Verwaltungsgericht urteilt

Polizeikontrollen gegen das Gesetz
von am 16. Dezember 2010 veröffentlicht in Politik, Polizei & Justiz

Eine gängige Praxis der Polizei in Zusammenhang mit Demos hat das Göttinger Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt. Sie darf die Personalien nicht allein aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes einer Person kontrollieren. Ein Kontrollierter sah sich in seinem Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit und auf informationelle Selbstbestimmung beschnitten und hatte die Polizei verklagt. Die widerum gab an, mit der Maßnahme die „Entstehung versammlungstypischer Gefahren“ verhindern zu wollen.

Das alles geschah am 12. Juli 2008 auf einer Antifa-Demonstration vor dem damaligen Moonlight in Weende. In dem Strip-Lokal sollte ein Konzert mit Bands der rechten Szene stattfinden. Die Polizei befürchtete Auseinandersetzungen von Rechten und Linken und kontrollierte viele, die augenscheinlich in eine dieser beiden Kategorien passten. Der Kläger und sein Begleiter seien „überwiegend schwarz gekleidet“ gewesen und hätten „Gürteltaschen und einen Rucksack mitgeführt“, begründete die Polizei ihre Maßnahme. Eine Person habe eine Hose getragen, deren Seitentasche stark ausgebeult gewesen sei.


Die Demonstration im Juli 2008

Wann die Polizei personenbezogene Daten erheben kann, steht im Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Paragraph 13 besagt, dass dafür von der Person eine Gefahr ausgehen muss, die mit der Kontrolle abgewehrt werden kann. Eine Gefahr ist nach dem Gesetz „eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird.“

Das Gericht konnte in seiner Betrachtung des Falles nicht erkennen „dass die beim Kläger durchgeführte Identitätsfeststellung zur Abwehr einer Gefahr erforderlich war.“ Auch die Tatsache, dass es in der Vergangenheit schon Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten gegeben habe, rechtfertige „jedoch nicht den Schluss, dass Derartiges sich bei jedem Aufeinandertreffen linker und rechter Sympathisanten in gleicher Weise wiederholt“. Dafür bedürfe es jeweils konkreter Anhaltspunkte.

„Eine Gefahr hätte daher nur angenommen werden dürfen, wenn in der Person des Klägers selbst hinreichende Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass er nicht ausschließlich als friedlicher Teilnehmer an der angemeldeten Versammlung teilnehmen wollte“, urteilte das Verwaltungsgericht. Die optische Zugehörigkeit zur linken Szene reiche nicht aus, um eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu begründen.

Damit sagt das Gericht, dass die Polizei immer wieder im Zuge von Demonstrationen gegen das Gesetz verstößt. Personenkontrollen aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes sind eine Standartmaßnahme, die bei vielen Demos zur Anwendung kommt.

Unklar ist, ob die Polizei das wegen dieses Urteils nun ändern wird. Es wäre nicht das erste mal, würde sie es ignorieren. „Das Urteil stellt letztendlich aber schon mal eine zitierfähige Entscheidung dar“, kommentiert Rechtsanwalt Sven Adam. Betroffene von selektiven Vorkontrollen könnten zur Begründung der Rechtswidrigkeit derselben auf diese Entscheidung verweisen.

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Ein Kommentar auf "Polizeikontrollen gegen das Gesetz"

  1. Rakete sagt:

    das stadtradio meldet dazu:

    Der Göttinger Landtagsabgeordnete der Grünen, Stefan Wenzel, will sich zu einem Gespräch über das polizeiliche Vorgehen mit Polizeipräsident Robert Kruse treffen. Wenzel weist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Göttingen zur Verhältnismäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen hin. Darin stellen die Richter fest, dass die polizeiliche Identitätsfeststellung bei einem Göttinger im Vorfeld einer Demonstration im Juli 2008 rechtswidrig war. Sie verletze den Kläger in seinen Rechten, heißt es in dem Urteil. Die Beamten hatten die Maßnahme u.a. mit der „typischen Szenekleidung“ des Mannes begründet. Wenzel erklärte, es dürfe in der Öffentlichkeit keine polizeilichen Vorverurteilungen von ganzen Gruppen geben. Das Urteil des Verwaltungsgerichtes „solle man sich bei der Polizeidirektion in Göttingen hinter den Spiegel hängen“. Weil es in den vergangenen Monaten „mehrere Anlässe zum Nachdenken“ gegeben habe, sagte Wenzel, wolle er das Gespräch mit Kruse suchen.

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