdings ins Land zieht, umsoschlimmer mutiere ich selber mittlerweile zum Teilzeitarschloch, wenn ich länger zu hause bin. Weil es nicht wackelt, weil es keine Tankstellen gibt und weil ich immer weiss, wo ich schlafen soll. Wie man nach 2 Wochen Tour innerhalb von 2 Wochen zuhausesein wieder normal werden soll, um dann wieder 2 Wochen auf Tour rumzurangeln, ist mir bisher n Rätsel.

John: Zurückblickend auf das Jahr, was war denn so was wie ein Höhepunkt, neben der Veröffentlichung der neuen Platte? Achja, ich gehe davon aus, dass die Show hier in Göttingen sowieso einen bedeutenden Höhepunkt für euch darstellen wird (und das ist keine Frage)!

Tobert: Zum letzten Teil der frage: Ja, John. 😉 Das Melt war umwerfend, weil ich die Szenerie dort eher als schwierig einstufe, tief in meinem Herzen sogar verabscheue. Ich kann mit diesem gerave nix anfangen. Wenn einem dann Fucked Up eröffnen und das ganze Zelt ausflippt, während wir spielen, ist mir das egal, auf welchen Pillen alle waren und weswegen überhaupt vor Ort. Dann hab ich die derbe lieb und keine doofen Vorurteile mehr. Hurricane war feist. Der Gig im Astra, vor 1500 Leuten, die wegen uns da waren, was sich nach den ganzen Festivals derbe gut anfühlt; dass es wieder direkter wird … Zürich war so überraschend! Gampel oder so: In der Schweiz aus dem Nightliner fallen und vergessen haben, dass da Berge sein müssen, sich aber über selbige wundern. Ausgeschlafen, morgens um neun.

John: Lass mich mal ganz kurz zum Island Manöver kommen. Tobi ich hatte dich ja zwischenzeitlich schon mal angeschleimt was die Produktion angeht. Aber noch mal, ich finde ihr seid da produktionstechnisch einen Riesenschritt nach vorne gegangen. Wie weit denkt ihr beim Songwriting schon an die Produktion, oder ist das etwas, was sich dann im Wesentlichen im Studio ergibt?

Tobert: Eigentlich denken wir seit Vormann Leiss nicht mehr über diese Dinge nach. Moses* macht genau das, was uns gefällt. Er stellt uns hin und lässt uns live spielen**. Dann essen wir schmierige Sachen und verspäten uns ungeahndet. Es klingt natürlich etwas erzählerisch, aber der kleine Mann aus Berlin hat uns teilweise gezeigt, wie wir funktionieren, eben auch im Studio. Dass wir am besten zusammen und live sind. Das wir ne Live-Band sind, die dazu da ist, unterwegs zu sein, und zu spielen. Ich könnte stundenlang Amps verkabeln, Tretminen ausprobieren und schwallern im Studio, hätte bestimmt ’n Riesenspass dabei, aber im nachhinnein sicher keine Platte im Kasten. Und die Anderen wären eh schon längst Hühner essen gegangen … deswegen machen wir lieber schnell und gut und gehen zusammen zum Imbiss.

John: Meistens fällt mir nach dem Studio irgendetwas auf, was mich total nervt. Gibt’s schon etwas beim Island Manöver, wo ihr sagen würdet: Beim nächsten Mal anders!

Tobert: Nope. Die Platte hat für mich persönlich alles an Sound, was ich immer wollte ( obwohl ich davon bis dato gar nichts wusste ) und mit „Fraukes Ende“ ein Lied, von dem ich das Gefühl habe, dass wir einfach eins unserer ersten Lieder nochmal gemacht haben, nur so, wie es eigentlich gemeint war. Das macht mich ziemlich zufrieden, uns da selbst im Rückspiegel zu betrachten.


Turbostaat vor einer Mauer. Der in der Mitte hat mal Born Against durch die Lande kutschiert!

John: Ihr wurdet und werdet ja reichlich zu eurem Werdegang befragt (ihr verdammten Szeneverräter, hehehe). Was mich echt interessiert ist, wie sich die Perspektive auf Musik machen und, ähm, ja Leben verändert. Also meine eigenen Bands hängen immer sehr stark von den Jobs ab die man gerade macht. Ich weiß, dass mit dem nächsten Jobwechsel auch eine Band unmöglich werden kann. Nun ist für euch die Band ja auch irgendwie der Job geworden. Bewegt man sich da in einer gewissen Sicherheit, zumindest was das Musik machen angeht, oder ist es auch so, also ein immer wieder neues verhandeln?

Tobert: Wir sind diesbezüglich alle so unterschiedlich, dass ich nur für mich selber sprechen kann: Ich fühle mich sicherer. Das kommt lediglich durch die Tatsache, dass wir beim Island Manöver wesentlich mehr Bewusstsein meinerseits zur Verfügung hatten, also dass ich voll im Kopf dabei war und es funktioniert hat. Ich erlaube mir daher den naiven Standpunkt, dass das fortan auch so sein wird. Perspektivisch, finanziell etc. ist das alles mehr, als man jemals erwarten hätte können. Wenn es einen denn interessiert hätte. Das ist in unserem Falle bis heute nicht so … Vollzeitjobs würden uns killen. Nicht wegen dem Bock, sondern wegen dem Kopp, ums Ganze … Ich ziehe dermassen meinen Hut vor Leutem, die das auf die Pfanne kriegen …also 95% des Restes der Menscheit, höchstwahrscheinlich.
Zum Werdegang und dem Geszene habe ich ja nur unsere Perspektive zur Hand, aber bei stets moderaten Eintrittspreisen, fairtrade Shirts zum guten Kurs und bemühter Dur-Harmonik-Vermeidung, habe ich uns eigentlich nichts vorzuwerfen, da stelle ich mich siegessicher in den Ring und verliere freiwillig aus Überzeugung. Gewinnen is eh was für Gewinner, nä.

John: Was geht denn so neben Turbostaat? Peter hat ja noch die geilen Hallo Kwitten an den Hacken. Tobi, ich weiß dass Du ja auch immer noch so verschiedenes machst. Dann gibt’s noch NinaMarie…habt ihr genug Zeit euch neben Turbostaat auszutoben?

Tobert: Nee, die letzen Jahre gar nicht, aber das war auch vollkommen ok. Wir haben alles in Turbostaat gesteckt. Ich habe mich damit angefunden, dass mein persönlicher Musikgeschmack mich zu bärten und Verstärkerwänden treibt, was bekanntlich nur dicke Männer über dreissig interessiert, aber damit bin ich fein und kann solange warten bis es passiert, alt und behaart genug bin ich ja. Dick ist in Arbeit. Kwitten macht mal hier mal da n Fass auf und trinkt das aus, Nina Marie muss warten, die Beatsteaks machen ja auch ne neue Platte …

John: Das Island Manöver ist draußen und wird betourt…ab wann denkt ihr da an die nächste Platte?

Tobert: Das ist schon am anrollen. Mir juckts derbe in den Fingern. Im Frühjahr schliessen wir uns wieder in der Nordfriesischen Einöde ein, machen die Telefone aus und ich darf nicht kochen, weil die andern mit Fusion Food nix anfangen können. Das wird klasse!

John: Wollt ihr noch irgendwas Göttingen hinterlassen? Kommt, dass ist doch mindestens die dritte Heimat…irgendwie.

Tobert: Einen Besuch! Wir bleiben den Off-day hier. Ich gründe mit dir ne Band, falls du das nicht weisst. Du brauchst’n Bart. Wir hinterlassen Göttingen dein bartloses Antlitz und tauschen es gegen ein fusseliges. Irgendwo in der Welt, hauptsache, unterwegs.

Am Montag spielen Turbostaat in der Musa!

Anmerkungen:

*Moses: Nein, keine Bange, hier ist nicht die Zentralfigur des Pentateuch gemeint. Aber für manchen Szenenerd wird Moses Schneider einen Heiligenstatus innehaben. Schneider produzierte in den letzten Jahren Bands wie Tocotronic, Beatsteaks, Fehlfarben, Dendemann und Kreator.

**Live einspielen: Wie nimmt man eine Platte auf? Zwei klassische Wege: Jeder mus einzeln sein Instrument möglichst fehlerfrei durch den Song bringen. Am Ende hat man viele Spuren die dann ein Ganzes ergeben. Das ist beim Live-Einspielen nicht viel anders, nur hier steht die Band zusammen, wie bei der Show. Der psychische Druck ist gewährleistet durch finstere Mienen der Mitstreiter, die bereits zum 15. Mal alles neu spielen dürfen, weil Du es wieder nicht geschafft hast 😉

Hallo Kwitten: www.myspace.com/hallkwitten
NinaMarie: www.myspace.com/ninamarie

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2 Kommentare auf "Turbostaat: von Bärten und Konzerten"

  1. ich sagt:

    schönes interview hoffentlich schaff ich es montag dahin!

  2. e.r. sagt:

    montag ist echt ein no-go-tag, leb ich doch wie meine mutter. bis dahin….

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