Jutta Ditfurths „Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft“
von am 13. Januar 2010 veröffentlicht in gelesen

Jutta Dithfurth ist zornig. Zornig auf den Kapitalismus und all das Elend, dass er ihrer Meinung nach in aller Welt anrichtet. Und das sei eine Menge: Armut, Krieg, Ausbeutung, Rassismus – alles „made in capitalism“. Auf hundert Seiten schildert die Mitbegründerin der Grünen, die ihrer Partei längst den Rücken gekehrt hat, en detail die vermeindlichen Folgen des Systems, auf dass sie so wütend ist. Und sie glaubt, dass sie mit ihrer Wut nicht alleine ist.

„Staatliche Obrigkeit und Kapital ahnen, dass es in den Köpfen hunderttausender, wenn nicht Millionen Menschen brodelt. Aber Politiker sind so weit vom normalen Leben der Menschen entfernt, dass sie vom Ausmaß der großen Wut nichts wissen.“

Der Kapitalismus an sich sei es auch, der für die Wirtschaftskrise verantwortlich sei, schreibt Dittfurth, nicht irgendwelche Manager und ihre Gier. Es sei das Prinzip der Konkurrenz, dass sie zu dem mache, was sie sind. Trotzdem wird die Linksradikale nicht müde, all ihre Missetaten anzuprangern und in rustikale Klassenkampfrethorik zu verfallen. Der Kapitalismus sei nicht reformierbar, schreibt sie.

„Der Kern des Kapitalismus ist Profit und Maximierung des Profits. Er besteht auf der maximalen Verwertung und Vernutzung des Menschen. Nichts, was wir am Kapitalismus beklagen, ist zu bändigender „Missbrauch“ oder zu korrigierende „Randerscheinung“.“

Ditfurths logische Konsequenz: der Kapitalismus muss weg. Was genau ihre favorisierte Alternative zur kapitalistischen Gesellschaft ist, lässt die Autorin weitgehend offen. Die DDR sei ihr zu autoritär gewesen, schreibt sie. Einen Staatssozialismus wie den ostdeutschen propagiert sie sicher nicht. Wie auch an anderen Stellen zitiert sie Marx und schreibt, dass große Ziel sei, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Ditfurth will mehr als Steuerreformen und die Sanierung eines krisengeschüttelten Systems, sie will die soziale Revolution.

„Es macht sehr viel glücklicher, in einer Welt zu leben, die nicht von Hass, sozialer Gewalt und Not durchsetzt ist. Es ist die schönste vorstellbare Utopie, in einer Welt zu leben, in der alle Menschen, die geboren werden, die Chance haben, ihr ganzes, soziales, intelektuelles und kreatives Potenzial frei zu entfalten.“

Was Ditfurth hier beschreibt, nur nicht ausspricht, ist der Kommunismus. Der „Verein freier Menschen“ nach Marx, der ein ganz anderer sein soll als der in der ehemaligen Sowjetunion. Über die Hälfte ihres Buches beschäftigt sie sich mit der Frage: wie ist eine solche Gesellschaft zu erreichen? – Und wie nicht? Auf keinen Fall mit, wie Ditfurth sie nennt, „reformistischen“ Parteien wie die Linkspartei.

„Die Linkspartei/PDS ist weder sozialistisch noch radikaldemokratisch. Sie ist prokapitalistisch und betreibt Sozialabbau. Sie behauptet, antimilitaristisch zu sein, aber sie fördert die Aufrüstung und ist, unter bestimmten Voraussetzungen, für Krieg. Sie ist Gegner emanzipatorischer Politik. Sie steht uns im Weg.“

Warum das so ist, beschreibt Ditfurth haarklein auf über 40 Seiten und verliert sich dabei, wie so oft in diesem Buch, auf Nebenschauplätzen. Letztlich kommt sie zu dem Schluß: „wir werden alles selber machen müssen“. Nur – wer sind heute, neben einer linksradikalen Minderheit, „Wir?“ Wo doch das klassische revolutionäre Subjekt, die Arbeiterklasse mit einem kollektiv-revolutionärem Bewusstsein, nicht mehr existiert.

„Unsere heutigen potentiellen Bündnispartner sind: Migranten, Subproletarierinnen, Straßenkinder, Facharbeiter, Schüler, Studentinnen, Leiharbeiterinnen, Künstler, Hartz-IV-Empfänger, Intellektuelle – was die Sache ein bisschen mühsamer macht, aber auch ziemlich interessant.“

Und wie soll das dann gehen, den Kapitalismus abschaffen? Ditfurth lässt es weitgehend offen. Nur das es wohl nicht ganz ohne Gewalt gehen wird, daraus macht sie kein Geheimnis. Staat und Kapital würden sich nicht wehrlos abschaffen lassen. Auch wenn sie ja eigentlich eine gewaltfreie Gesellschaft propagiert.

„In einer durch und durch gewalttätigen Gesellschaft aber wird „Gewaltlosigkeit“ nicht immer möglich sein, sofern wir keine Opfer sein wollen. […] Unser Ziel ist, dass Menschen ein Leben ohne Ausbeutung, Diskriminierung, Hunger und Krieg führen können. Dafür sind energischere Maßnahmen als Mahnwachen und Kundgebungen notwendig.“

Kein Wort darüber, wie die Menschen kollektiv das internierte Grundprinzip ihrer Vergesellschaftung, den Tausch, hinter sich lassen sollen. Ja überhaupt auf die Idee kommen sollten, diesen als Wurzel allen Übels ausfindig zu machen. Das einzige, womit Ditfurth in diesem Buch unumstößlich recht hat, steht auf Seite 225, kurz vor dem Ende ihrer Streitschrift:

„Es gibt kein Ende der Geschichte.“

Denn wie es weiter geht, bestimmen letztlich wir selbst.

Alle Zitate aus: Jutta Ditfurth: Zeit des Zorns. Erschienen im Droemer-Verlag. Erhältlich für 16,95 € im Buchladen Rote Straße.

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6 Kommentare auf "Jutta Ditfurths „Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft“"

  1. *Aktion sozialer Widerstand* sagt:

    Blendend!

    : „Es gibt kein Ende der Geschichte.“

    Wo Papa, Mama, nebst Oma – noch was zu erzählen haben –
    ‚kay …
    doch fallen 2 von dies 3 nun um,
    ist die ganze Chose … „Plum“!

    Soweit zur Logik.

    Darüber hinaus ließe sich auch fragen:

    „Ob Eurer Erwetterung der Ditfurth`schen Un-gemachtheit –
    was ist Eure (unsere verraten wir per `se nich: GEHEIMNISS) –
    ?Gemachtheit? ?“

    Vor dem Kürzel „-zentriert“ gibt es einen Bei-Pass.

    Tingt abaut das.

    Lächelnde Grüße
    *Absender`s*

  2. - sagt:

    Was will *Aktion sozialer Widerstand* uns nur mitteilen?

  3. Badendes Kind sagt:

    Was uns ASW damit sagen will weiß ich auch nicht.

    Aber was mich interessieren würde ist, ob Jutta Ditfurth überhaupt versprochen hat, was Rakete vermisst.
    Sonst scheint sie zu schreiben (entnehme ich diesem Text), was Linksradikale halt so schreiben. Genaueres über Revolutionen und die Ausgestaltung eines möglichen Kommunismus, traut sich doch heute niemand mehr …

  4. Rakete sagt:

    Ja, das hat sie, indem sie immer wieder fragt, wie wir die von ihr beschriebene Gesellschaft erreichen können. Die Frage beantwortet sie nur sehr unbefriedigend – auch auf der Veranstaltung gerade. Theorie, Aktion, Organisation. Das wusste ich auch schon vorher und ist doch eher linksradikaler Allgemeinplatz als großartiger Erkenntnisgewinn.

    Amüsante Randnotiz: im Vortrag bezeichnete sie Gsells Freigeldtheorie richtiger Weise als antisemitisch und nach dem Vortrag wurden vor der Tür Flyer für das Regionalgeld Augusta verteilt, dass sich auf genau diese Theorie beruft.

  5. fortschritt sagt:

    Also „Zorn“ klingt doch ganz gut. Denn wenn sich Menschen weniger trauen, als über die Ausgestaltung des Kommunismus nachzudenken, dann ist es wirklich zornig zu sein und tatsächlich überhaupbt erst das Bedürfnis zu entwickeln „alle Verhältnisse umzuwerfen“.

    Ob das Buch aber dabei hilft, wage ich ja erstmal nach der Rezension zu bezweifeln, aber wenigstens ist Jutta zornig.

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