Open Uni im Verfügungsgebäude

Mal nach links und rechts schauen
von am 13. November 2011 veröffentlicht in Sonstiges, Soziale Bewegungen, Unipolitik

Früher als Volks-Uni oder 48-Stunden Universität bekannt, fanden offene und selbstorganisierte „offene Universitäten“ bis 2000 regelmäßig statt. An diesem Wochenende findet erstmalig wieder eine „Open Uni“ mit Unterstützung des ASTA statt. Wir haben mit dem Referenten für Transparenz und Öffentlichkeit, Patrick Michaelis, drüber gesprochen und gefragt warum auch Raum für kontroverse Themen ist.

Hallo Patrick. Wir reden jetzt über die Open Uni, vielleicht erklärst du erstmal, was das überhaupt ist:

Die Open Uni ist ein Wochenende Freiraum, sich kritisch mit Inhalten auseinander zu setzen, mit anderen Leuten zusammen zu kommen und sich über Themen, die einen Interessieren auszutauschen. Der AStA stellt im Prinzip die Struktur und alle Leute die kommen, können selber Veranstaltungen anbieten. Für das Wochenende sind rund 70 Veranstaltungen angemeldet, so dass ein breites Spektrum abgedeckt ist. Das ist deutlich mehr, als wir erwartet hatten – ich denke schon allein das zeigt, wie groß das Bedürfnis nach so einem Freiraum eigentlich ist.

Und warum macht ihr die Open Uni?

Die Bologna-Reform und die Einführung der BA-Studiengänge hat es schwierig gemacht, sich kritisch mit dem Studium auseinander zu setzen und mal nach links und rechts zu schauen. Die Studiengebühren machen es auch nicht einfacher. Dagegen wollen wir einen Freiraum bieten, in dem die Leute in die Lage versetzt werden, sich auch mal mit dem zu beschäftigen, was sie interessiert – eben auch wenn es nicht nach Lehrplan bearbeitet wird.

Es scheint ja so zu sein, dass die Open Unis schon öfter stattgefunden haben – kannst du was zur Geschichte der Open Uni sagen?

Also die Älteste, von der wir wissen, hat 1985 als “VolksUni” stattgefunden. Damals war es ein zentrales Anliegen, die Universität für jene zu öffnen, die nicht aus dem akademischen Umfeld kommen. Das ist natürlich auch ein Schwerpunkt bei uns dieses Jahr. Damals haben viele Veranstaltungs zu verschiedenen Themen stattgefunden; soziale Konflikte, Kapitalismuskritik, Feminismus und Ähnliches. Das stand sicherlich auch im Kontext mit der Auseinandersetzung um das politische Mandat der Studierendenschaft, was auch dazu geführt hat, dass es damals ein Kampf war, die Veranstaltung über stattfinden lassen zu können – es gab Versuche das zu verhindern, auch von Seiten der Uni. Die “VolksUni” hat dann stattgefunden und war extrem gut besucht damals. Soweit wir wissen wurde es dann in den 90er Jahren wieder aufgegriffen als “48-Stunden Uni” und wurde vom linken AStA bis 2001 fast jährlich veranstaltet; Unter verschiedenen Mottos – aber immer für ein emanzipatorisches Leben an der Uni und in der Stadt. Seit 2002 gab es ein paar 48-Stunden-Unis, die ohne AStA-Beteiligung und prekärer ohne dessen Ressourcen organisiert wurden, da der damalige mitte-mechts AStA daran wohl nicht mehr interessiert war.

Dazu eine Frage, du sagst gerade “für ein emanzipatorisches Leben an der Uni und in der Stadt” – kannst du erläutern, was für einen konkreten Beitrag die Open Uni dazu leisten soll? Was für Inhalte kommen da vor, die das voranbringen sollen?

An der Uni geht es sicher um Studierendenproteste und darum, wie wir uns Freiräume im Studium erkämpfen können. Es gibt aber auch viele Veranstaltungen die sich generell mit sozialen Konflikten und gesellschaftlichen Themen auseinandersetzen, die über die Uni hinaus gehen. Es gibt viel zu Rassismus, Sexismus und Homophobie. Es gibt auch Veranstaltungen die sich mit der aktuellen Krise des Kapitalismus beschäftigen. Das sind alles Veranstaltungen, die auch viel von Menschen angeboten werden, die keinen akademischen Hintergrund haben. Was die konkreten Themen sind, ist nicht vom AStA vorgegeben, wie gesagt, es können alle ihre Veranstaltungen zu ihren Themen selber anbieten.

Es tauchen im Programm der Open Uni auch Themen auf, die manche Menschen als kontrovers empfinden könnten; zum Beispiel die Veranstaltung zu Abdullah Öcalan oder auch die Vorführung des Zeitgeist Films. Wie positioniert ihr euch als AStA zu so kontroversen Themen?

Wir als AStA stehen natürlich nicht inhaltlich hinter jeder Veranstaltung und es sind bestimmt einige Positionen dabei, die wir als AStA so nicht vertreten würden. Allerdings ist es unser Anspruch, hauptsächlich die Struktur zu stellen und wollen Leute einen Raum für Ihre Themen bieten. Insofern soll da möglichst viel kritisch diskutiert werden, aber es können auch Veranstaltungs stattfinden, die wir so nicht anbieten würden. Wir haben bisher gesagt, dass wir generell nicht inhaltlich den Veranstalter*innen reinreden wollen. Der einzige Grund für uns, eine Veranstaltung abzulehnen, wäre es wenn da ausschließende Inhalte transportiert werden, die dann ja auch anderen den Freiraum wieder nehmen würden. Also wenn da offen rassistische, antisemitische, sexistische oder homophobe Inhalte vorkommen, würden wir schon eingreifen. Ansonsten würden wir darauf setzen, dass die BesucherInnen der Open Uni das selber einschätzen können und ggf. kritisch begleiten.

Insgesamt, was glaubst du kann diese ganze Open Uni zu einem emanzipatorischen Bildungssystem beitragen? Und wie gehts danach weiter?

Ich würde sagen, dass sind mehrere Sachen. Einmal kann man auf der Open Uni wenigstens mal wieder die Erfahrung machen, dass Studium eben auch heißen kann, die Inhalte selbst zu bestimmen, mit denen man sich beschäftigen will. Das ist, glaube ich keine ganz unwichtige Erfahrung, die macht man im Moment ja so schnell nicht mehr im Studium. Aber vor Allem haben wir die Hoffnung, dass da auch viele Studierende und Andere zusammen kommen um über Strategien und Forderungen zu diskutieren – also sozusagen “was wollen wir gerade als Studierende? Welche Strategien braucht es, um das durchzusetzen?”. Und natürlich die Frage, wie wir Bündnisse mit unterschiedliche sozialen Gruppen eingehen können. Wir wollen da vor allem ja da als Studierende nicht bloß unter uns bleiben. Wir hoffen ein bisschen, dass da eine Dynamik entsteht, dass Leute, die einmal zusammen kommen auch zsammen bleiben und gemeinsam überlegen, wie sie nach der Open Uni weiter machen können, so dass das, was während der Open Uni passiert, auch generell an der Uni und anderso erkämpft werden kann.

Was tut ihr selber als AStA abseits der Open Uni dafür, dass das wieder möglich wird – im Alltag?

Wir sind hier in der Uni dabei, da wo wir Einfluss haben, den zu nehmen und uns weiter darum zu kümmern, dass das Studium möglichst offen bleibt. Aber vor Allem sind wir natürlich dabei, uns mit anderen AStA zu vernetzen um niedersachsenweit und bundesweit Proteste zu organisieren – ganz zentral ist dabei der Protest gegen Studiengebühren in Niedersachsen und Bayern. Um Die Open Uni herum werden aber auch die Global Weeks of Education stattfinden. Es wird nach der Open Uni am kommenden Donnerstag eine Demo gemeinsam mit einem Bündnis aus der Stadt stattfindent und wir hoffen, dass das nicht das einzige bleibt, was in der nächsten Zeit passiert. Der AStA steht natürlich zur Verfügung auch Studierende, die selbst aktiv werden wollen, über die Open Uni hinaus bei so etwas zu unterstützen.

Und zum Abschluss noch deine persönliche Lieblingsveranstaltung? Auch abseits deiner Rolle als AStA Referent?

Ich finde die Veranstaltung zur Heteronormativität und qeeren Lebensweisen an der Uni am Sonntag sehr spannend, da wird eine Referentin da sein, die erzählt wie es ist, abseits der Norm an der Uni zu leben.

Danke, Patrick für das Gespräch.

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