Einsatz im Rathaus

Polizei demaskiert sich selbst
von am 25. November 2010 veröffentlicht in Polizei & Justiz

Der Forderung nach einem kritischen Dialog mit der Bevölkerung begegnete die Polizei am Mittwoch Abend mit einer doppelten Polizeikette vor dem Eingang zum Rathaus. Etwa 40 PolizeikritikerInnen hatten sich eingefunden, um gegen den nichtöffentlichen Charakter des Treffens zwischen RatspolitikerInnen, Staatsanwaltschaft und dem Polizeipräsidenten zu protestieren. Im Ratssaal wurden Linke mit Nazis verglichen.

Erst als Linken-Ratsherr Patrick Humke-Focks im Rathausfoyer eine „öffentliche Fraktionssitzung“ einberief, durften die kritischen GöttingerInnen das Rathaus betreten. Dort stellten sie sich mit Transparenten und Schildern auf, die sich gegen „das undemokratische Vorgehen der Göttinger Polizei“ aussprachen – stets unter den Argusaugen von zahlreichen Staatsschutz-Beamten. Ein Polizeispalier verhinderte, dass Demonstrierende den Ratssaal betraten.

Der war ohnehin nicht gerade gut gefüllt: Die Fraktionen von Grünen, Linken und SPD waren jeweils mit nur einer halben handvoll Ratsmitgliedern im Saal, teilweise auch aus Protest gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit. Oberbürgermeister Wolfgang Meyer (SPD) sagte an die Protestierenden gewandt, eine öffentliche Auseinandersetzung würde diesem geschlossenen Treffen folgen.

Dem Vernehmen nach soll Polizeipräsident Kruse sich im Ratssaal in der Gleichsetzung von rechts und links geübt haben. So etwas wie die ‚Reichskristallnacht‘ dürfe nicht wieder passieren, so der Präsident angeblich, wo die Polizeikräfte zugesehen und sich dem vorherrschenden ‚Zeitgeist‘ unterworfen hätten. Die Ablehnung eines Runden Tisches soll er auch damit gerechtfertigt haben, dass die Polizei mit keinen Interessengruppen Gespräche führe, weder mit Nazis, noch mit Linken. Überhaupt habe er Runde Tische als Einrichtung aus der DDR in Erinnerung, die mit den Wahlen zum Parlament ihre Legitimation verloren hätten.

Eine Teilnahme an einem Runden Tisch habe er außerdem abgelehnt, weil die Polizei keine Kompetenzen für eine Neubewertung hätte. Dafür gebe es Politik, Gerichte und Staatsanwaltschaften. Eine Neubewertung gerichtlich bereits abschließend behandelter Fälle soll der Polizeipräsident grundsätzlich abgelehnt haben. Das berichtete uns einE TeilnehmerIn der Veranstaltung. Nach rund einer Stunde war diese zu Ende.

Polizeieinsatz „Armutszeugnis für Demokratie“

Harrsche Kritik an dem Einsatz der Polizei im Rathaus kommt von der Fraktion der Grünen. „Ich wüsste nicht, womit ein derart martialisches Auftreten der Polizei zu rechtfertigen wäre“, sagte deren Vorsitzender Rolf Becker. „Die Polizei hat heute trotz anderslautender Bekundungen im Ratssaal durch ihr Handeln bewiesen, dass sie an Bürgernähe, Deeskalation und konstruktivem Dialog leider wenig Interesse hat.“ Becker vermutet, dass diese kompromisslose Haltung die Arbeit der Polizei in Göttingen „nicht leichter machen“ wird.

Das langjährige Ratsmitglied Ulrich Holefleisch kann sich nicht erinnern, jemals so viel Polizei im Rathaus gesehen zu haben. „Diese Diskussion hinter verschlossenen Türen, abgeschirmt von einer halben Hundertschaft Polizei ist ein Armutszeugnis für unsere Demokratie“, sagte er.

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19 Kommentare auf "Polizei demaskiert sich selbst"

  1. @ sagt:

    RESISDANCEYA – Antirepressionsparty
    Freitag 26. November
    Beginn: 22:00 Uhr

    Widerstand kostet Geld. Der Topf um Leute finanziell zu unterstützen, die bei ihrer politischen Arbeit kriminalisiert werden, muss wieder gefüllt werden. Das Anti-Repressions-Bündnis lädt euch deswegen zu einer Soliparty ins Juzi ein. Die Party beginnt um 22 Uhr (!!!) und endet (mangels Mithilfe) um 4.30 Uhr.
    Das heißt: Kommt früh und genießt die Party mit Cocktailbar, 2 dancefloors und bunter Musikmischung. Also Termin frei halten, kommen, Geld ausgeben und am besten gleich mit helfen!

  2. soft_brain sagt:

    Danke für die Berichterstattung!

  3. easypeasy sagt:

    Die Polizei geht also gegen Linke vor, um eine zweite „Reichskristallnacht“ zu verhindern. Das ist ja einfach nur noch widerlich 🙁

  4. Nome sagt:

    Is´ scho schlimm

    Aber interessant, dass Kritik am Verhalten der Polzei, nach der Broschüre besonders in Fällen speziellen „Herrschaftskritischen“ Angagements, wenn mensch es denn so nennen will, besonders mit aus bürgerlichen Kreisen kritisiert wird.
    Meiner völlig subjektiven Empfindung nach, ist das ein super Zeichen.
    In Zeiten, in denen ein „Starker Staat“ gefordert wird, wird zunehmend die Systemfrage mit der Exekutive beantwortet.
    Projekte gegen die Abschiebemaschinerie, eigentlich alle sozialen Themen können sich hoffentlich jetzt vielmehr auf ein breites Spektrum stützen.
    Vielleicht wird es dann ja irgendwann besser hier…

  5. irritierter sagt:

    moin zusammen,

    warum nochmal will irgendjemand überhaupt an solch einem couter-treffen teilnehmen. warum eigentlich kann es plitisch sinnvoll sein, mit einem solchen irren wie kruse zu reden/diskutieren? weshalb genau macht es sinn, den anderen teilnehmenden ihre versammlung durch die eigene anwesenheit zu legitimieren? wer hat eigentlich das mandat dafür von wem erhalten? und schließlich: warum wundert/empört sich noch irgendwer, wenn herrschende sich treffen, um strategien gegen linke soziale bewegungen abzusprechen???

  6. bobbel sagt:

    alta, komm ma von deiner marginalisierten weltanschauung runter!starte du doch mit deinen 5 kumpels ne revolution. hahaha, das will ich sehen 😀
    hier geht es ganz sicher nicht darum, durch gespräche mit bullen oder bürgermeister deren vorgehen gegen linke zu legitimieren, sondern um deren vorgehen einer breiteren öffentlichkeit vor augen zu führen. denn leider ist es nunmal so, dass wir auch sympathisantInnen brauchen, die nicht nur vom käseblatt beeinflusst werden, sondern auch merken, dass hier linke bewegungen kriminalisiert und bekämpft werden.
    ahoi

  7. Nele sagt:

    Auch bei GOEST sind nun Berichte und Reaktionen von gestern Abend online gegangen: http://goest.de/
    Es wäre sehr interessant, wenn TeilnehmerInnen an der Sitzung den „Kristallnacht“-Bezug genauer ausführen bzw. wiedergeben könnten. Musste spontan an das Polizeiverhalten und -reaktion im Rahmen des Esther Bejarano-Konzerts denken und wie sehr sich die BeamtInnen doch mit der Geschichte auseinandersetzen…
    http://www.themenportal.de/nachrichten/ns-gedenkstaetten-kritisieren-polizeieinsatz-in-goettingen-62560

  8. Magda sagt:

    Mich würde sehr interessieren, ob der Kruse tatsächlich von „Kristall“ gesprochen hat. Wenn das der Fall sein sollte, sollte den Kerl mal jemand darauf aufmerksam machen, dass dieser Begriff mittlerweile (nicht nur unter HistorikerInnen) mehr als umstritten – weil die Ereignisse dieser Nacht verharmlosend – ist.

  9. Uli-E sagt:

    wann gibts ein Leak? Also bitte irgendjemand im Ratssaal wird ja wohl aufgenommen haben und den Mum haben dies Notfalls sogar ein Wikileaks oder sonst wo reinzustellen.

    Widerstand ist Pflicht.
    Kristallnacht, was eine f************ D*******

  10. what sagt:

    Besonders lustig wirds dann, wenn wegen Körperverletzung verurteilte Neonazis wie Dennis Franke in der Kommentarspalte des Käseblatts mitreden. Bitte Hirn vom Himmel werfen!
    http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/Uebersicht/Kritik-an-Geheimgespraechen-im-Ratssaal
    s.a.: http://de.indymedia.org/2010/06/283330.shtml?c=on#c657343
    und
    http://npd-blog.info/2010/01/21/prozess-gegen-npd-funktionar-in-rostock/

  11. nööööööööööt sagt:

    @ 9

    Bitte informiert euch doch mal genau und wikileaks überhaupt ist bevor es quer durch die szene gehyped wird.

    Selbst wenn ein audio oder protokoll bei wikileaks eingehen würde ist mit einer veröffentlichung nicht zu rechnen. warum? das ganze ist im moment eher ein ein mann projekt, und zwar das von julian a. vor einer veröffentlichung prüft wikileaks dokumente auf die echtheit. derzeit sollen mehrere 1000 dokumente in der warteschlange stehen, da von seiten wikileaks nur umfangreiche archive mit US bezug veröfentlicht werden. das die wahl auf ausgerchnet diese dokumente gefallen ist, und sie zudem mehreren zeitschriften vor der veröffentlichung auf wikileaks zur verfügung gestellt wurden, hat zu großen internen zerwürfnissen geführt. auch der email verkehr der npd, der wikileaks angeblich vorliegt, wurde aus kapazitätsmangel bisher nicht veröffentlicht.

    1nform1ert euch bevor 1hr bl1nd auf andere hofft!

  12. Uli-E sagt:

    @11 das war vorsätzlich von mir. Aber hoste du es doch…? Ob es ein Mitschnitt gibt…

  13. Rakete sagt:

    Das StadtRadio meldet:

    Nach dem Gespräch von Polizei und Staatsanwaltschaft mit den Göttinger Ratsfraktionen in der vergangenen Woche hat die CDU-Fraktion „substanzlose Schuldzuweisungen an Polizei und Justiz“ kritisiert. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Holger Welskop, beklagte eine mangelhafte Teilnahme der anderen Fraktionen. Diesen gehe es nicht um eine sachliche Information über die Ermittlungen zum politischen Extremismus in Göttingen. Im Mittelpunkt stünden offenbar die mediale Aufmerksamkeit und das „gebetsmühlenartige Verleugnen von linksextremistischer Gewalt in Göttingen“. Die Darstellung der Polizei und der Staatsanwaltschaft bewertete Welskop als gut und angemessen. An einer sachlichen Diskussion darüber hätten die anderen Fraktionen offenbar kein Interesse.

  14. da lässt sich ja... sagt:

    …nur ein schluss zu: Welskop (im CDU-Video an vorderster Front) ist ein Idiot & hat die Welt einfach nicht begriffen. Kein Wunder…

  15. Melk sagt:

    So lange die konservative Gebetsmühle lauter klappert und das gebetsmühlenartige Verleugnen von Polizeigewalt in Göttingen und anderswo so gut funktioniert, brauchen die auch keinen Tisch, nirgendwo.

    Was wird eigentlich aus der von Wargel herbeigesehnten wissenschaftlichen Untersuchung zur „linken Szene“ in Gö? Das wäre doch eigentlich ein schöner Anlass, um Fakten zu schaffen.

  16. mister sagt:

    Die Linken und Rechten sind beide gleich die können sich die Hand reichen.

  17. @ mister sagt:

    Wie kommts du darauf? würde mich über eine Begründung freuen…

  18. magda sagt:

    don’t feed the trolls!

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