TOP V: Auf’s Maul. Das StuPa konstituiert sich.
von Harvey am 26. Februar 2010 veröffentlicht in Politik, UnipolitikEs ist ein parlamentarisches Mittel mit Tradition: Ein filibuster, also eine Rede, die vor allem auf Verzögerung – oder Verhinderung – parlamentarischer Entscheidung zielt. Caesar beschwerte sich bereits über die Reden Catos des Jüngeren im römischen Senat, die bereits mit diesem Ziel geführt wurden. Jüngst war dieses parlamentarische Mittel in der öffentlichen Diskussion um die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat, was freilich allerdings von deutschen Medien meist mißverstanden wurde. Im deutschen Bundestag sind aufgrund fester Redezeitbeschränkungen solche Mittel denn auch nicht ohne weiteres möglich.
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag sammelte auch das Studierendenparlament der Universität Göttingen handfeste Erfahrungen im Umgang mit filibustern. Es war die erste Sitzung nach den vergangenen Wahlen für dieses Gremium, also die sogenannte »konstituierende Sitzung«. Zu dieser lädt noch das Präsidium der vorangegangenen Wahlperiode ein und an vorderster Stelle der Tagesordnung, die dieses Mal 33 einzelne Tagesordnungspunkte umfasste, steht regelmäßig die Wahl eines neuen Parlamentspräsidiums.
Nicht ganz verkneifen kann sich der Autor dieser Zeilen, hier auch noch eine Aufzeichnung einer extra3-Werbung, die thematisch passt, zu verlinken. Zur Aufheiterung. Zum Nachschlagen für Neugierige: die Wikipedia zu filibustern.
Bereits bei der Wahl des »StuPa-Präsidenten« und seines Stellvertreters war das Parlament gezwungen, sich wegen langer Vorstellungsreden in Geduld zu üben. Richtig zur Sache ging es dann bei Punkt fünf der Tagesordnung: Wahl des 2. stellvertretenden StuPa-Präsidenten. Den Auftakt machte die Fraktion der Juso-Hochschulgruppe, die zuvor Absprachen gemacht hatte und eigentlich den dritten Posten im Präsidium besetzen sollte: Der Kandidat sprang ab und verwies – nach dem parlamentarisch zweifelhaften Vorwurf des Wortbruchs durch die Gegenseite – auf den Affront, den die Wahl eines bekennenden Ex-Burschenschaftlers (RCDS) zum ersten Stellvertreter bedeutet habe. Nach zwei Fraktionspausen mussten dann weitere Kandidaten aufgestellt werden. Die USRK, Nachfolgerin der legendären Gruppe »schwarz-rot-kollabs«, startete das Rennen mit einem Kandidaten, der wiederum eine längliche Vorstellungsrede hielt und auch in der formal anschließenden Fragerunde wacker durchhielt. Aus den die Mehrheit im Parlament stellenden Gruppen ADF und RCDS kandidierte dann auch eine RCDS-Abgeordnete, die sich kurz vorstellte und umgehend ankündigte, keine Fragen zu beantworten. Das Rumpf-Präsidium, das zu diesem Zeitpunkt bereits die Sitzung leitete, nahm diese Aussage zum Anlass, die formal vorgesehene Fragerunde gleich ganz ausfallen zu lassen.
Nun sprang ein Parlamentarier des Basisdemokratischen Bündnis (BB) in die Bresche, erklärte seine Kandidatur und forderte in seiner Vorstellung, die ausgefallene Fragerunde zur RCDS-Kandidatin stattfinden zu lassen. Solange wolle er weiter reden. Nachdem der Kandidat seine Redezeit auf etwa eine Viertelstunde ausgedehnt hatte, verlor der neue Präsident des Studierendenparlaments aber die Geduld. In kürzester Zeit ergingen zwei »Rufe zur Sache«, dann der ausgesprochene Entzug des Wortes. Das schien aber allein das Gemüt nicht zu kühlen und so ging es unmittelbar folgend zur Sache: Der frischgewählte Präsident griff höchstselbst zur Gewalt und versuchte, den Kandidaten vom Mikrofon zu trennen. Binnen weniger Sekunden bildete sich vor den Sitzreihen ein Pulk von etwa fünfzehn Personen und es spielten sich Schulhof-ähnliche Szenen mit Schubserein, Ziehereien, Kneifen, einem vermeintlichen Biss, Ellenbogen in Gesichtern und einem im Sprung vorgestreckten Knie ab.
Nun wurden auch plötzlich Bildaufzeichnungsgerät hervorgeholt – was wiederum unmittelbar wegen Verstoß gegen ein (wohl nicht publiziertes) entsprechendes Verbot von anderen Parlamentariern gerügt wurde, während die körperlichen Auseinandersetzungen noch in vollem Gange waren. Nach knapp einer Minute war dann der Spuk vorbei und manchen Leuten wurde wohl klar, dass hier etwas gründlich schief gelaufen war. Plötzlich herrschte betretene Stille im Saal, der bis dahin noch von ständigen Zwischenrufen, Tröten, Musik und lauten Gesprächen geprägt war. Fünf Minuten später traf dann noch ein breitschuldriges Kommando des Universitätssicherheitsdienstes ein, deren Verständnis für die Probleme der Parlamentarier sich doch in verständlichen Grenzen hielt. Irgendjemand muss auch die Polizei gerufen haben, die allerdings vor der Tür des Gebäudes wartete und irgendwann wieder fuhr.
Es dauerte eine Stunde, bis sich das Parlament gesammelt hatte. Man konnte und wollte sich nicht dazu durchringen, eine Reaktion auf die Ereignisse zu finden. In einigen Gesprächen hatten verschiedene Fraktionsmitglieder zunächst debattiert, ob nun den Fotografierenden ein Saalverweis erteilt werden solle. Der Saalverweis gegen den Kandidaten, der seine Redezeit wie die Nerven des Präsidenten überzogen hatte, blieb aufrechterhalten. Der Präsident klingelte einigermaßen gefasst mit der Glocke, das Zeichen für das Ende der Pause. Weiter geht es, als wäre nichts passiert. Die Geräuschkulisse wird noch eine Viertelstunde brauchen, bis sie wieder zur vorigen Form zurückgefunden hat. Kein Wort über die Ereignisse, der Präsident ruft zur Stimmabgabe bei der Wahl zu seinem zweiten Stellvertreter auf. Gewählt wird die RCDS-Kandidatin, die keine Fragen beantworten wollte.
Die ganze Tragikomödie schafft es aber nicht mehr zum Abschluss: Als knapp zwölf Stunden nach Beginn der Sitzung das Reinigungspersonal anrückt, war das Parlament gerade erst am Anfang der Wahlen zum neuen AStA. Gerade hatte die Kandidatin – vermeintlich unterstützt durch die Mehrheit von ADF und RCDS – im bereits zweiten Wahlgang eine Schlappe hinnehmen müssen. Es wird beschlossen, die Sitzung zu vertagen. Die Nachbereitung beginnt: Jusos verteidigen den Parlamentarismus und freuen sich darüber, dass so viele Sitze auch wirklich von Parlamentariern besetzt waren, andere Abgeordnete errechnen Statistiken über vermeintliche Satzungs- und Ordnungsverstöße. Das neue Präsidium fragt sich vermutlich gerade, wo eine Vertagung einer Sitzung überhaupt geregelt ist und was es für Ladungsmodalitäten gibt. Der Spuk des Aktions- und Improvisationstheaters geht langsam, der Kampf um die Deutungshoheit geht gerade erst los. Der Selbstverwaltungsparlamentarismus in Göttingen ist um eine Blamage reicher.
Ich traue es mich kaum zu sagen, möchte aber der Korrektheit hinzufügen, dass ich auf der Liste des Basisdemokratischen Bündnisses für einen Sitz in diesem Parlament kandidiert habe. Es tut mir aufrichtig leid.
Wieso tut es dir Leid? War doch offensichtlich ein dem Stupa angemessenes Spektakel. Wenn das öfter so läuft, gehen bestimmt auch mal wieder Schaulustige in so eine Stupasitzung. Hatte ja mal Tradition sich da zu betrinken und RCDS, ADF und LHG zu bepöbeln. Zeiten ändern sich aber…
Also ich versuche, die Tradition nach wie vor aufrecht zu erhalten;-) Was anderes ist mir angesichts von ADF/RCDSlern, die selbst angesichts von „Argumenten“, dass zb. Studentische Vollversammlungen nicht legitim alle vertreten könnten, weil die Hörsäle zu klein für alle seien, weiter Stimmvieh spielen auch nicht möglich. Somit hoffe ich auch um eine angemessene Fortsetzung. Sollte noch neue Batterien für’s Megafon holen:)
Ich denke viele Leute werden neidisch sein, dass sie das nicht miterlebt haben. Eine Saalschlacht im Stupa ist der berühmte Rockzipfel der Geschichte der uns streifte. Wer nach dem Besuch des Stupas nicht antiparlamentarisch ist, hat irgendwas nicht verstanden.
In diesem Sinne: Zicke und Hopo sind doch voll…..
Also ich habe mich prächtig amüsiert und freue mich bereits jetzt auf die nächste stupa-sitzung. Im Übrigen unterstütze ich den Vorschlag des „Redezeit-Überziehers“, das stupa in „kasperletheater“ umzubennen.
Die Hoffnung auf einen linken asta wurde mir schon längst geraubt. Mit dem nötogen Sarkasmus kann man im stupa aber wirklich eine gute Zeit haben. ADF, RCDS und LHG wegpöbeln!
Auch wenn der Artikel gut geschrieben ist, ist er doch an den richtigen Stellen mit Halbwahrheiten gespickt 😉 neutrale Berichterstattung ist was anderes … aber bei einer Sache sind wir uns einig, eine Blamage war es in jedem Fall …
Halten wir fest: Die ganze Geschichte wäre anders verlaufen, wenn die RCDS-Kandidatin die üblichen Fragen über sich hätte ergehen lassen.
Und die RCDS-Kandidatin „Katharina Breden“ hatte wohl allen Grund die Fragestunde abzubrechen, weil sie nicht ganz so unbekannt ist, zumindest an der Politikwissenschaftlichen Fakultät. So ist sie (immer noch?) die Hilfskraft vom Zander, Oberstleutnant a.D. und ist einem Seminar mit einer Äußerung aufgefallen, dass „Linkspartei und NPD gleich schlimm“ sein würden.
Der andere Vize „Sascha Tietz“, der sich bei der Rangelei besonders hervorgetan hat, gab ja selbst zu Protokoll, am Anfang seines Studiums der Brunsviga angehört zu haben. Gerne erinnern wir uns auch an seine Forderungen an die Unileitung, als das VG friedlich besetzt gehalten wurde: „Wir distanzieren uns entschieden von dieser Form des Protestes und fordern die Universität auf, das Gebäude räumen zu lassen.“
(u.a. http://www.goest.de/bildungsstreik.htm)
Kleine Korrektur: Zwei Polizeibeamte standen bereits im Foyer…
Was?!
Bullen auf dem Unigelände? Gibt es nicht einen Paragraphen, der besagt, dass „Lehre und Wissenschaft“ -dh. in diesem Fall die Uni- unabhängig vom Staat bleiben müssen und somit Bullen nur mit Einverständnis der Unileitung auf das Gelände gelassen werden?
Wie kommt es, dass sie darauf gelassen worden sind?!!!
Ich bin mir sicher, es gibt diesen Paragraphen! Und zwar nicht ohne Grund, sondern vielmehr als Reaktion auf den Verlauf der Geschichte. Wir erinnern uns..
Imho darf auch die Polizei nicht ohne weiteres ein Privatgrundstück betreten sondern braucht dafür die Genehmigung des Eigentümers, in diesem Fall die des Unipräsidiums. Das gilt natürlich nicht bei Gefahr im Verzug o.ä., d.h. wenn die Polizei zu einer Schlägerei gerufen wird, muss sie, denke ich, sich keine Erlaubnis dafür holen.
Wenn Straftaten vorliegen gilt die Hochschulautonomie nicht, weil die Erlaubnis durch den Unipräsidenten Zeit geben würde, die Sache zu verdunkeln. Bei Bekanntwerden einer Straftat (oder einem „bösen Anschein“) muss jeder Beamte im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchen die Sache aufzuklären. Nachzulesen in § 163 StPo.
Weiter geht es übrigens am kommenden Montag, aber bereits ab 11:15 Uhr vormittags, im ZHG 008 — diesmal mit dem Versuch, den „Genuss alkoholischer Getränke“ ganz zu untersagen, allerdings unter Verweis auf eine angebliche entsprechende Auflage des Uni-Gebäudemanagements. Außerdem wird die Möglichkeit erwähnt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Dies beträfe allerdings wohl nur Nicht-Studierende, da im StuPa jede_r Studierende auch rede- und antrags- sowie oft auch passiv wahlberechtigt ist.
Öffentlichkeit ausschließen hört sich wahnsinnig demokratisch an
@ all: Auf zur stupa sitzung und für großes Kino sorgen!!!
wollnse die nächste saalschlacht riskieren, wenn sie die zweieinhalb nichstudies raus schmeißen? im übrigen liegt ja wohl als erstes der rücktritt des presidiums an… ansonsten schließe ich mich dem bereits gesagten an, den scheiß kaputtrocken…
…DA! DER DOKTOR!
zu viel studenten und keine lösung, was soll man machen als politiker und christ
„Zweieinhalb nichstudies“…Blödsinn
DU BIST DOCH VOLL
DU BIST DOCH VOLL!