Warm-Up Demo gegen Rassismus und Kapitalismus

„Für ein schönes Leben für alle!“
von am 20. Mai 2013 veröffentlicht in Soziale Bewegungen, Titelstory

Ein riesiges Transparent der Kampagne "Rassismus Tötet!" schmückt die Rote Straße

Am letzten Tag der „Antirassistischen Aktionswoche“ mobilisierten das Politkollektiv und die Redical(M) zu einer Warm-Up Demo mit dem Titel: „Aus gegebenem Anlass: Gegen Kapitalismus. Gegen Rassismus. Immer.“ Das Highlight der Demo war die Errichtung eines Denkmals vor der Ausländerbehörde.

Auch wenn es manchmal nicht so erscheint, das Leben im Kapitalismus ist kein schönes: Armut, Krieg und Ausbeutung gehören in unserer Gesellschaft zum Tagesgeschäft. Ein Zustand, den die 300 Demonstrierenden am Samstag nicht unkommentiert lassen wollten. „Der Kapitalismus ist ein menschenverachtendes System, dieses System beherrscht uns!“, sagte eine Sprecher_in des Politkollektivs mit Verve im Stumpfebiel. „Wir wollen für Bedürfnisse produzieren und nicht für Gewinn; wir wollen ein gutes Leben, fernab von Stress, Konkurrenz und Leistungszwang! Wir wollen keinen Kapitalismus, denn wir wollen das schöne Leben für alle!“

Auftakt war um 18 Uhr am vergangenen Samstag auf dem Wilhelmsplatz. Das Wetter war gnädig, denn trotz angekündigten Regens blieb es mild und trocken. Auf dem Programm stand ein eher einheitliches und geschlossenes Auftreten der Demonstrierenden, was einigen Teilnehmer_innen Freude zu bereiten schien: „Endlich mal wieder eine richtige Demo in Göttingen!“, konnte man hier und dort aufschnappen. Aufgewärmt wurden die Teilnehmer_innen einerseits für die anstehenden Blockupy-Aktionstage vom 31.05.-01.06. in Frankfurt, sowie für die Antira-Demo „20 Jahre nach der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl“ am 25. Mai in Berlin.

Die Moderation forderte die Passant_innen zwischendurch auf, ihren „Stammtisch-Rassismus“ zu reflektieren, wie beispielsweise in Bezug auf die Hetze gegen die sogenannten „Pleite-Griechen“: „Dann lieber einfach mal die Fresse halten und sich informieren!“ Vorbei ging es auch an dem Wohnprojekt in der Gotmarstraße, dessen Bewohner_innen ihre Solidarität mit einer Menge buntem Konfetti bezeugten, das aus den Fenstern auf die jubelnde Menge regnete.

Die Redical(M) machte vor der Deutschen Bank verkürzte Kapitalismuskritik zum Thema ihres Redebeitrags: „Bankenbashing und Managerkritik sind der hilflose Ausdruck einer vermeintlichen Kapitalismuskritik, die in Regression umschlägt.“ In Zeiten, in denen Kapitalismuskritik zum Mainstream-Phänomen geworden sei, gilt es genauer hinzuschauen: „Das einige Bankiers einen ordentlichen Schnitt machen, ist klar. Dafür und für die Folgen, die das für viele Menschen hat, sind sie ins Kreuzfeuer moralischer Kritik geraten. Dies kann aber keine Grundlage für eine Kapitalismuskritik sein, denn Produktion ist im Kapitalismus nun einmal nicht ohne Zirkulation zu haben.“ Diese Form der verkürzten Kritik bilde den Nährboden für Positionen, die schnell mal ins antisemitische und verschwörungstheoretische abdriften. Kritisiert wurde im dem Zuge, dass sich auch in der Blockupy-Bündnis-Landschaft regressive und personalisierte Finanzkapital-Kritik eingefunden habe. Laut der Redical(M) ist es deshalb notwendig, diesem Phänomen entschlossen entgegenzuwirken.

Nachdem bis hierhin ein gute Stunde ohne Zwischenfälle demonstriert wurde, ging es weiter in Richtung Landkreis, in dessen Gebäude sich unter anderem die Ausländerbehörde befindet. Hier erwartete die Teilnehmer_innen ein überraschendes Highlight. Nachdem die Demo vor der Ausländerbehörde allmählich zum Stillstand kam, wurde in Windeseile ein Denkmal errichtet. Direkt vor der Behörde stand plötzlich ein vergoldeter Wasserkocher auf einem Stab, mit der Aufschrift: „Solidarität muss Praxis werden“. Dies ist eine Anspielung auf einen Brandanschlag, der sich vor etwa 3 Jahren in der Teeküche des Landkreisgebäudes abgespielt hat. Nach einigen Minuten registrierten dann auch einige Polizeibeamt_innen das von der Demo lautstark bejubelte Kunstobjekt. Hurtig rannte ein Trupp zur Begutachtung in Richtung Denkmal.

Die kleine Zeremonie begleitete des lokale Bündnis „Rassismus Tötet!“ mit einem Redebeitrag. Thematisiert wurde vor allem der institutionell verankerte Rassismus durch die Behörden. Die Ausländerbehörde stellte das Bündnis in ihrer Funktion als Abschiebebehörde heraus. Deren rassistische Praxis sei trotz der kürzlichen Abschaffung des Gutscheinsystems in Göttingen lange nicht überwunden. Asylbewerber_innen seien noch immer stark von menschenunwürdigen Verhältnissen betroffen. Beispielsweise müssen diese ständig um eine weitere Duldung bangen, oder sind durch harte Auflagen, wie der Residenzpflicht, in ihrer Selbstbestimmung stark eingeschränkt. Auch die kapitalistische Verwertungslogik spiele für Migrant_innen eine große Rolle. Denn nur die gut integrierten Personen, die einen eindeutig ökonomisch nützlichen Beitrag leisten könnten, können auf einen dauerhaften Platz in unserer Gesellschaft hoffen. Der Kampf gegen den strukturellen und institutionellen Rassismus müsse daher weitergehen. „Für den Widerstand! Für mehr Wasserkocher!“, hieß es ermutigend zum Ende des Beitrags.

Nach so viel Aufregung ging es stimmungsvoll weiter, nun wieder in Richtung Innenstadt. Aus den Lautsprechern schallte indessen die Stimme von Mark-Uwe Kling. Passend zum Thema wurde ein Kapitel aus seinem Hörbuch „Die Känguru Chroniken“ abgespielt, das sich in der Ausländerbehörde abspielt.

Ein weiteres Highlight wartete in der Roten Straße auf die Teilnehmer_innen. Über die Straße spannte sich riesiges Transparent der Kampagne „Rassimus Tötet!“, das aus Berlin vom dortigen Bündnis für die Demo bereit gestellt wurde. Die Bewohner_innen des Wohnprojekts Rote Straße bezeugten auch hier ihre Solidarität durch ein kleines Feuerwerk und einen weiteren gewaltigen Konfetti-Regen.

Der Wilhelmsplatz war sowohl Start- als auch Endpunkt der Demonstration. Die Abschlusskundgebung hielt die Gruppe Subway, die einen feministischen Blick auf den Kapitalismus warf. Unter anderem wurde kritisiert, dass die Familie als eine der wichtigsten Institution im kapitalistischen System fungiert.

Die Polizei zeigte anlässlich der Demo starke Präsenz. Auf dem Wilhelmsplatz standen zu Beginn knapp ein Dutzend Einsatzwagen, sowie eine Hundestaffel. Kaum hatte sich der Demozug in Bewegung gesetzt, filmte die Polizei die Demonstrant_innen. Grund war vermutlich ein einzelner Böller, der zu Beginn gezündet wurde. Eine kleine Hundertschaft führte die Demo auf ihrem Weg an, sowie drei Streifenwagen und einem Video-Einsatzwagen. Die Polizei hielt bis zum Ende weitestgehend Abstand zur Spitze der Demo.

Gegen 20 Uhr wurde die Demonstration ohne Zwischenfälle aufgelöst.

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