Mal wieder Uniwahl: Was Uns erwartet.
von Schmendi am 15. Januar 2007 veröffentlicht in UnipolitikDas Leben an der Uni ist nicht immer einfach. Viele Gefahren lauern auf nichtsahnende und hilfose StudentInnen. Damit sie sich aber weder im Uni-Dschungel verlaufen noch seinen Gefahren schutzlos ausgeliefert sind, gibt es eine zentrale Instanz, die sich um das wohl und wehe der studentischen Population sorgt: den Allgemeinen Studierendenausschuss. Dieser widerrum wird immer Anfang des Jahres- wir spielen Demokratie – vom Studierendenparlament gewählt. Und das Studierendenparlament wird von den davon ebenfalls nichtsahnenden Studierenden gewählt.
Wo die hingehen müssen um sich an dem Spiel zu beteiligen, steht hier.
Insgesamt gibt es acht Gruppen, die angetreten sind, die studentischen Interessen mit bestem Wissen und Gewissen zu verteidigen. Schließlich geht es um viel. Ganze 500.000€ hat der Asta im Jahr zur Verfügung, um die Interessen der Studierenden zu vertreten. Aber was taugen Hochschulpolitischen Gruppen wirklich? Wir kennen das von der Stiftung Warentest: Was kann die gewählte Ware, was kann sie nicht? Wie geht sie mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts um?
Da wäre zunächst, auf Listenplatz 1, der ‚Ring Christlich Demokratischer Studenten‚ (RCDS) mit insgesamt 52 KandidatInnen. Der RCDS ist die hochschulpolitische Abspaltung der CDU, auch wenn er sich häufig so benimmt, als wäre er ein CSU Ableger. So hat der RCDS mittlerweile bereits zwei Burschenschaftlern von der schlagenden Rechtsaußenverbindung Holzminda in studentische Ämter gebracht. Einer, Christian Thalheim, kassiert als Sachbearbeiter im Sozialreferat sogar studentische Gelder. Mit Sozialreferat wäre dann auch schon der (alleinige) Tätigkeitsbereich des RCDS im AStA benannt. Das allerdings wird Schritt für Schritt von einer Sozialinstitution in eine studentische Karriereschmiede umgebaut. Es werden soziale Netzwerke aufgebaut, Bewerbungstipps gegeben und bei „Studenten beraten Studenten“ (SbS) können Interessierte erste praktische Erfahrungen im Beratungs-Milieu sammeln. Formal hat sich der RCDS immer gegen Studiengebühren positioniert, allerdings hat er nie etwas dagegen unternommen. Nachdem sie durch sind hat er – auch im AStA – die Position vertreten, dass dies nun wohl von allen akzeptiert werden müsse. Gesetz sei eben Gesetz und wo kämen wir da hin? Was dann sicherlich auch ein Grund für das zaghafte Engagement des AStA in dieser Frage gewesen sein mag.
Was aber durchaus interessant ist: denn Verhindern konnte der RCDS die Urabstimmung nicht, er konnte lediglich verhindern dass sie erfolgreich ist. Ganz ähnlich ist das im FZS, dem Freien Zusammenschluss der Studierendenschaften: da wetterte der RCDS stets lauthals, der AStA solle austreten, am Ende war ihnen dann aber doch der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach…
Aber apropros Engagement im AStA: das muss den RCDS echt mitgenommen haben, denn seine Homepage wurde das letzte Mal Mitte Oktober letzten Jahres aktualisiert. Insgesamt gab es 2006 ganze 6 Einträge unter „Aktuelles“, 2005 aber immerhin weit mehr, nämlich alleine über 20 in den letzten 3 Monaten des Jahres.
Auf Listenplatz 2 folgt dann die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Fachschaftsmitglieder (ADF), die beeindruckende 169 KandidatInnen ins Rennen wirft. Die ADF ist seit Jahren die mit Abstand erfolgreichste Gruppe bei den Uniwahlen und steht – sollte sie ihren Trend halten können – dieses Jahr vor dem Erreichen der absoluten Mehrheit. Gegründet wurde die ADF einst als politisches Projekt, um die Hegemonie der Göttinger Unilinken zu brechen – was ihr auch eindrücklich gelungen ist. Auf Fachschaftsebene verteilen die in der ADF organisierten Gruppen fleißig Skripte, auf Uni-Ebene glänzen sie mit pointierten Stellungnahmen zu unterschiedlichen hochschulpolitischen Themen: man ist gegen Studiengebühren, akzeptiert sie nun aber und setzt sich für eine studierendengerechte Verteiligung ein. Man ist für die Chipkarte, kritisiert aber die Missbrauchsmöglichkeiten und setzt sich zumindest verbal für mehr Datenschutz ein. Man ist für die neuen Bachelor-Studiengänge, nur halt nicht so wie sie in Göttingen eingeführt wurden, da muss nachgebesser werden! Andere Themen, also solche, die nichts mit der Hochschule zu tun haben, spielen für die ADF kaum eine Rolle. Und wenn, dann gerät das Engagement wie beim peinlichen unter Mithilfe von Burschenschaftlern organisierten und mit 40 ZuhörerInnen kläglich besuchten Rock-gegen-Rechts auf dem Campus eher zum Fiasko.
In die Kritik geraten ist die ADF, als sich der AStA während der Zeit vor der Urabstimmung zum Studiengebührenboykott ziemlich zurückhalten verhalten hatte, einige wollten hier die Ursache für das knappe Verfehlen der benötigten Mehrheit gefunden haben. Dafür ist die ADF aber auf anderen Gebieten durchaus erfolgreich: die Connection der studentischen Institutionen zu Verwaltung und Politik – sei es an der Uni, sei es in Göttingen oder im niedersächsischen Bildungsministerium – war wohl noch nie so gut wie heute. Und die AStA-Publikation war auch noch nie so bunt wie heute. Da kann der AStA dann immer mit Unipräsidium und Landesregierung über die Verteilung der Studiengebühren verhandeln und den Studierenden 4-farbig davon berichten.
Und – weil wir hier im Internet sind: auf der ADF-Homepage finden wir immerhin ganze 19 Einträge im Laufe des letzten Jahres. Inhaltlich geht es dabei in aller Regel um die Ankündigung von AStA-Veranstaltungen, ADF-Parties und neuen ADF-Publikationen, eine recht neutral gehaltener Aufruf, an der Urabstimmung zum Boykott teilzunehmen ist da übrigens auch bei.
Aber kommen wir zu Listenplatz 3. Hier wartet Schwarz-Rot Kollabs (SRK) mit stolzen 87 KandidatInnen auf. SRK ist die undogmatische, linkspopulistische Hochschulgruppe, einige bezeichnen sie als Uni-Ableger der „Partei“. Hier wird nichts ernst genommen: hochschulpolitische Ränkespielchen werden ironisch kommentiert, Burschenschaftler der Lächerlichkeit preisgegeben und das Studierendenparlament mittels Ghettoblaster in einen Punkrockschuppen verwandelt. Aber SRK ist nicht nur die Liste für das lachende Desinteresse, immerhin werden pro Jahr ein bis zwei Veranstaltungen zu Unipolitik und sozialen Protesten organisiert – teilweise sogar mit hochkarätigen ReferentInnen.
Die Homepage übrigens hat sich allem Anschein nach im letzten Jahr etwas ausgeruht, zumindest bringt der Mausklick auf „letzte Publikation“ die Veröffentlichung der Wahl 2006 zum Vorschein. Ansonsten wartet die Seite mit einem großen Archiv und punkigem Layout auf.
Es folgt, auf Listenplatz 4, das Basisdemokratische Bündnis, das mit immerhin 121 KandidatInnen antritt. Das BB ist ein mehr oder weniger großes, linkes Sammelbecken und mit derzeit sieben Sitzen im Studierendenparlament die größte Oppositionsgruppe. Die Devise der Gruppe lässt sich vielleicht kurz zusammenfassen als: hauptsache Protest organisieren. Egal ob Demos gegen Studiengebühren, Aktionstage gegen Kürzungen oder Vollversammlungen zum geplanten Boykott – das BB ist immer mit von der Partie. Darüber hinaus ist das BB oft auch realpolitisch unterwegs und unterstützt sozialen Widerstand im Kleinen. Durch gezieltes verschwindenlassen von Teilnahmelisten konnte die Uni so zu der Aussage gebracht werden, selbige seien zumindest in den BA-Studiengänge schlicht verboten. Darüber hinaus veranstaltet das BB beizeiten Veranstaltungen zur Bildungspolitik.
Besonders ernst nimmt man hier auch die Sache mit den neuen Kommunikationstechnologien. Hier kommen wir auf fast 30 News seit Anfang 2006, dazu gibts ein umfangreiches und gutsortiertes Online-Archiv mit alten Texten. Inhaltlich geht es dabei in aller Regel um (hochschul-)politische Themen und die Proteste zu akuten Verschlechterungen der Studienbedingungen.
Aber machen wir weiter. Auf Liste 5 folgt die Juso Hochschulgruppe mit 72 Frewilligen. Die Jusos sind die hochschulpolitische Abordnung der SPD und dieser Entsprechend nahestehend. Burschenschaftler sollten die Jusos vielleicht nicht wählen, weil es einen Unvereinbarkeitsbeschluss gibt, des es Burschis untersagt, Juso zu werden.
Die Jusos streben im AStA das Sozialreferat an und haben da früher auch gute Arbeit geleistet. Was im Zweifelsfall sowohl ein linker als auch ein ADF-dominierter AStA sein könnte. Dazu kommen einige wenige Veranstaltungen zur Uni-Politik, die die Gruppe immer mal wieder veranstaltet. Bei beidem ist allerdings nicht ganz geklärt, ob es tatsächlich um die Sache oder um die Karrierechancen einzelner Jusos geht. Vermutlich ist es auch bei allen Beteiligten anders. Einige zumindest machen parallel bereits Karriere in der Partei und sitzen etwa im Stadtrat. Was andersherum natürlich auch bedeutet: hier ist ein guter Kontakt zum Bürgermeister und zu den diversen SPD-Fraktionen gewährleistet.
Die Homepage – um auch das noch zu erwähnen – ist weitestgehend aktuell, allerdings gibt es kein besonders umfangreiches Archiv, von den PDF-Versionen der Veröffentlichungen und den Wahlkampftexten mal abgesehen.
AufListenplatz 6 kommt dann die Grüne Hochschulgruppe mit immerhin 29 KandidatInnen. Im Laufe des letzten Jahres ist es ein wenig still geworden um die GHG, auch die Homepage ist nicht über 6 Beiträge im letzten Jahr hinausgekommen. Es gab mal eine Aktion zu fairem Kaffee in den Cafeten, aber damit hatte es sich auch schon. Ansonsten steht die GHG wohl wie immer für die grünen Klassiker: Ökologie und Soziales an der Uni stärken, beides ja nicht das schlechteste. Insbesondere, wo die Partei sich um solcherlei Dinge ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr kümmert… Apropros: Engere Kontakte zur Grünen Partei konnten nur in Einzelfällen verbürgt werden, organisatorische und finanzielle Unabhängigkeit kann nicht ausgeschlossen werden!
Zum zweiten Mal tritt das Galaktische Imperium an, diesmal auf Listenplatz 7 und mit 8 angehenden WeltherrscherInnen. Viel bekannt ist über die Gruppe nicht. Sie sitzt regelmäßig im Studierendenparlament, sagt nichts und stimmt im Zweifelsfall auch gerne mit der ADF.
Und last but not least die bleibt auf Listenplatz 8 die Liberale Hochschulgruppe (LHG) mit 29 KandidatInnen. Im Unterschied zum GI hat die LHG sowohl eine Homepage als auch Wahlforderungen. Die meisten laufen in alter liberaler Tradition darauf hinaus, die Unipolitik billiger zu machen. Zugutegehalten werden muss der LHG allerdings, das sie ihre Rechtsaußen-Phase von 2002-2004 überwunden zu haben scheint und Leute vom Schlag eines Nikolo Martin scheinbar eher wenig zu sagen haben.
Auf der Homepage gab es übrigens saftige 25 News-Einträge seit Anfang 2006 kommt. Die meisten davon behandeln das parlamentarische Leben im Studierendenparlament oder die finanzielle bzw. organisatorische Situation der Uni Göttingen.
Bewertung:
Tja, was bleibt da übrig? Ergänzungen und Kommentare zu den einzelnen Gruppen sind gern gesehen. Eine Wahlempfehlung gibt es von uns nicht. Nur den Hinweis, das diese Auflistung natürlich nicht reichen kann. Schaut euch die Seiten von den Gruppen an, lest ihre Wahlpamphlete und dann denkt mal ganz locker drüber nach, wen von denen ihr am wenigsten komisch findet. Und falls ihr keinen Bock habt zum Wählen – es gibt schlimmeres…
angesichts des „kommunistenjäger“ plakats kommt die lhg hier viel zu gut weg, finde ich!
Hier das vorläufige Endergebnis:
RCDS: 4 Sitze (+/-0)
ADF: 22 Sitze (+/-0)
srk: 2 (-1)
BB: 6 (-1)
Juso HSG: 5 (+/-0)
GHG: 6 Sitze (+1)
GI: 2 Sitze (+1)
LHG: 2 Sitze (+/-0)
Semesterticket:
5.868 Ja-Stimmen (80,4%)
1.434 Nein-Stimmen (19,6%)
44 ungültig
Wahlbeteiligung: 30,8%