Drohende Abschiebung
Familie Saciri soll zurück in den Kosovo
von hank scorpio am 16. Februar 2012 veröffentlicht in Hintergrund, Politik, Polizei & Justiz, TitelstoryBahtija Saciri und drei ihrer Kinder droht ab dem 22.2.2012 die Abschiebung in den Kosovo. Seit 2003 lebt die Roma-Familie in Göttingen. Sie mussten nach dem Kosovo-Krieg flüchten, da die Minderheit der Roma im Kosovo ständiger Diskriminierung und Repression durch die albanische und serbische Mehrheit ausgesetzt ist. Die Saciris werden in der BRD geduldet, der letzte Asylantrag im Jahr 2011 wurde abgelehnt. Nun wurde die Verlängerung der Duldung durch die Stadt Göttingen verweigert. Die Familie hat Angst vor der Abschiebung und Bahtija Sacriri wurde mit Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert.
Die Saciris leben in ständiger Angst, abgeschoben zu werden. Seit 2003 bekommen sie alle drei Monate eine Verlängerung ihrer Duldung durch die Ausländerbehörde der Stadt Göttingen. Der Duldungsstatus schränkt sie beim täglichen Einkauf durch das Gutscheinsystem der Stadt, sowie in ihrer Reisefreiheit und am Arbeitsmarkt ein. Zwar gab es in den letzten Jahren immer mal wieder Probleme bei der Verlängerung der Duldung, letztendlich wurde sie jedoch immer gewährt. Jetzt hat die Ausländerbehörde der Stadt Göttingen Bahtija Saciri und ihren drei Kindern Zeneli (15), Jelana (16) und Siad (18) die erneute Verlängerung jedoch verweigert. Bahtija Saciri wurde stattdessen eine Grenzübergangsbescheinigung ausgehändigt. Darin steht, dass sie und ihre Kinder bis zum 22.2.2012 die BRD freiwillig verlassen sollten, ansonsten müssten sie abgeschoben werden, bzw. wären von einer Rückführung betroffen, wie es im Amtsdeutsch heißt. Ihr Mann ist 1999 verstorben, sie wäre im Kosovo ganz auf sich allein gestellt – in einem Land, das ihren Kindern fremd ist.
Am Tag nach der Ablehnung der Duldung wurde Bahtija Saciri mit Herzproblemen ins Krankenhaus Neu-Bethlehem eingeliefert, wo sie derzeit stationär behandelt wird. Ihr Gesicht ist von ständiger Sorge gezeichnet und sie steht mehrfach den Tränen nahe: „Ich habe Angst um meine Kinder!“, sagt sie. Sie versteht nicht, warum sie und ihre Kinder abgeschoben werden sollen. Was ihre Herzprobleme angeht, ist die Ursache derzeit noch nicht gefunden. „Der Anfangsverdacht auf Herzinfarkt hat sich auf Grund des EKG und der Laborwerte nicht bestätigt“, erklärt Jan Lohmann, Internist am Krankenhaus Neu-Bethlehem. Allerdings könnten ihre Herzkranzgefäße verengt sein, was in akuten Belastungs- und Stresssituationen zu Herzproblemen führen könne, so Lohmann. Nun soll mit einem Katheter untersucht werden, ob die Gefäße verengt sind oder nicht. Die Frage ist, ob ihre Herzprobleme eine medizinisch nachweisbare Ursache haben, oder stressbedingt sind. Ob ihre Abschiebung unter diesen Umständen vorerst ausgesetzt wird, ist allerdings fraglich. Eine Stellungnahme der Ausländerbehörde in dieser Sache steht derzeit noch aus.
Basi Saciri (33) lebt auch in Göttingen und ist der älteste Sohn von Bahtija Saciri. Er hatte zuletzt Arbeit als Kraftfahrer, ist aber derzeit ohne Job. Seine Duldung läuft Ende April aus, dann könnte auch er von Abschiebung bedroht sein. Im Gespräch mit Monsters of Göttingen berichtet er über die Flucht seiner Familie nach Deutschland vor knapp zehn Jahren. Die Saciris lebten damals in einem Haus im Kosovo und hatten Arbeit. „Es gab immer Probleme mit Albanern und Serben“, sagt er. Politisch wurde die Region im Zuge des Kosovo-Krieges 1999 zusehends destabilisiert; serbische und albanische Gruppierungen bekämpfen sich gegenseitig in der damaligen autonomen Provinz Serbiens. Einigkeit herrscht lediglich bei der Ausgrenzung der Roma-Minderheit im Kosovo. So waren auch die Saciris albanischer und serbischer Repression ausgesetzt, und flüchteten wie viele Roma-Familien nach 1999 ins europäische Ausland.
Das Haus der Saciris wurde damals von Roma-Gegnern im Kosovo komplett zerstört, von den Familienmitgliedern sind inzwischen alle in Deutschland. „Wir haben nichts mehr da, wir kennen den Kosovo nicht“, sagt Basi. Auch wenn noch Verwandtschaft im Kosovo leben würde, die Saciris könnten sie nicht besuchen, denn bei Auslandsreisen verfällt der Duldungsstatus automatisch. Eine Lebensgrundlage im Kosovo existiert nicht mehr und in Göttingen fühlen sie sich sicher. Nach fast 10 Jahren in der BRD sind sie von ihrer altem Heimat komplett abgeschnitten. Die Saciris sehen Deutschland als ihre neue Heimat. Siad, Zeneli und Jelana sprechen Deutsch, sie können weder Serbisch noch Albanisch. Müssten sie nun auf eine Schule im Kosovo gehen, wären sie wahrscheinlich Übergriffen durch serbische und albanische Mitschüler_Innen ausgesetzt, sagt Basi Saciri. Auf der Martin-Luther-King Schule in Göttingen seien die Kinder hingegen sozial integriert und würden dort gefördert.
Die Ungewissheit ist für die Familie Saciri derzeit zermürbend. Basi wünscht sich, dass seine Mutter, seine zwei Brüder und seine Schwester hier bleiben dürfen. Mit dem Kosovo würden sie nichts verbinden, dort gäbe es für sie keine Zukunft. Unterstützung erhält die Familie Saciri vom Netzwerk „alle bleiben!“, das sich für das Bleiberecht aller Roma in der BRD einsetzt. Das Netzwerk prangert unter anderem die Abschiebung von Roma-Familien im extrem kalten kosovarischen Winter an, und weist auf die menschenunwürdigen Bedingungen im Kosovo hin. Zudem seien die kosovarischen Behörden laut Amnesty International nicht in der Lage, die Sicherheit der Roma vor Ort zu garantieren. Diese Einschätzung teilt auch der Göttinger Kreistag. Im November 2011 wurde ein entsprechender Antrag mit den Stimmen von SPD, Grünen und Die Linke angenommen, in dem die niedersächsische Landesregierung aufgefordert wird, die Abschiebung von Sinti und Roma in das Kosovo einzustellen. Der Bundesregierung wurde in der selben Sitzung nahegelegt, das 2010 mit dem Kosovo abgeschlossene Rückführungsabkommen auszusetzen. Es wird sich zeigen, wie sich die Ausländerbehörde der Stadt Göttingen, angesichts dieser vielfachen Kritik an der Roma-Abschiebepolitik, im Falle der Familie Saciri verhalten wird.
habe 17 Wannen bei der Kundgebung heute gezählt, waren sicher noch mehr. Ebenso Göttinger BFE am Start. Dem gegenüber so 80-100 Demonstrierende. – Die haben sie doch echt nicht mehr alle!