Erstsemester_innen-"Bettenlager"

Verbinder auf Fischzug
von am 24. März 2012 veröffentlicht in Studentenverbindungen

Die vielen Studentenverbindungen in Göttingen stehen oft in der Kritik, sei es wegen Nähe zu Rechtsextremen, geschichtsrevisionistischen Umtrieben oder den überkommenden Rollen- und Selbstverständnissen. Ein Schreiben, das Monsters of Göttingen vorliegt, zeigt, dass entsprechend die Nachwuchsgewinnung für die Verbindungen immer schwieriger wird. Viel verspricht man sich davon, provisorischen Wohnraum für angehende Erstsemester auf Wohnungssuche anzubieten. „Feldbett frei“ wird so das neue „Zimmer frei“.

Erst im November war bekannt geworden (wir berichteten ausführlich), dass die Verbindungsszene eigene PR-Arbeit in einer Göttingen-weiten gemeinsamen Institution bündeln wollte. Dabei schreckte man aber auch vor der Zusammenarbeit mit Burschenschaften nicht zurück, die bereits oft durch Nähe zu Rechtsextremisten aufgefallen war. Nach dem Bekanntwerden scheinen die Bemühungen sich in ein besseres Licht zu stellen aber zunächst eingeschlafen zu sein.

So scheinen dann kaum verwunderlich die Verbindungen große Probleme zu haben, Nachwuchs zu gewinnen. Mehrere Verbindungen berichten intern von geringer Erfolgsquote bei der „Keilarbeit“, wie die Mitgliedergewinnung im Verbinder-Jargon heißt. In den vergangenen Jahren sind auch Fakultäten, die früher weniger Berührungsängste mit Verbindungen hatten, davon abgerückt, Verbindungsbesuche in das O-Phasen-Programm zu integrieren. So soll beispielsweise an der Juristischen Fakultät sogar explizit ein Verbot jedweder Werbung für Verbindungen in einer Ordnung von den studentischen Gremien festgeschrieben werden.


Das Corps Brunsviga in der Bürgerstraße

Für die Gewinnung von Nachwuchs wird daher jetzt vor allem versucht, Unerfahrenheit zu nutzen. So plant nach einem uns vorliegenden Schreiben das Corps Brunsviga, ein „Bettenlager“ anzubieten. Damit sollen angehende Studierende gelockt werden, die zur Wohnungssuche Schlafplätze in Göttingen für die eine oder andere Nacht benötigen. Solche Angebote hätten sich in anderen Städten bereits bewährt. Das „Bettenlager“ soll noch im März beginnen und bis zum Semesterbeginn andauern. Für die Wohnungssuchenden sollen Feldbetten aufgestellt werden. Um das nötige Geld für die Betten zu bekommen, wurden die „alten Herren“ der Verbindung angeschrieben.

Das „Bettenlager“ erfordert natürlich Kompromisse im Leben „auf dem Haus“. So sorgt man sich beim Corps Brunsviga vor allem um die sanitären Einrichtungen: Ein genauer Duschplan müsse erstellt werden. Noch mehr durcheinandergebracht wird der Verbindungsalltag sicher aber davon, dass das Angebot auch Frauen offen stehen soll. Diese können zwar nicht später der Verbindung beitreten, aber das Schreiben verspricht sich auch davon einen Erfolg, der auch das Frauenbild der Verbinder gut zusammenfasst: „wir gewinnen [] Kontakte zu Damen, die später auf Partys eingeladen werden und unsere Feste schmücken“. Für ihre Werbetätigkeit gehen die Corps-Verbinder sogar bis zum äußersten: der Bierkonsum soll in dieser Zeit „etwas reduziert“ werden. Man will sich attraktiv geben und bittet deshalb im eigenen Kreis um verstärkten Besuch des Hauses: die „Corpsfamilie“ soll „schmackhaft“ gemacht werden.

Eines muss den Verbindern allerdings zugestanden werden: Die Idee, simple Notunterkünfte zum Studiumsbeginn zu organisieren, wird vermutlich tatsächlich auf Interesse stoßen. Auf Anfrage teilt der Göttinger AStA mit, dass wohl notwendig werde, angehende Studierende darüber aufzuklären, von wem das Angebot stammt und was daran problematisch ist. Es bleibt wohl abzuwarten, ob dann wirklich viele Studierende mit der Wohnungssuche gleich im Verbindungshaus auch wieder aufhören und am Ende gar Verbindungsstudenten werden. Oder natürlich „Schmuck der Feste“.

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10 Kommentare auf "Verbinder auf Fischzug"

  1. Harvey sagt:

    Das ist dann übrigens wohl das Angebot hier (für diejenigen, die schon lange den Wunsch hegen, mal für 3 EUR die Nacht in eine Verbindung reinzuschnuppern): http://www.studenten-wg.de/mietangebot_1372777.html

  2. TwojaMatka sagt:

    Und was ist daran schlimm?

  3. Harvey sagt:

    Der Artikel beschreibt erstmal eine Entwicklung bei der Werbung von Neumitgliedern bei den Verbindern. Außerdem zitiert er ein wenig Text, der zur Illustration des Welt- und Frauenbilds der Corpsstudenten ganz gut taugt. Der Artikel ist Berichterstattung, keine Anklage.

    Davon abgesehen finde ich es aber schon interessant, wo die Verbindungen ihren Fokus bei Neumitgliedern setzen. Irgendwie ist es doch bezeichnend, dass man versucht, Neustudierende abzuholen, bevor sie überhaupt wirklich ins studentische Leben (und oft damit auch die erste Selbständigkeit nach dem Elternhaus) gestartet sind. Das scheint ja schon ein wenig aufzuzeigen, dass es anscheinend möglichst früher Abschirmung/Absonderung bedarf, um noch Interesse an diesem Milieu zu finden.

  4. Die Mitte verteidigen! sagt:

    Und was forderst Du daraus ?
    „Abschirmungsverbote“ für die ersten beiden Semester ? Gilt dies dann auch für die obligatorischen Juzi-Besuche einiger O-Phasen Gruppen oder liegt die Sache da anders ?

  5. apl sagt:

    Wie sollen „das JuZI“ oder linke Gruppen Leute abschirmen können?

  6. Die Mitte verteidigen! sagt:

    @apl: Vermutlich genauso wenig wie das „Verbinder“ tun können. Ich habe Harveys Argumentation lediglich den Spiegel vorgehalten.

  7. richard_burton sagt:

    Um eine entsprechende Abschirmung vorzunehmen, müssten die abgeschirmten Leute schon im Juzi wohnen, oder?

  8. TwojaMatka sagt:

    Wurden die Eier aufgrund des Angebots dort dran geworfen?

  9. Die Mitte erobern! sagt:

    Habs heute auch gesehen. Ein roter Farbbeutel prächtig auf dem Aushängelogo (s.o.) platziert. Glaube noch ein oder zwei weitere an der Wand. Schön 🙂

  10. TwojaMatka sagt:

    Eigentlich eher unnötig aber wer Bock auf sowas hat…

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